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„Es wäre eine Erleichterung, würden Reisende ihr Extragepäck abgeben“

Andreas* arbeitet seit über 15 Jahren im Bodenverkehrsdienst am Flughafen. Als Flugzeugabfertiger belädt er Flieger mit Trolleys, Tieren und Toten

Bodenpersonal

Wenn ich am Flughafen ankomme, gehe ich direkt zur Mitarbeiterschleuse, wo ich täglich wie bei einer Passagierkontrolle durchsucht werde. Nur dass wir Mitarbeiter unbegrenzt Wasser und Essen mitbringen dürfen. Ich habe auch die Genehmigung für ein kleines Messer, das ich für meine Arbeit brauche.

Wir werden in regelmäßigen Abständen auf Zuverlässigkeit geprüft. Es wird untersucht, dass wir uns nicht strafbar gemacht haben oder ob Gerichtsverfahren gegen uns laufen. Ein sauberes Führungszeugnis ist die wichtigste Voraussetzung für diesen Beruf. Einen bestimmten Schulabschluss braucht es nicht.

Hinter der Schleuse melde ich mich bei meinem Teamleiter, er übergibt mir meinen Auftrag für den Tag. Auf einem Zettel steht, zu welcher Maschine ich muss, wann und in welcher Position sie ankommt, meist steht auch dabei, was sie geladen hat. Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren am Flughafen und habe die Qualifikation zum sogenannten Headloader. Das ist der Vorarbeiter des Ladeteams. Ich kontrolliere die Truppe, mit der ich den Auftrag ausführe. Wir bremsen das Flugzeug aus, be- und entladen die Maschine.

„Durch die wenigen Flieger in der Pandemie haben sich die Ladungen teils nicht verteilt. Dann saßen oben schon die Passagiere, und unten am Flieger standen acht Särge“

Am Flughafen unterscheiden wir zwischen losen Fliegern und Containerfliegern. Die losen Flieger sind für uns die schrecklichsten. Da kriecht man hinein und stapelt die einzelnen Koffer übereinander. Das machen meistens die neuen Mitarbeiter, aktuell alles Männer.

Wenn ich nicht Headloader bin, gebe ich sozusagen den Großgeräteführer und belade Containerflieger mit Containern, Frachten, Post, Autos, Tieren und Toten. Während Corona war das manchmal ein wenig komisch. Durch die geringere Fluganzahl haben sich die Ladungen nicht auf mehrere Flieger verteilt, und dann saßen oben im Flugzeug die Passagiere in ihren Stühlen, und unten lagen bis zu acht Tote in Zinksärgen.

Manchmal funktioniert die elektronische Anlage, mit der ich die Container im Innenraum verschiebe, nicht richtig. Dann muss ich selbst schieben, drücken und zerren. Eine Katastrophe für den Rücken und die Knie.

Im Sommer hatte ich eine schlimme Sehnenentzündung und konnte nicht einmal eine Kaffeetasse halten. Ich glaube, diese körperliche Anstrengung ist ein Grund, warum sich, soweit ich weiß, keine Frau unter meinen Kollegen befindet.

Solche Verletzungen entstehen auch dadurch, dass manche Fluggesellschaften ihren Passagieren erlauben, mehr Handgepäck mitzunehmen, als über die Sitze im Flieger passen. Bei 70 Passagieren bleiben schon mal 40 Koffer in der Fahrgastbrücke liegen. Wir tragen sie dann über eine schmale Treppe hinunter in den Gepäckraum. Es wäre eine Erleichterung, würden Reisende ihr Extragepäck am Schalter abgeben.

„Gerade haben wir um die 15.000 Koffer, die noch nicht zugeordnet sind“

Durchschnittlich arbeiten wir zwischen achteinhalb und zehn Stunden am Tag. Unsere Schichten sind an die Flugpläne angepasst, damit niemand bezahlt wird, der gerade keine Arbeit abliefert – eine Sparmaßnahme. Verschiebt sich der Plan, kommen wir mit dem Personal nicht mehr hinterher. Wie heute Mittag, da habe ich einen Auftrag für eine Maschine bekommen. Gelandet war sie bereits eine Stunde zuvor. Zur Zeit der Ankunft war nicht genug Personal da. In solchen Situationen schaffen es Koffer nicht in den Anschlussflieger. Gerade haben wir um die 15.000 Koffer, die noch nicht zugeordnet sind.

Aktuell bewirbt sich durch die Inflation und die miese Bezahlung fast keiner mehr bei uns. Die meisten, die den Job anfangen, haben keine Ausbildung oder Schwierigkeiten, einen Beruf zu finden. Viele Mitarbeiter haben während der Corona-Krise aufgehört, weil es attraktive Angebote wie Altersteilzeit oder Abfindungen gab. Daher haben wir einen absoluten Personalmangel. Seit einem Jahr sind wir manchmal sogar allein am Flugzeug, obwohl das gar nicht erlaubt ist, weil im Notfall niemand Hilfe holen kann.

Unser Gehalt steht in keinem Verhältnis zu unserer Arbeit. Als Teilzeitangestellter verdiene ich nach all den Jahren 2.800 Euro brutto. Das Anfangsgehalt liegt bei uns durch den Tarifvertrag bei 13,11 Euro brutto die Stunde. Davon lässt es sich in München kaum leben. Mit Schichtzulagen ist das Geld zwar mehr, dafür muss man aber seine Freizeit opfern. Deswegen bin ich gespannt auf die Tarifverhandlungen, die im Januar starten. Ich kann mir vorstellen, dass wir – wie die Kollegen der Konkurrenzgesellschaft dieses Jahr – bald streiken. Wir fordern eine deutliche Lohnerhöhung. Hoffentlich kommen dann auch wieder neue Bewerber.

*Name von der Redaktion geändert

Titelbild: Renke Brandt 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.