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cms-image-000044009.jpg (Foto: Summiteer Films)
(Foto: Summiteer Films)

Der „Tatort“ ist schuld. Der „Polizeiruf“ auch! Und all die anderen Krimiserien. Sie haben aus dem Genre kreuzbrave Fernsehunterhaltung für Feierabend und Wochenendausklang gemacht, und ihretwegen laufen hierzulande kaum Polizeifilme in den Kinos. Was in Frankreich liebevoll „polar“ und in Italien „poliziotteschi“ genannt wird und was in den USA Klassiker wie „Serpico“ (1973) und „Leben und Sterben in L.A.“ (1985) hervorbrachte, hat hierzulande einfach keine Tradition.

Tatsächlich dauerte es nun 20 Jahre, bis mit „Wir waren Könige“ wieder ein deutscher Polizeifilm seinen Weg in die Kinos findet. Der letzte Versuch war 1994 Dominik Grafs „Die Sieger“, ein wegen seines hohen Budgets und der ungewöhnlich aufwändigen Actionszenen gewagter Film, der aber desaströs floppte. Nun nimmt sich der 35-jährige Regisseur Philipp Leinemann dem Genre mit seinem zweiten Langfilm „Wir waren Könige“ an.

Kevin (Ronald Zehrfeld) und Mendes (Mišel Matičević) leiten eine Gruppe des Sondereinsatzkommandos der Polizei (SEK). Bei einem Einsatz wird einer ihrer Männer verletzt, der Täter entkommt. Das Team steht nun unter besonderer Beobachtung, zumal die Polizeileitung mehrere SEK-Einheiten zusammenlegen will. Langsam wird Kevin klar, dass Kollege Mendes es mit dem Gesetz oft nicht so genau nimmt. Auf der anderen Seite gerät auch eine Jugendgang unter Druck, weil eines ihrer Mitglieder vom SEK fälschlicherweise verfolgt wird.

Polizeifilme zeigen – immer noch – Männerwelten, sie arbeiten mit den Codes und Zeichen, mittels derer sich „echte Kerle“ untereinander verständigen. In diesem Sinne erzählen sie eigentlich klassische Western-Storys für die Gegenwart und verhandeln überzeitliche Kategorien wie Freund und Feind, Gut und Böse. Andererseits erzählen sie von konkreten gesellschaftlichen Gegebenheiten, spiegeln in ihren überhöhten Geschichten also auch gegenwärtige Konflikte.

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cms-image-000044010.jpg (Fotos: Summiteer Films)
(Fotos: Summiteer Films)

Philipp Leinemann strebt mit „Wir waren Könige“ danach, ein in diesem Sinne existenzialistisches Drama mit aktueller Relevanz zu schaffen. Das gelingt ihm jedoch nur in Ansätzen. Auf Augenhöhe mit seinen Vorbildern ist Leinemanns Film, wenn er die Männerwelt des SEK mit ihren ritualisierten Gesten porträtiert. Ständig stehen diese hünenhaften Leidensmänner am Tresen und kippen Schnäpse, klopfen sich auf die Schulter und klatschen sich ab. Dieses Verhalten ist genau beobachtet und überzeugend choreografiert, wie auch die Action der Einsätze selbst. Und aus dem Konflikt zwischen Loyalität und Rechtsstaatlichkeit könnte ein dichtes Drama entstehen. Ungenau wird „Wir waren Könige“ aber dort, wo Leinemann die Gegenseite, die Jugendkriminalität, beschreiben will.

Zu schattenhaft bleiben die Figuren dann, zu theatral ihre Dialoge, zu unspezifisch ihr Auftreten. Die Parallelisierung der Gruppendynamik von SEK und Jugendgang führt zusätzlich zu einer reichlich schleppenden Dramaturgie, die echte Spannung nicht aufkommen lässt.

Überhaupt bleibt der Film zu unverbindlich, weil er nicht konkret in einer sozialen Wirklichkeit verortet ist. „Wir waren Könige“ spielt in einer anonymen deutschen Stadt. Offensichtlich wollte Leinemann damit die genrehaften Larger-than-Life-Aspekte seines Films unterstreichen. Stattdessen nimmt er ihm so die Glaubwürdigkeit und lässt die markigen Sprüche seiner Helden umso mehr wie hohle Phrasen klingen. In Sachen Realismus ist ihnen sogar so mancher „Tatort“-Kommissar voraus.