Es waren aufregende Tage, im Guten wie im Schlechten. Seit Dienstag war ich in Hamburg vor Ort, um die Pressekonferenz der EU-Präsidenten Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, Fernsehinterviews von Herrn Juncker und ein Hintergrundgespräch für Journalisten mit den EU-Unterhändlern vorzubereiten. Am Donnerstagabend kamen EU-Kommissionspräsident Juncker und die übrigen Delegierten.
In den Messehallen gab es einen Übertragungsraum, in dem die Delegierten die Tagung der Staats- und Regierungschefs direkt verfolgen konnten. Vor dem Bildschirm saßen dort 150 bis 200 Leute mit Laptops oder Tablets und Kopfhörern für die Simultandolmetschung.
„Die G20 sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems“
Vor dem Gipfel erzählte uns Reinhard Hönighaus, wie er sich auf die Konferenz vorbereitet --> seine To-do-Liste gibt's hier nachzulesen
Bei G7-Gipfeln können die Staats- und Regierungschefs ihre Themen richtig ausdiskutieren. Bei einem G20-Gipfel mit 36 Delegationen sowie Chefs internationaler Organisationen geht es formalisierter zu. Das Plenum ist dann eher ein Austausch von Positionen. Die Kanzlerin hat das Wort erteilt, die Teilnehmer aufgerufen, das Gesagte manchmal auch kommentiert.
„Richtig zur Sache geht es in den vielen bilateralen Treffen in den Sitzungspausen“
Manche Staats- und Regierungschefs haben vorgefertigte Statements abgelesen, während andere frei gesprochen und leidenschaftlich ihre Position dargelegt haben. Manchmal wurde auch gescherzt und gelacht. Über die Details darf ich nichts sagen – aber an vielen kleinen zwischenmenschlichen Begebenheiten merkt man, wie wichtig es ist, dass sich die mächtigsten Politiker dieser Welt persönlich treffen und in die Augen schauen.
Richtig zur Sache geht es in den vielen bilateralen Treffen in den Sitzungspausen. Präsident Juncker hatte einige davon, zum Beispiel ein Vieraugengespräch mit Russlands Präsident Putin.
„Die Ausschreitungen waren ein Gesprächsthema in den Fluren, hatten aber keinen Einfluss auf die Gipfelergebnisse“
Drinnen beim Gipfel bekommt man über die Medien mit, was in der Stadt los ist. Abends sind viele Delegierte in der Stadt unterwegs, um essen zu gehen. Am Donnerstagabend war ich mit Kollegen nahe den Landungsbrücken unterwegs. Dabei sind wir direkt an der „Welcome to hell“-Demo vorbeigekommen. Dass viele Restaurants über die Gipfeltage geschlossen hatten, hat uns da nicht mehr groß verwundert.
Am Freitag nach den Verhandlungen sind wir durchs Schanzenviertel zurück zum Hotel gefahren, im Schritttempo, weil die Straße voller Menschen war. Ein paar „erlebnisorientierte Jugendliche“, wie die Polizei sie nennt, haben gegen unser Auto getreten. Die Fahrzeuge der Delegationen waren ja leicht zu erkennen: Vans mit Diplomatenkennzeichen, in denen Männer mit Schlips und Frauen im Hosenanzug saßen. Polizeikolonnen gab es nur für die Wegstrecken der Staats- und Regierungschefs selbst.
Dennoch habe ich mich sicher gefühlt. Wir sind durch viele Polizeikontrollen gekommen und haben oft mit den Polizisten geredet. Die hatten wirklich harte Bedingungen mit gefährlichen Einsätzen, kurzen Ruhezeiten und schlichter Verpflegung.
„Der legitime, friedliche Protest ist dagegen etwas, was die Verhandler beflügeln kann“
In der Nacht zum Samstag haben die Sherpas, die Unterhändler der Staaten und Organisationen, die Schlusserklärung weitgehend ausverhandelt. Nur eine Frage zum Klimaschutz blieb offen.
Die Ausschreitungen in der Nacht waren am nächsten Morgen ein Gesprächsthema in den Fluren, hatten aber keinen Einfluss auf die Gipfelergebnisse. Das waren für mich keine G20-Gegner, sondern einfach Randalierer, die sich an Gewalt und Krawall berauschen.
Der legitime friedliche Protest ist dagegen etwas, was die Verhandler beflügeln kann. Ich glaube, dass es Jean-Claude Juncker durchaus motiviert hat, dass zum Beispiel viele Menschen für den Klimaschutz und gegen den Kinderhunger in Afrika demonstriert haben. Es wird drinnen wahrgenommen, welche Themen draußen auf die Straße getragen werden.
Das Gipfelergebnis ist aus meiner Sicht mehr als ein Minimalkonsens und durchaus ein Erfolg. Trotz des Ausstiegs der USA aus dem Weltklimavertrag und strittiger Handelsfragen gab es eine Erklärung, die alle unterschrieben haben. Das ist keine Kleinigkeit. Es zeigt: Die G20 sind nicht das Forum, auf dem einzelne Staaten ihre eigene Agenda durchdrücken. Wir brauchen Formen der internationalen Zusammenarbeit wie die G20, wo mächtige Männer und Frauen den Konsens suchen.
Fotos: Yana Wernicke