Thema – Klimawandel

Suchen Newsletter ABO Mediathek

Keep cool

Weiß bemalte Straßen, ein simulierter Vulkanausbruch in der Stratosphäre und Dünger für die Ozeane: Mit Geoengineering wollen manche Forscher den Klimawandel bremsen. Ist das mehr als Science-Fiction?

Die Menschen streben zum Fortschritt, wie sinnvoll er auch sein mag. Immer wieder wollen sie Dinge erfinden, verbessern, verändern. So haben sie auch den CO₂-Anstieg in der Atmosphäre verursacht, der jetzt zum Klimawandel führt. Und während die einen nun sagen: „Fahren wir das lieber mal zurück und verbrauchen weniger“, setzen die anderen erst recht auf technischen Fortschritt: Dass wir den Ökosystemen unfreiwillig geschadet haben, machen wir wieder gut, indem wir noch mehr in sie eingreifen, so die Idee. Diese Veränderung im ganz großen globalen Maßstab nennt sich „Geo­engineering“. Vor allem zwei Strategien werden dabei verfolgt: Das „Solar Radiation Management“ will die Sonnenstrahlung reduzieren, die auf der Erde ankommt, und so den Planeten abkühlen. Und beim „Carbon Dioxide Removal“ geht es darum, der Atmosphäre CO₂ zu entziehen. Auf beiden Wegen ließe sich zumindest etwas mehr Zeit für den Umbau der Energieversorgung erkaufen, so die Hoffnung. Manche der Vorschläge lesen sich wie Science-Fiction. Die meisten bergen unübersehbare Risiken für die komplexen Ökosysteme und klingen eher wie verzweifelte Versuche, die Umwelt zu verändern. Dennoch wird weitergeforscht. Die Menschen streben halt zum Fortschritt, wie sinnvoll er auch sein mag.

CO² binden

Futter bei die Algen

Bereits heute bremsen die Ozeane den Klimawandel, sie speichern Wärme und binden jede Menge Kohlendioxid. Nun gibt es die Idee, da noch etwas nachzuhelfen, indem man das Oberflächenwasser der Meere mit fein verteiltem Eisensulfat düngt. Dadurch würde das Wachstum von Algen drastisch angeregt, und diese könnten über die Fotosynthese große Mengen Kohlendioxid aufnehmen. Was das für langfristige Folgen für die maritime Nahrungskette hätte, ist aber kaum bekannt. Forscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven testeten das Verfahren im Südatlantik mit zwei Projekten. Dabei wurden jeweils etwa sechs Tonnen Eisensulfat in einem 300 Quadratkilometer großen Gebiet verteilt. Tatsächlich nahm in den oberen Wasserschichten kurzfristig das Algenwachstum zu. Doch insgesamt waren die Resultate ernüchternd. So förderten absterbende Algen die Bildung von Zooplankton, winzigen tierischen Organismen. Diese fraßen die zusätzlichen Algen. Eisendüngung bietet also nur einen kurzfristigen, aber keinen nachhaltigen Effekt zur CO₂-Bindung. Weitere Versuche sind erst mal nicht geplant. Allgemein ist zu beachten, dass die Biodiversitätskonvention Geoengineering verbietet, wenn darunter die biologische Vielfalt der Arten in einem Ökosystem leidet.

