Am Anfang war die Ursuppe. Hier und dort blubberte und gluckerte es, ab und an tobten die Naturgewalten. Ein paar chemische Reaktionen später schwammen die ersten Einzeller umher. Der Prozess dauerte weit länger als sieben Tage, aber heute dominieren die Menschen den blauen Planeten, grübeln über ihren Ursprung nach und fliegen in den Weltraum, dessen unendliche Weite uns daran erinnert, dass die Erde allenfalls ein Staubkorn ist.

Genau diese Entwicklung, die zumindest in den meisten Ländern dieser Erde unter dem Begriff "Evolution" als Schulwissen kursiert, kann man im 2008 veröffentlichten PC-Strategiespiel "Spore" als eine Art kleiner Gott oder Geburtshelfer im wahrsten Sinne des Wortes in eine Richtung lenken und in eigenen Planspielen gestalten. Die ambitionierte PC-Simulation entstammt einer Idee des Videospiel-Entwicklers Will Wright, der sich seine ersten Sporen mit dem Klassiker "Sim City" verdiente, und sich für "Spore" vom Super-Nintendo-Geheimtipp "E.V.O.: Search for Eden" inspirieren ließ, der die Evolution als actionreiches Jump'n'Run adaptiert.

Survival of the Fittest – vor dem Monitor

In "Spore", dessen Handbuch schlappe 100 Seiten umfasst, startet alles mit einem Einzeller in der Ursuppe. In dieser Phase funktioniert das Spiel wie ein klassisches 2D-Arcade-Game à la "Pac-Man". Die Spieler entscheiden selbst, ob der eigene Einzeller Pflanzen, Fleisch oder beides frisst, und machen dementsprechend Jagd auf schwächere Tierchen oder vertilgen Pflanzen. So sammeln sich über kurz oder lang sogenannte "DNA-Punkte" an, mit denen einzelne Eigenschaften des Wesens modifiziert werden können: Effektivere Flossen oder ein verbessertes Sehvermögen bringen im Haifischbecken Evolution nämlich allerhand Vorteile mit sich. Die jeweiligen Animationen der Wesen berechnet das Spiel dabei individuell anhand der Eigenschaften, die der spielerisch tätige "Schöpfer" verteilt: Es soll in "Spore" schon dreiköpfige Giraffen gegeben haben – die springen können. Via Internet können die Schöpfungen dann auch andere Spielstände bevölkern.

Was in "Spore" anfangs eine schlichte Mikrobe war, formt sich alsbald zu einer Kreatur, die das Land erobert. Die im Verlauf der Simulation entwickelten Eigenschaften vererben sich von Generation zu Generation, wobei die verschiedenen Abschnitte des Spiels ebenfalls eine grafische und technische Entwicklung durchlaufen: Das anfängliche 2D-Gameplay weicht bald 3D-Grafiken, die Bewegungen in alle Himmelsrichtungen ermöglichen – und die übersichtliche Anfangsphase weitet den Blick schließlich bis ins All, das in "Spore" eine zufallsgenerierte Unendlichkeit umfasst. Dazwischen entwickelt sich unter anderem eine Sprache, die Spieler bauen Städte und müssen in punkto Diplomatie geschickte Schachzüge vollführen, um die Oberhand zu gewinnen: Survival of the fittest eben.

Evolution hautnah

Das Besondere an dieser Art der Evolutionssimulation ist, dass die Spieler die Mechanismen der Evolution fast am eigenen Leib miterleben – und selbst gestalten. Kaum eine Abhandlung kann den Prozess der Evolution derart facettenreich und vor allem unterhaltsam zur Darstellung bringen. Zumal es ja das spezifische Wesensmerkmal eines Computerspiels ist, dass es als Kunstwerk auf die Interaktionen der Nutzer angewiesen ist. Ein Kinofilm läuft unbeeindruckt weiter, wenn das Publikum einschläft – ein Videospiel kommt in diesem Fall, wenigstens in aller Regel, postwendend zum Erliegen. Mit anderen Worten handelt "Spore" nicht von der Evolution, sondern von der aktiven Gestaltung der Evolution – was eigentlich blanke Theorie ist, überführt der homo ludens in die Praxis.

Ein weiteres Computerspiel mit Gen-Thematik ist die noch nicht am Markt verfügbare Simulation "Mew-Genics!", die derzeit an den Tastaturen der Indie-Entwickler von Team Meat ("Super Meat Boy! ") entsteht. Weit weniger komplex als "Spore" züchten die Spieler hier Katzen, weswegen die Macher ihr Werk in Anlehnung an die berühmte "Simpsons"-Figur als "Katzenfrau-Simulation" bewerben. Paart man einen gelben Kater mit einer roten Katze, so kommt – zum Beispiel – ein gelbes Kätzchen mit roten Punkten dabei heraus. Verteilt der Spieler zu viel Futter, entstehen kugelrunde Katzen der Marke Garfield, verteilt er zu wenig, ist der Nachwuchs merklich geschwächt. Das Ganze ähnelt dem 90er-Jahre-Hype "Tamagotchi" und vermittelt insbesondere jüngeren Spielern auf basale Weise ein Gefühl für das weite Feld Vererbung versus Umwelteinflüsse oder Genetik. Gut möglich, dass ein Kind während des Spielens plötzlich erkennt, dass es den Eltern ähnlich sieht, und Fragen stellt, die lebenslang immer mal wieder neue, aber nie und nimmer definitive Antworten finden: Wer bin ich? Wo komme ich her? Und wie hängt das alles überhaupt zusammen?

Gesellschaftliche Debatten im Videospiel

Neben den erwähnten Spielen gibt es noch einige weitere, die mehr oder minder ambitioniert mit Gentechnik, Vererbung und Evolution hantieren. So züchten die Spieler in der Videospielreihe "Creatures" Wesen, die an Gizmo aus den "Gremlins"-Filmen erinnern. Hier verändern sich die Eigenschaften der Kreaturen allerdings nicht durch aktive Eingriffe in die Physiognomie, sondern durch Manipulationen der Umwelteinflüsse.

Eine andere, auch durch die Kinoadaptionen weithin bekannte Videospiel-Reihe, ist "Resident Evil". Hier dienen die Experimente des global agierenden Konzerns Umbrella Corporation mit Gentechnik als Aufhänger für ein Szenerio, in dem Mutanten, Zombies und tödliche Viren die Erde bevölkern. Wie ein Horrorfilm drückt das Gruselspiel gesellschaftliche Ängste (hier in punkto Gentechnik) aus und zeigt, dass Videospiele sehr wohl ein Bestandteil gesellschaftlicher Debatten sein können. Und wer sich der Evolution als experimentierfreudiger Zocker nähert, könnte durchaus – und fast beiläufig – einen bleibenden Erkenntnisgewinn erlangen.