Kleinbauern machen etwa 85 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe weltweit aus. In den Entwicklungsländern sind sie für einen Großteil der Nahrungsmittelproduktion verantwortlich. Dem gegenüber steht die industrialisierte Landwirtschaft mit großflächigem und hoch mechanisiertem Anbau. "Man kann hier gewissermaßen von einer dualen Landwirtschaft sprechen. Dabei steht der industrialisierten Landwirtschaft weltweit der größte Teil der besonders fruchtbaren Böden zur Verfügung.", sagt Dr. Johannes Kotschi, Mitbegründer von AGRECOL, einem Verein zur Förderung der standortgerechten Landnutzung in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa.Eine Milliarde Menschen hungern - paradox daran: Nie wurden weltweit so viele Nahrungsmittel hergestellt wie heute. Ebenso paradox: Drei Viertel der weltweit Hungernden leben von der Landwirtschaft – als Kleinbauern.

Seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts konnte die industrialisierte Landwirtschaft dank Hochertragssaatgut immer mehr Nahrung produzieren. Gleichzeitig hat sich der Ertrag der Kleinbauern wenig verändert. Schafft es ein industrieller Landwirt heute einem Hektar Land durchschnittlich 8 bis 12 Tonnen Getreide zu entlocken, so kommt ein Kleinbauer in der Regel auf etwa eine Tonne pro Hektar. "Die Hochertragssorten für nährstoffreiche Böden, die von der kommerziellen Pflanzenzüchtung bisher entwickelt wurden, kommen der industriellen Landwirtschaft sehr zu Gute. Für Kleinbauern aber, die meist auf wesentlich weniger fruchtbaren Böden und unter klimatisch schwierigeren Verhältnissen ihr Land bewirtschaften, sind sie oft ungeeignet", so Kotschi.

Ernährungssouveränität gegen Hunger

Die am wenigsten entwickelten Länder sind heute mehr und mehr von Lebensmittelimporten abhängig. 2005 und 2006 war in elf Subsahara-Ländern bereits über die Hälfte des Getreides Importware. In diesen Ländern sind Kleinbauern für einen besonders großen Teil der Nahrungsmittelproduktion verantwortlich.

Die Nahrungskrise 2008 zeigte, wie gefährlich eine Abhängigkeit vom Nahrungsweltmarkt samt seiner Preisschwankungen sein kann: Zwischenzeitlich stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide, Reis oder Mais um bis zu 100 Prozent – zu teuer für den ärmsten Teil der Weltbevölkerung. Die Zahl der Hungernden stieg drastisch.

Wissenschaftler und auch Politiker in den besonders stark betroffenen Ländern sprechen heute vermehrt von 'Ernährungssouveränität', als Mittel zur Bekämpfung von Hunger. "Die Forderung nach globaler Ertragssteigerung ist zu simpel. Menschen müssen in die Lage versetzt werden, ihre eigene Nahrung zu produzieren", so Johannes Kotschi. Ein Land soll seine Bevölkerung mit der eigenen Landwirtschaft – zumindest zu einem großen Teil – selbst versorgen können.

In vielen Ländern wird nun wie schon in den letzten Jahrzehnten versucht, durch noch intensivere industrielle Landwirtschaft mehr Nahrung zu erzeugen. "Bisherige Strategien zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion haben mit zunehmend mehr Agrarchemie – also synthetischen Düngern und Pestiziden – gearbeitet. Kritisch daran ist einerseits die Überlastung der Ökosysteme, andererseits aber auch die Frage der wirtschaftlichen Effizienz. So konnte zwar die globale Getreideproduktion innerhalb von 50 Jahren verdreifacht werden, der Einsatz von synthetischem Stickstoff hat sich jedoch gleichzeitig verachtfacht", so Kotschi. Eine Steigerung der Produktion im industriellen Bereich erweist sich nicht nur als schwerwiegende Belastung für die Umwelt, sondern auch als unverhältnismäßig teuer.

