Eigentlich hatte Premierministerin Theresa May versprochen, auf den regulären Wahltermin im Jahr 2020 zu warten. Im April ließ sie dann doch über Neuwahlen abstimmen – mit Erfolg. Da lag die Vorsitzende der Konservativen Partei in den Umfragen noch rund 20 Prozentpunkte vor Jeremy Corbyn von der Labour-Partei, sie schien bereits als Gewinnerin der heutigen Wahl festzustehen.

Grey Britain

In der Zwischenzeit ist jedoch viel passiert, nach den Anschlägen von London und Manchester hat sich zum Brexit noch der Terror als bestimmendes, womöglich wahlentscheidendes Thema gesellt. Die Briten erleben derzeit eine sensible Phase und dürften genau darauf achten, welche Politiker die richtigen Antworten finden und wie nahbar sie dabei bleiben. Wer die folgenden Bilder von der Mahnwache in London sieht, könnte jedenfalls zu dem Schluss gelangen, dass in diesem Wahlkampf am Ende die leisen Töne die wichtigeren sein könnten:

Huck: Londoners hold an emotional tribute to those killed by terror

Ein Duell, das keines war

Theresa Mays Vorsprung ist den Demoskopen zufolge jedenfalls deutlich geschrumpft – aktuelle Umfragewerte hier –, auch weil sie ein direktes TV-Duell mit Corbyn scheute und im indirekten Vergleich dann nicht so recht überzeugen konnte. Eine kommentierte Zusammenfassung gibt es hier bei den Kollegen vom ZDF, die gesamte Aufzeichnung ist auf Youtube zu sehen (anderthalb Stunden, englisch):

May v Corbyn: The Battle For Number 10 - The full programme

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Dritte Wahl

Liberale Kommentatoren finden an Corbyn jedoch auch nicht mehr Gefallen als an May. Beide wollten „die Zugbrücke hochziehen“ – mit düsteren Folgen. Der Autor dieser Zeilen würde daher weder Labour noch Tories wählen, sondern die Liberal Democrats. Die seien ehrlicher als die einen, vernünftiger als die anderen. Allein: Selbst wenn dem so sein sollte, bei dieser Wahl werden „Lib Dems“ keine Schnitte haben.

The Economist: The middle has fallen out of British politics

Wer wirklich wählen geht

Bei den jungen Wählern hat Corbyn übrigens klar die Nase vorn – allerdings müssten die dann auch wirklich ihre Stimme abgeben. Das ist längst nicht ausgemacht, wie diese Grafiken zeigen:

The Telegraph: A million young people register to vote in month since election called

Jeremy rennt

Erinnert sich noch jemand an das Schulz-Zug-Spiel? … Okay, war auch nicht so dolle. Die Labour-Variante heißt „CorbynRun“. Darin jagt der Spitzenkandidat Banker und Tories, während Theresa May ihren Anhängern Champagnerflaschen aus einem Helikopter zuwirft. Je erfolgreicher der Spieler sich in Corbyns Rolle schlägt, desto größer wird sein „Movement“ – junge Menschen schließen sich ihm an, Fahrradkuriere, Studenten. So geht das also.

Plötzlich ein zweiter Bernie?

Wahlentscheidend? Wohl eher nicht. Mehr Erfolg verspricht da der Support von MCs wie JME, Stormzy und anderen, die sich unter dem Hashtag #grime4corbyn für den Labour-Kandidaten aussprachen und ihrerseits eine kleine Bewegung lostraten. Grime ist eine ziemlich aggressive Musikrichtung, entstanden im Londoner East End – die Street Credibility hat Corbyn jetzt also sicher. In diesem Text erscheint er sogar fast wie ein britischer Bernie Sanders:

NME: #grime4corbyn: inside the movement that seeks to be “a form of political resistance”

Das ging dann doch zu weit

Sorry, jetzt gibt es doch keinen limitierten Banksy-Druck für all jene, die nicht für die Tories stimmen. Das hat der (angeblich) in Bristol lebende Street-Art-Künstler bekannt gemacht. Ursprünglich wollte er nämlich Wähler in und um Bristol belohnen, die nachweislich ihre Stimme nicht an Theresa May geben. Auf Druck der Wahlkommission hat er sein Vorhaben aber abgebrochen.

The Guardian: Banksy forced to withdraw offer to send free artwork to non-Tory voters

Politische Interventionen sind bei Banksy Tagesgeschäft. Auch der Brexit beschäftigte ihn in letzter Zeit. In der Küstenstadt Dover malte er ein riesiges Wandbild, auf dem ein Handwerker einen Stern aus der europäischen Flagge rausmeißelt. 

The New York Times: Banksy’s View of ‘Brexit’? It’s in the Stars

Gewohnt zuverlässig

Einen guten Überblick am Wahltag bieten, wie schon in den vergangenen Tagen, der Liveblog des „Guardian“ sowie dessen „Election Daily“-Podcast. Bei letzterem ist zwar Youtuber Owen Jones mit von der Partie, der eher Aktivist ist als Analyst, doch hier wird er von interessanten Gästen und Journalisten flankiert. Spannende Debatten!

Guardian: Round the clock general election coverage

Guardian: Election Daily

Titelbild: Renke Brandt