Eight flowers for you … one for me“, steht auf dem großen Bild, das in der Eingangshalle der Augsburger Pharmafirma Betapharm hängt: „Das steht für unsere Unternehmensphilosophie. Geben ist der Kern unseres Geschäfts. Wir hoffen, dass unser Modell Schule macht“, sagt Pressesprecherin Manuela Olhausen.

Das Modell: Betapharm, das 2006 mit preiswerten Kopien von Markenmedikamenten 186 Millionen Euro umsetzte, unterstützt über das 1999 gegründete Beta Institut mittlerweile zwölf soziale Projekte im Gesundheitswesen mit jährlich etwa zwei Millionen Euro. Darunter „Mammanetz“, das an Brustkrebs erkrankte Frauen unterstützt, oder den Verein „Bunter Kreis“, der Familien von chronisch kranken Kindern betreut. Für eine bessere Patientenberatung stellt das Unternehmen Ärzten und Apothekern ein Informationssystem zur Verfügung, seinen Mitarbeitern bietet es flexible Arbeitszeiten, damit sie Familie und Beruf vereinbaren können.

Corporate Social Responsibility (CSR) nennt man derartiges sozialverantwortliches Handeln von Unternehmen. Das bedeutet: Firmen setzen sich freiwillig und langfristig für soziale und ökologische Belange ein, über-erfüllen gesetzliche Mindestanforderungen und Tarifvereinbarungen und zeigen Verantwortung für ihre Mitarbeiter, deren Familien, die Region, die Gesellschaft als Ganzes.
Das gesellschaftliche Engagement soll keineswegs wirtschaftlichen Misserfolg schönen. Im Gegenteil. „Wir haben wirtschaftlichen Erfolg, weil wir so viel Geld in andere Projekte stecken“, sagt Manuela Olhausen. „Denn die Arzneimittel, die wir anbieten, sind austauschbar.“ Bei Beginn des Betapharm-Engagements lag die Firma auf Rang 15 der deutschen Billigmedikamentenhersteller. Heute liegt sie auf Platz vier – und das ohne Endverbraucherwerbung, wie sie zum Beispiel Konkurrent Ratiopharm macht.

Der Begriff CSR ist in Deutschland neu, gesellschaftliches unternehmerisches Engagement aber hat Tradition. Schon Robert Bosch förderte die Weiterbildung seiner Mitarbeiter, führte 1906 den Achtstundentag ein und stiftete in Stuttgart ein Krankenhaus. Die Globalisierung hat dem Thema aber eine neue Dimension gegeben. „Während der Einflussbereich von transnationalen Unternehmen wächst, gibt es noch zu wenig Möglichkeiten, Unternehmen für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen“, sagt Cornelia Heydenreich vom CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, in dem sich dreißig Organisationen und Verbände zusammen-
geschlossen haben, um Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte sowie internationaler Sozial- und Umweltstandards zu verpflichten. „Bisher waren Unternehmen in einen nationalstaatlichen Rahmen und ein entsprechendes kulturelles Umfeld mit tradierten Normen und Werten eingebettet. Das hat ihre Strategie langfristig mitbestimmt“, sagt Marcus Kreikebaum vom Institut für Unternehmensethik an der European Business School im hessischen Oestrich-Winkel. Durch die Globalisierung sind viele Firmen weltweit tätig und nicht mehr fest in einer Region verankert, Hedgefonds bestimmen immer häufiger die Geschäftspolitik, das Streben nach schnellstmöglichem Profit löst langfristiges Wirtschaften ab.