Kleinbauern als die Ernährer von Morgen

Prof. Theo Rauch von der FU Berlin sagt hierzu: "Kleinbauern haben das Potenzial, wesentlich mehr Nahrung zu erzeugen, als sie es heute tun. Sicherlich nicht allerorts – es gibt Gebiete, die heute schon von Bodenknappheit betroffen sind. In vielen Regionen gibt es jedoch noch ungenutzte Ressourcen für Kleinbauern in großen Mengen."

Warum also steht bisher eine Zunahme der Produktion von Kleinbauern aus und weshalb bleiben vorhandene Ressourcen ungenutzt? Die Antwort ist schlicht: Kleinbäuerliche Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten wegen zu niedriger Erzeugerpreise als unrentabel erwiesen.

Hinzu kamen schlechte Vermarktungsbedingungen. In abgelegenen ländlichen Gebieten vieler Entwicklungsländer macht die fehlende Infrastruktur einen gewinnbringenden Absatz der Ernte für Kleinbauern schwer bis unmöglich. "Die Bauern können die Ernte alleine nicht zum Verkauf in die nächste Kleinstadt bringen. Der Zwischenhändler, der den Transport übernimmt – in vielen Orten gibt es davon nicht mehr als einen – bezahlt jedoch wenig", sagt Theo Rauch. "Außerdem verkaufen die Kleinbauern all ihre überschüssige Ernte auf einmal und zur selben Zeit, direkt nach der Ernte. Damit sinken die Preise mitunter auf ein Drittel, in Extremfällen bis auf ein Sechstel von dem, was in den 'Hungermonaten' vor der Ernte gezahlt werden muss."

Der Grund dafür seien, so Rauch, einerseits fehlende Lagerungsmöglichkeiten, andererseits Schulden aus der Zeit vor der Ernte. Die Bauern sind oft zum sofortigen Verkauf gezwungen. Theo Rauch ergänzt: "Haben die Kleinbauern jedoch den Großteil ihrer Ernte verkauft, sind sie für ihre eigene Versorgung vom Zukauf abhängig, verschulden sich erneut und haben mitunter in den Monaten vor der Ernte nicht mehr als eine Mahlzeit am Tag auf dem Teller. Daher die hohe Zahl hungernder Bauern. An Ersparnisse, um in eine Ausweitung der Produktion zu investieren, ist da gar nicht zu denken."

Wieso tut da keiner was?

Wieso wird den Kleinbauern an dieser Stelle nicht mehr von der Entwicklungszusammenarbeit unter die Arme gegriffen? Rauch antwortet: "Ich habe in den achziger Jahren selbst in Programmen zur Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft gearbeitet. Damals war das gerade ein großes Thema. Wir haben jedoch schnell eingesehen, dass eine Produktionssteigerung in dem Bereich uns angesichts der Weltmarktbedingungen zu dieser Zeit nicht weiter brachte. Die Preise für landwirtschaftliche Produkte waren damals einfach zu niedrig. Ich erinnere mich an ein Treffen mit einer Gruppe von Kleinbauern im entlegenen Südwesten Tansanias. Ich fragte sie damals: 'Was tut ihr um eure Situation zu verbessern?'. Sie antworteten mir: 'Wir beten.' Ich fragte sie: 'Für Regen?' – 'Nein, für eine Hungersnot in unserm Nachbarland Sambia. Nur wenn dort zu wenig produziert wird, haben wir eine Chance, unsere Überschüsse los zu werden. In unserer Hauptstadt Daressalam essen die Leute heute nur den billigen amerikanischen Mais.' Der Absatz von kleinbäuerlichen Produkten war angesichts der niedrigen Preise stark subventionierter Nahrungsmittel aus Industrienationen zu dieser Zeit sehr schwierig." Nicht zuletzt deshalb war die Kleinbauernförderung damals zu wenig erfolgreich. Die Mittel dafür wurden folglich stark gesenkt. 1990 standen etwa 20 bis 25 Prozent der Gelder der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für die Landwirtschaft zur Verfügung. 2007 waren es nur noch etwa fünf Prozent.

Niedrige Preise – das war vor einigen Jahren. Aktuell aber steigt die Nachfrage nach vielen landwirtschaftlichen Produkten enorm. Biosprit-vernarrte Europäer, fleischhungrige Asiaten und eine insgesamt wachsende Weltbevölkerung leisten ihren Teil. Die Preise für viele Agrarprodukte sind höher als vorher. Beste Bedingungen für einen Aufschwung im kleinbäuerlichen Sektor, oder nicht?

