Der Mann klingt, als könnte er bei Pegida mitmarschieren. Diese vielen Fremden, klagt er, sie weigern sich, unsere Sprache zu lernen. Sie kommen aus autoritären Gesellschaften, sind ungebildet, schotten sich ab, und ihre Kinder beleidigen die Lehrer. „Sie sind nicht an die Freiheit gewöhnt“, schimpft er, „sie wissen nicht, wie man maßvoll Gebrauch von ihr macht.“ In manchen Gegenden finde man schon Straßenschilder in ihrer Sprache, bald übernähmen sie das ganze Land. Und man schaue sich einmal die Frauen an: fett und stämmig.

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Juchuchuu: Noch immer findet jahrlich in New York eine Parade mit deutscher Folklore statt (Foto: Gerald Herbert/NY Daily News Archive via Getty Images)

Juchuchuu: Noch immer findet jahrlich in New York eine Parade mit deutscher Folklore statt

(Foto: Gerald Herbert/NY Daily News Archive via Getty Images)

Es ist Benjamin Franklin, der so polemisiert. Der Erfinder des Blitzableiters, für manche ein Inbegriff der Aufklärung und einer der Gründungsväter der USA. Er war am Entwurf der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten beteiligt. Aber Franklin, urteilt der Historiker Simon Schama, sei eben auch der „Gründungsvater der amerikanischen Paranoia“.

Die Fremden, die eine der ersten großen Einwanderungsdebatten der amerikanischen Geschichte auslösten, das waren: Pennsilfaani Deitsche. Deutsche, die nach Pennsylvania kamen. „Pfälzer Tölpel“, wie Franklin sie bezeichnete. Hartnäckige Integrationsverweigerer.

Als „Pfälzer Tölpel“ bezeichnete Benjamin Franklin die Deutschen. Hartnäckige Integrations- verweigerer.

Dabei waren die Pfälzer Tölpel anfangs sehr willkommen in der Neuen Welt. Ende des 17. Jahrhunderts wurde um Siedler für eine Kolonie im Nordosten regelrecht geworben. Auch in Deutschland ging man auf Überzeugungstour, es gab sogar einen übersetzten Werbeprospekt, der die Vorzüge Pennsylvanias pries. Und nicht nur die Pfälzer folgten dem Ruf: 13 Krefelder Familien, von der Aussicht auf Religionsfreiheit und einem  Entkommen aus der Armut gelockt, gründeten 1683 ihr eigenes Städtchen, Deitscheschteddel, Germantown. Um 1750 erreichte die Einwanderung aus Deutschland einen ersten Höhepunkt, fast jeder dritte Bewohner Pennsylvanias soll zu jener Zeit Deutscher gewesen sein.

Der gelernte Drucker Benjamin Franklin witterte zunächst ein gutes Geschäft. 1732 brachte er eine Zeitung für die Einwanderer heraus. Doch nur 50 Leser wollten ein Abonnement. Umso ärgerlicher, dass ein deutscher Mitbewerber wenig später mehr Erfolg hatte: Der junge idealistische Christopher Sauer soll mit seinem Blatt eine Auflage zwischen 8.000 und 10.000 verkauften Exemplaren erreicht haben – und stieg schnell zum Wortführer der Pennsylvania-Deutschen auf. Sie dürften ihre Herkunft nicht vergessen, mahnte Sauer.

„Die deutschen Frauen sind für ein englisches Auge widerwärtig.“

Franklin grollte. Die Deutschen waren für ihn bald nicht nur ein undankbares Publikum. Der aufstrebende Politiker sah in ihnen zunehmend auch ein Sicherheitsrisiko. Denn auf dem neuen Kontinent lieferten sich Briten und Franzosen Kämpfe um die Vorherrschaft. Die Franzosen fielen im Verbund mit Indianern immer wieder in Pennsylvania ein und überfielen dort Siedler. Die Deutschen, dumm und verführbar, fürchtete Franklin, würden sich leicht von den Franzosen auf deren Seite ziehen lassen. Zudem seien die Schönheitsideale unvereinbar. „Die deutschen Frauen sind für ein englisches Auge im Allgemeinen so widerwärtig, dass es großer Anstrengungen bedürfte, einen Engländer dazu zu veranlassen, sie zu heiraten“, schrieb Franklin.

Um die Deutschen in ihre Schranken zu weisen, erwogen Politiker drastische Maßnahmen. Importverbote für deutsche Bücher etwa. Oder Ehearrangements zwischen deutschen und englischen Siedlern – eine Art Zwangsheirat also. Doch Franklin ging das zu weit. Aussichtsreicher erschien ihm die Idee, kostenlose Schulen zu gründen. Wenn es etwas umsonst gäbe, ließen sich die Tölpel nicht lange bitten, glaubte er. Ein wohltätiger Verein nahm sich alsbald der „Bildung der armen Deutschen“ an – mit Franklin als Treuhänder.

Inzwischen sind die Nachkommen der deutschen Siedler bestens integriert

Doch die Siedler verweigerten sich. Manche wollten nicht von Almosen leben, beschrieb Christopher Sauer die Stimmung 1755 in einem Brief. Andere fürchteten, dass ihre Kinder zu Engländern würden, wenn sie erst deren Sprache lernten. Erst als klar wurde, dass Franklins Befürchtungen überzogen waren, und die Deutschen im Krieg gegen die Franzosen an der Seite der Amerikaner kämpften, löste sich die Stimmung. Inzwischen sind die Nachkommen der deutschen Siedler bestens integriert. Einer der Ihren bemüht sich derzeit um die Präsidentschaftskandidatur: Donald Trump, dessen Großvater 1885 die Pfalz verließ, wettert heftig gegen Einwanderer. Wie damals Franklin.