Indische Filme müssen keine Bollywood-Schmachtfetzen sein. Der Regisseur Nagest Kukunoor ist mit seinem bereits vierzehnten Film „Regenbogen“ zum ersten Mal auf der Berlinale vertreten. Der Film begleitet die beiden Geschwister Pari und Chotu auf einem ungewöhnlichen Roadtrip. Um Chotus Augenlicht zurückzugewinnen, pilgern sie durch die Wüste zum Set des neuen Films von Superstar Shah Rukh Khan. Wir haben Kukunoor nach der Vorstellung von „Regenbogen“ getroffen und nicht nur über das moderne Indien gesprochen, sondern auch über die Berliner Currywurst.


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Gar nicht wie Bollywood: "Regenbogen" begleitet die Geschwister Pari und Chotu auf einem ungewöhnlichen Roadtrip

Gar nicht wie Bollywood: "Regenbogen" begleitet die Geschwister Pari und Chotu auf einem ungewöhnlichen Roadtrip

fluter.de: Du bist das erste Mal auf der Berlinale. Was war Dein bestes Erlebnis bislang?

Nagest Kukunoor: Die Weltpremiere im Zoo Palast. So ein riesiges Kino, so ein riesiges Publikum. Ich gucke mir meine Filme nie an, aber ich habe mich dort hingesetzt und den ganzen Film geguckt, um die Reaktion des Publikums zu genießen.


Warum guckst Du Dir deine Filme nie an?

Wenn du einen Film machst, verbringst du so viel Zeit damit, dass du erschöpft davon wirst. Eine unbeteiligte Person genießt den Film einfach und bekommt Antworten. Ich sehe nur meine eigenen Fehler, deshalb schaue ich mir meine Filme nicht an.

Du hast bereits einige internationale Preise gewonnen. Warum lebst du immer noch in Indien?

Indien ist mein Zuhause, all meine Geschichten spielen dort. Auch das Geld kommt aus Indien, vielleicht sollte ich nach Geld außerhalb Indiens schauen, vielleicht sollte ich mal nach Berlin ziehen. Das Schöne am Filmemachen ist, dass man neue Orte kennen lernt. Ich mache meine Filme in unterschiedlichen Gegenden in Indien und lerne dadurch beim Drehen diese tollen Welten kennen. Das ist der beste Teil des Filmemachens für mich. 

Wie verlief denn die Arbeit an „Dhanak“?

Ich habe viele Filme gemacht und arbeite instinktiv. Ende April hatte ich noch kein Skript, der Dreh hat in der ersten Juliwoche begonnen. In den zwei Monaten habe ich wie ein Verrückter gearbeitet. In meinem Herzen wusste ich, dass die Zeit für „Dhanak“ gekommen war. In den zwei Monaten habe ich das Skript geschrieben, Vorproduktion und Castings abgeschlossen. Wir haben für 33 Tage gedreht, zwei Monate an der Postproduktion gearbeitet und den Film Anfang Oktober für die Berlinale eingereicht. Jetzt sind wir hier. 

Der Film wurde in Rajasthan gedreht. Die Schauspieler kamen aus Mumbai. Warum?

Ich liebe es, in Rajasthan zu drehen, die Gegend hat so eine dramatische Landschaft. Das ist keine Nebensache, die man nur so filmt. Leider hat Rajasthan keinen Pool an Schauspielern. Deshalb musste ich auf Leute aus Mumbai zurückgreifen. Das größte Problem für die Schauspieler aus Mumbai war die Hitze. An vielen Tagen war es über 53 Grad heiß. In dieser Hitze zu filmen, ist eine richtige Herausforderung. Aber wenn man die richtige Atmosphäre kreiert, kann man diese Herausforderung meistern.

Dein letzter Film „Lakshimi“ handelte von Sexarbeiterinnen. Wie bist Du auf die Idee zu „Dhanak“ gekommen, wo es um einen kleinen Jungen geht?

Ich habe mich nie auf ein Genre festgelegt. Ich erzähle die Geschichten, zu denen mich mein Herz trägt. Wenn mich etwas leidenschaftlich begeistert, mache ich es. Bei „Lakshimi“ habe ich mit verschiedenen NGOs in Indien zusammen gearbeitet, um Sexhandel zu verhindern und Kindern von Sexarbeiterinnen zu helfen. Bei „Dhanak“ war es vollkommen anders. Ich hatte dieses Bild von zwei durch die Wüste wandernden Kindern in meinem Kopf. Daraus entstand der Film.

Der Film zeigt auch die vielen archaische Seiten der indischen Gesellschaft. Wie siehst du das moderne Indien?

Wie jedes Land hat Indien gute und schlechte Seiten. Der Film sollte mich an alle guten Seiten Indiens erinnern. Indien erlebt gerade einen Modernisierungsschub. In vielen Teilen Indiens setzen Frauen ihre Unabhängigkeit durch. Einerseits passieren positive Dinge, anderseits verlieren wir das Vertrauen zu unserem Nächsten. Jemand hat mir gerade erzählt, dass es herzerwärmend war, wie zwei Kinder die Wüste durchqueren, während wir unsere Kinder nicht mal alleine zur Schule laufen lassen. Ich wollte mich daran zurückbesinnen, dass es eine unschuldige Zeit gab und dass die Welt kein schlechter Ort ist.

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Nagest Kukunoor im Gespräch mit Louisa Zimmer, Teilnehmerin am Berlinale-Workshop von fluter.de

Nagest Kukunoor im Gespräch mit Louisa Zimmer, Teilnehmerin am Berlinale-Workshop von fluter.de


 

Welche Rolle spielt Shah Rukh Khan für die Geschichte?

In Indien erreichen Filmstars einen gottgleichen Status. Gerade abseits der Metropolen in den Dörfern. Im Film hat jeder seine eigene Geschichte über Shah Rukh Khan – „Er hat meine Süßigkeiten gegessen“, „mich besucht“ oder „Ein Foto mit mir gemacht“. Ich wollte in einer ironischen Weise zeigen, wie jeder Aspekt unserer Leben sich um diese Superstars dreht. Sie sind nicht bloß Schauspieler, sie sind viel mehr als das. Die Mythologie um Khan prägt den ganzen Film. Besonders die Schwester hofft, dass er ihrem blinden Bruder das Augenlicht zurückgeben kann.Welche Rolle spielt Shah Rukh Khan für die Geschichte?

Du hast über deine erste Currywurst getweetet. Wie hat sie Dir geschmeckt?

Das Schöne am Essen ist, dass es wie Filme verschiedene Kulturen umfasst. Ich bin verrückt nach Essen und koche häufig. Wenn man verschiedene Dinge mixt, kann man neue Kochkünste etablieren. Hier gibt es traditionelle Bratwurst, die ich sehr häufig gegessen habe. Aber mit Curry und scharfer Soße – großartig. Seit ich hier bin, habe ich jeden Abend eine Currywurst gegessen.

Regenbogen, Indien 2014, Regie und Buch: Nagesh Kukunoor, Kamera: Chirantan Das, Schnitt: Sanjib Datta, Musik: Tapas Relia, mit: Krrish Chhabria, Hetal Gada, Gulfam Khan, Vipin Sharma, Suresh Menon

Louisa Zimmer, 17 Jahre, ist Teil des fluter.de-Reporterteams, das während der Berlinale über die Filme der Sektion Generation berichtet.