Biosprit-vernarrte Europäer und fleischhungrige Asiaten

Die Situation angesichts der gestiegenen Preise droht aktuell jedoch, sich weniger als Chance, sondern vielmehr als Risiko für viele Kleinbauern in den Entwicklungsländern zu erweisen.

Der Grund ist einfach: Die junge Landbevölkerung der Entwicklungsländer ist in den letzten Jahrzehnten in die Städte gewandert, damit ist Arbeitskraft, damit sind aber auch viele der vererbten Kenntnisse für die Landwirtschaft verloren gegangen. Die Regierungen vieler Entwicklungsländer haben dem landwirtschaftlichen Sektor wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt, angesichts verbesserter Marktbedingungen, fehlen Kapazitäten, um darauf zu reagieren.

Die Politik hierzulande reagiert gleichermaßen langsam mit entsprechenden Förderprogrammen für Kleinbauern. Kein Wunder, hier wurde schließlich in den letzten Jahren stetig zurück geschraubt: Die Anzahl des mit ländlicher Entwicklung befassten Personals der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), ehemals GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit), ist beispielsweise auf etwa ein Fünftel der Beschäftigtenzahl der 1980er Jahre gesunken.

Diese Lücke füllen im Moment Investoren, die in großer Menge Anbauflächen in Entwicklungsländern kaufen. Nicht so schlimm, Hauptsache ist, es wird mehr Nahrung produziert? Ein trügerischer Schluss, denn ein Großteil der Investoren stammt selbst aus Ländern mit einem Nahrungsdefizit – hohe Exportquoten der Nahrungsmittelproduktion sind also zu erwarten.

Die Abhängigkeit der Entwicklungsländer vom Nahrungsmittelweltmarkt könnte somit in den kommenden Jahren sogar weiterhin steigen. Außerdem werden Kleinbauern mehr und mehr von den Ressourcen verdrängt – ein großer Bevölkerungsteil der Entwicklungsländer könnte dadurch langfristig seine Versorgungs- und Einkommensmöglichkeit verlieren. Verschiedene Initiativen fordern daher einerseits zwingende Quoten für einen Absatz der Nahrungsmittel auf dem Binnenmarkt und andererseits Mindestflächen von Ackerland für eine Selbstversorgung der Kleinbauern.

Letzten Endes kommt es auf das Einkommen an

"Letztlich ist die Frage der Nahrungssicherheit für den Einzelnen vor allem eine Frage der Einkommenssicherheit", sagt Theo Rauch. Kleinbauern könnten sich selbst an mancher Stelle gut helfen: "Zuerst lohnt es sich, Abstand vom Prinzip der Selbstversorgung durch vornehmlichen Anbau von Grundnahrungsmitteln zu nehmen. In Nepal konnte beispielsweise eine Gruppe von Kleinbäuerinnen durch den Anbau von standortangepassten Marktfrüchten, wie Erdnüssen und Bohnen, mit einer Ackerfläche von 1/10 Hektar ein Einkommen für Grundnahrungsmittel von einer Fläche von ½ Hektar erwirtschaften. Das war sinnvoller für sie, als mit enormen Düngermengen den Ertrag beispielsweise einer Maisernte zu erhöhen."

Die Einkommen von Kleinbauern ließen sich nach Rauch außerdem mit einer besseren Abstimmung der Bauern untereinander stark anheben. "Wenn sie als Gruppe gemeinsam auf dem Markt auftreten, können viele Kleinbauern ihre Gewinne deutlich steigern. Zusammen können sie die überschüssige Ernte lagern und Ersparnisse sammeln, um den Verkauf der Ernte zeitlich zu strecken. Die drastischen Preissenkungen durch ein temporäres Überangebot werden dadurch verhindert. Gemeinsam können Kleinbauern sogar einen LKW mieten und so die Ernte selbstständig in die nächste Kleinstadt schaffen."

Nina Salzer studiert in Dresden Internationale Beziehungen und schreibt für Zeitungen und Magazine.