Prinzipien, wie sie in den Leitsätzen der OECD, dem UN Global Compact oder den Social Accountability Standards niedergelegt sind, legen lediglich Minimalstandards fest, Verstöße können nicht bestraft werden. NGOs und Netzwerke wie CorA sind deshalb wichtige Kontrollinstanzen, die öffentlichen Druck auf Unternehmen ausüben. „Viele Unternehmen denken erst um, wenn ihnen solche Organisationen aufs Dach steigen“, sagt Anna Peters vom CSR-Projekt der Bertelsmann-Stiftung, die soziales Engagement von Unternehmen unterstützt. Ein bekanntes Beispiel: Mitte der Neunziger geriet Nike wegen schlechter Arbeitsverhältnisse in seinen Fabriken in die Kritik – und musste handeln. Dass Lidl Bioprodukte führt, ist auch eine Reaktion darauf, dass Greenpeace die starke Pestizidbelastung in Lidl-Obst und -Gemüse öffentlich machte. Greenpeace International versucht derzeit, mit der Kampagne Greenmyapple.com die Firma Apple dazu zu bringen, auf giftige Stoffe in ihren Produkten zu verzichten. Die Stiftung Warentest überprüft seit gut zwei Jahren nicht nur die Qualität von Produkten, sondern auch die Herstellungsbedingungen und die Umweltbilanz. Darin schneidet die Axel Springer AG gut ab. Das Unternehmen hat sich auf Waldnutzungsstandards verpflichtet: Es darf nicht mehr Holz geerntet werden, als nachwächst, Tiere und Pflanzen müssen geschont, Waldarbeiter ausgebildet werden. Bekanntestes Beispiel für CSR: die US-Bekleidungsfirma American Apparel, die nicht in Billiglohnländern produziert. Designen, Nähen, Vermarkten – alles geschieht in Los Angeles. Ein weiteres Angebot: kostenlose Englischkurse für Spanisch sprechende Mitarbeiter.

Solches Engagement hat nichts zu tun mit Marketingmaßnahmen, wie sie zum Beispiel Krombacher einfielen. Der Bierbrauer warb damit, einen Teil des Kaufpreises für jeden Bierkasten in den Schutz des Regenwalds zu investieren. CSR hätte bedeutet, sich um die Qualität seines Produkts und die Bedingungen seiner Herstellung zu kümmern. „Was hat das mit meinem Kerngeschäft zu tun, und was können wir glaubwürdig vertreten? Diese Fragen müssen sich Unternehmen stellen, die sich engagieren wollen“, erklärt Anna Peters die Grundlagen für gelungenes CSR. Alles andere seien Einzelaktionen, die zwar Gutes stiften können, aber kein langfristiges Unternehmensengagement. Aber nicht nur für Firmen, die wie Apple, American Apparel oder Nike ihre Produkte direkt an den Kunden bringen, ist CSR wichtig. Der Trend ist mittlerweile auch an der Börse angekommen. Die Rating-Agentur Oekom Research in München überprüft für Investoren und Finanzdienstleister rund 150 soziale und ökologische Kriterien – die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter spielen dabei genauso eine Rolle wie Maßnahmen, den Energieverbrauch zu reduzieren, und die Frage, ob Zulieferer gegen Kinderarbeit vorgehen. „Wenn Unternehmen in unserem Rating schlecht abschneiden, investieren die Investmentfonds nicht mehr in sie“, erklärt Vorstandsvorsitzender Robert Haßler. „Das ist ein klarer Sanktionsmechanismus und zugleich ein wichtiger Anreiz für die Firmen.“ Dass der Ruf nach gesellschaftlicher Beteiligung von Unternehmen größer wird, hat laut Anna Peters noch einen weiteren Grund: „Jeden Tag lesen wir in der Zeitung, dass der Staat als omnipotenter Problemlöser an seine Grenzen stößt, sei es bei der Gesundheits-reform oder der Finanzierung von Verkehrs-projekten. CSR könnte ein Baustein zu einem Politikstil sein, bei dem Staat, Gesellschaft und Wirtschaft besser zusammenarbeiten.“

Die Betapharm hat diesen zweiten, Corporate Citizenship genannten Schritt schon vollzogen. Sie fördert nicht nur Gutes, sondern versucht darüber hinaus, das Gesundheits-system zu verändern. Eine vom Beta Institut beauftragte Studie konnte zeigen, dass der „Bunte Kreis“, der chronisch kranke Kinder und deren Familien nach dem Krankenhausaufenthalt zu Hause betreut, mit seinen Leistungen langfristig die Kosten senkt. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde eine Gesetzesinitiative in den Bundestag eingebracht, die Nachsorge durch den „Bunten Kreis“ zahlen mittlerweile die Krankenkassen, aus dem Projekt ist eine bundesweite Nachsorgeleistung geworden. Inzwischen gibt es deutschlandweit 22 „Bunte Kreise,“ weitere sind in Planung.

„Unternehmen“, erklärt Marcus Kreikebaum, „begreifen mehr und mehr, dass sie ein Produkt der Gesellschaft sind und ihre Aufgabe darin besteht, zum Wohlergehen dieser Gesellschaft beizutragen – und zwar zum beiderseitigen Nutzen.“