Aus der Luft gegriffen

Mit Kohle und Erdgas befeuerte Kraftwerke pusten Unmengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre. Doch das Treibhausgas lässt sich teilweise von den übrigen Abgasen – etwa Schwefel- und Stickoxiden – abtrennen und herausfiltern. Das verdichtete CO₂ kann in das poröse Gestein geleerter Erdöl- und Erdgaslagerstätten gepresst und dort dauerhaft gespeichert werden. Nach einigen Jahrhunderten bis Jahrtausenden können sich sogar feste Karbonate bilden. Diese Idee des „carbon dioxide capture and storage“ – kurz CCS – wurde bereits in einigen Pilotkraftwerken getestet. In Island etwa konnten im Rahmen der CarbFix-Projekte einige Hundert Tonnen CO₂ in 500 bis 750 Metern Tiefe verpresst werden. Dank der besonders dazu geeigneten Basalte im isländischen Boden mineralisierte das Gas sogar in extrem kurzer Zeit. Alle verfügbaren CCS-Techniken stecken noch in der Entwicklung, der technische und finanzielle Aufwand für die gigantischen Anlagen wäre immens: Kohlekraftwerke müssten mit teuren Filtern ausgestattet werden, grob geschätzt würden sich die heutigen Kosten von Strom aus Braunkohle etwa verdoppeln. Schwer absehbar sind dabei mögliche Umweltschäden: Das verpresste CO₂ könnte Schadstoffe im Boden freisetzen oder salziges Grundwasser nach oben drängen. Dort könnte es das trinkbare Grundwasser oder landwirtschaftlich genutzte Böden versalzen.

Sonnenstrahlung vermeiden

Tanz auf dem Vulkan

Als vor 73.500 Jahren der Vulkan Toba ausbrach, sorgte er auf der gesamten Erde über mehrere Jahre für bis zu fünf Grad tiefere Durchschnittstemperaturen. Der Ausbruch des philippinischen Pinatubo im Jahr 1991 ließ die globale Temperatur immerhin um ein halbes Grad fallen. Verantwortlich dafür ist das Gas Schwefeldioxid, das in 15 bis 50 Kilometern Höhe zu Sulfaten oxidiert und sogenannte Aerosole bildet, die Sonnenlicht reflektieren. Denn, logisch: Wenn weniger Sonnenstrahlung die untere Atmosphäre erreicht, verringert sich auch die globale Erwärmung. Diesen Effekt könnten Menschen simulieren, indem sie, zum Beispiel mit Heißluftballons, große Schwefelmengen in die Stratosphäre bringen und sie dort verbrennen. Doch die Folgen für die komplexen Prozesse in der Atmosphäre wären unabsehbar. Die entstehenden Sulfate können sich in Wasser lösen und zu schwefelsaurem Regen führen. Auch können Sulfate die Ozonschicht schädigen. Und nicht zuletzt könnten sich die Niederschlagszonen auf der Erde verschieben. Mögliche Folgen wären Überschwemmungen und Dürren. So sieht heute kein seriöser Wissenschaftler in einem „künstlichen Vulkanausbruch“ eine sinnvolle Maßnahme gegen den Klimawandel.

Griechisches Weiß

Die Bewohner griechischer Inseln wissen: Helle Flächen reflektieren Sonnenlicht besser und wärmen sich weniger auf als dunkle. So bleiben ihre landestypisch weiß gestrichenen Häuser im Sommer angenehm kühl. Das sollte doch auch anderswo funktionieren. In ersten Pilotversuchen wurden bereits Hausdächer und städtische Infrastruktur in hellen Farben gestrichen – so etwa im Jahr 2017, als in Los Angeles Straßen mit einem reflektierenden hellgrauen Spezialbelag beschichtet wurden. Eine weitere Idee: Helle Erntereste sollten auf Feldern länger liegen gelassen werden, anstatt unter die dunkle Erde gepflügt zu werden. In aufwendig berechneten Klimamodellen konnten Forscher den Effekt der gesteigerten Lichtreflexion abschätzen. Das Ergebnis: Global gesehen zeigt diese Maßnahme keinen nennenswerten Vorteil, die Wärme wird nur in höhere Luftschichten verlagert. Doch lokal können die Temperaturen in einem heißen Sommer durchaus um einige Grad sinken. Vor allem in dicht besiedelten Städten ließe sich so ein Hitzestau im Sommer lindern, in der Folge würde der Stromverbrauch Abertausender Klimaanlagen sinken, fossil befeuerte Kraftwerke könnten ihre Leistung drosseln. So liefert dieses einfach umsetzbare Strahlungsmanagement immerhin einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz – zumindest wenn bei der Herstellung der Spezialfarben nicht mehr Energie verbraucht wird, als man durch ihren Einsatz einspart.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.