Sprachunterricht im Kindergarten der Zukunft. Abed beugt sich über ein großes Tablet und runzelt die Stirn. Auf dem Display sind die bunten Tiere eines Bauernhofs zu sehen. Ihm gegenüber sitzt kein Pädagoge aus Fleisch und Blut, sondern ein kleiner Roboter. „Soll ich dir helfen?“, fragt dieser, und seine runden Augen blinken. Abed nickt. Mit dem ausgestreckten Finger deutet der Roboter auf den Stall am Rande des Bildschirms: „Wie heißt dieses Tier?“

Eine Zukunftsvision? Vielleicht, aber keine allzu ferne. Im Rahmen des EU-Projektes „L2TOR“ – ausgesprochen „el tutor“ – untersucht ein internationales Forscherteam, ob und wie Roboter beim Lernen einer Fremdsprache helfen können. Angesichts einer steigenden Zahl von Flüchtlingskindern in den Vorschulen und Kindergärten ist das eine interessante Perspektive. „Jedes Kind in einer Zweitsprache zu unterrichten, können sich Kindertagesstätten selten leisten. Wir fragen uns, ob Technik Abhilfe schaffen könnte“, erklärt Stefan Kopp, Experte für künstliche Intelligenz an der Universität Bielefeld. Gemeinsam mit Kollegen aus England, den Niederlanden und der Türkei arbeitet er deshalb an einem Roboter, der deutlich mehr leisten soll als heutige Lernspiele.

Der knapp 60 Zentimeter große Robo-Lehrer soll mit den Kindern sprechen und sowohl ihre Muttersprache als auch die Zweitsprache verstehen. Das Zählen übt er zum Beispiel mit den Fingern, auch in Himmelsrichtungen kann er zeigen. Zusätzlich zu Gesten und Sprache gibt es noch Übungen oder kleine Bildergeschichten auf einem verknüpften Tablet-PC. Der wahrscheinlich spannendste Teil des Projekts ist jedoch die Empathie. Der Roboter soll nämlich die Emotionen der Kinder erkennen – an den Bewegungen der Augenbrauen, der Stimmlage oder zögerlichen Antworten. Und er soll mit Gesten und Worten zum Lernen motivieren. „Wir müssen dafür die Emotionen der Kinder richtig deuten und darauf angemessen reagieren. Das ist eine wichtige Grundlage für eine gute Pädagogik und damit den Erfolg des Projektes“, erklärt Kopp. Das Erkennen von Emotionen ist keine neue Fragestellung in der Robotik und klappt bereits bei einfachen Ausdrücken wie Freude oder Ärger. Um die technischen Möglichkeiten den Herausforderungen des Sprachenlernens anzupassen, beobachten die Forscher zurzeit die Interaktion von Schülern und Lehrern, zum Beispiel deutsche Kinder beim Englischlernen oder türkische Kinder im Umgang mit der deutschen Sprache.

Pädagogen aus Fleisch und Blut kann L2TOR nicht ersetzen

Für den Erfolg des Projektes spricht schon jetzt einiges. Schließlich ist der Einsatz von Robo-Lehrern kein Neuland mehr. Bereits seit Ende 2012 läuft das EU-Projekt „EMOTE“. Die Forscher setzen dabei Roboter im Bereich Geografie ein, fokussiert auf den Umweltschutz. Auch sie sollen Wahrnehmungsvermögen entwickeln, mit den Schülern interagieren und ihre Emotionen verstehen. Die ersten Schulversuche waren erfolgreich. Die Kinder reagierten positiv auf die Roboter und hatten Freude an den interaktiven Aufgaben auf dem Tablet.

Doch Pädagogen aus Fleisch und Blut sollen und können die Maschinen nicht völlig ersetzen. Bereits die soziale Interaktion mit mehreren Kindern überfordert sie heillos. Die Dynamik einer menschlichen Gruppe ist zu komplex und übersteigt ihren künstlichen Horizont. Gerade traumatisierte Flüchtlingskinder benötigen eine besondere menschliche Zuwendung, die ihnen die Roboter nicht geben können. Es wird also auch weiterhin echter Pädagogen bedürfen, die sich der Kinder mit der nötigen Empathie annehmen, zu der Roboter nicht fähig sind.

Die L2TOR-Forscher sehen ihr Konzept deshalb eher als eine Weiterentwicklung von Lerncomputern. „Erst gab es Sprachlabore, dann Computerräume und in Zukunft vielleicht Übungsstunden mit Robotern“, sagt Kopp. Mit allen Vor- und Nachteilen: Genauso wenig wie ein Kind den ganzen Tag am Computer verbringen sollte oder allein in seinem Zimmer mit seinem Stofftier, sollte es natürlich nicht immer nur allein mit dem Roboter sein. Auch einen anderen Faktor des Spracherwerbs werden Roboter wohl nie ersetzen können, und zwar das Lernen der Kinder von- und miteinander. Noch besser als im Klassenzimmer gelingt das bekanntlich beim gemeinsamen Spielen auf dem Pausenhof.