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Was meine Freundschaften im Netz ausmacht

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549 Abonnenten bei Instagram, 611 abonniert und 719 Freunde auf Facebook – das sind die Eckdaten meines derzeitigen Social-Media-Lebens. Ich bin 24, und soziale Netzwerke
begleiten mich bereits mein halbes Leben.

Angefangen hat alles mit der Website Lokalisten. Gehört hat davon kaum jemand, denn während viele Jugendliche in Deutschland damals auf SchülerVZ gruschelten (eine Zusammensetzung aus grüßen und kuscheln), vernetzten wir Bayern uns auf Lokalisten. „Sweetprinzess“, mein damaliger Benutzername, befreundete sich dort mit meinen Freunden aus dem nichtdigitalen Leben, mit fernen Bekannten, süßen Jungs und Mädchen mit coolen Fotos. Auf das Kommentieren dieser Fotos folgten Nachrichten und schließlich echte Treffen.

Bei einem war Martha dabei. Zehn Jahre später ist sie meine beste Freundin, und soziale Netzwerke machen einen großen Teil unserer Beziehung aus. In dieser Zeit haben wir auf Lokalisten unsere Fotos kommentiert, sie später auf Facebook gelikt und dann da­rüber gestritten, wer von uns das Bild auf Instagram posten darf. Heute schicken wir uns auf WhatsApp unzählige Screenshots von Chats mit Männern der Begierde. Was dazu führt, dass unser WhatsApp-Archiv visuell einem Lexikon gleicht, nur selten findet sich in der Screenshot-Wüste ein Foto.

Auch Jule war ein Mädchen mit beeindruckenden Internetfotos. Ich liebte ihre, sie die meinen. Also wurde nach dem gleichen Prinzip kommentiert und Nachrichten ausgetauscht. Lokalisten, Facebook, Instagram: Unsere Internetfreundschaft überdauerte auch ohne ein echtes Treffen den Wechsel der bevorzugten Netzwerke. Das Verfallsdatum unserer Freundschaft war der September 2012. Da saß Jule plötzlich in einer Infoveranstaltung der Schule – und wenig später hinter mir im Klassenzimmer und gegenüber in Bars. Doch wie das mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum so ist, hält das meiste nur verschlossen länger, geöffnet wird es früher oder später schlecht.

Heute geben mir soziale Netzwerke vor allem das Gefühl, am Leben meiner Freunde teilzuhaben – Marie ist in einer sehenswerten Ausstellung, Nele und Wilma hatten einen Spitzenurlaub, und das Trio Jana–Dora–Rosa ist nach dem gestrigen Abendessen wohl ohne mich in eine Bar weitergezogen.

Doch eins zeigt sich: Je älter ich werde, desto weniger Onlinebekanntschaften mache ich. Stattdessen helfen mir soziale Netzwerke dabei, bestehende aufrechtzuerhalten – wie im Fall von Xenia, die für eine Zeit nach Tel Aviv zog. Fernfreundschaften sind wie Fernbeziehungen, man braucht einen starken Willen, damit sie funktionieren. Das dachte sich Xenia wohl auch und schickte mir vermehrt tagebucheintragähnliche Sprachnachrichten. Dabei hasse ich Sprachnachrichten. Aber guten Willlens, die Freundschaft aufrechtzuerhalten, hörte ich sie mir brav an und antwortete schriftlich. Bis ich eines Abends auf dem Heimweg von der Uni ihre Sprachnachricht startete und 30 Minuten später mit dröhnenden Ohren das Ende erreichte. Ich rief sie sofort an, bat sie darum, mir keine Sprachnachrichten mehr zu schicken, und wir redeten über ihr Leben in Israel und meins in Berlin. Fortan schickten wir uns ausschließlich Fotos, auditive Beiträge gab es nur noch per Anruf.

Ich habe übrigens nachgefragt: Neles und Wilmas Urlaub endete in einem Streit, und Janas, Doras und Rosas Abend in der Bar war nur kurz. Freundschaften auf Social Media können für die Ewigkeit sein, manchmal sind sie jedoch wie eine Fata Morgana: nur heiße Luft.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.