Das ehemalige Kloster San Marcos in Léon ist eines der wichtigsten Renaissance-Denkmäler in Spanien. Heute kommen nicht nur Mönche in den Genuss, hier zu wohnen, sondern jeder, der es sich leisten kann. Denn seit 1964 ist in dem prunkvollen Gebäude aus dem 16. Jahrhundert nicht nur ein Museum, sondern auch ein Hotel untergebracht – der „Parador de Léon“. Auf seiner Website wirbt das Fünf-Sterne-Haus denn auch mit dem Zauber vergangener Tage, verweist auf herrschaftliche Konferenzräume, einen atemberaubenden Kreuzgang und elegante Zimmer im Museumsambiente.

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Hof des Kloster San Marco (Foto: Francisco Luis Prieto (CC))

Hof des Kloster San Marco

(Foto: Francisco Luis Prieto (CC))

Allerdings gab es nicht nur weihevolle Tage in der Geschichte des Gebäudes, sondern auch ziemlich düstere. In der Zeit des Militäraufstandes und in den Anfangsjahren der Franco-Diktatur, zwischen Juli 1936 und Ende 1940, wurde das einstige Kloster zum Gefängnis umfunktioniert. Zeitweise wurden hier bis zu 7.000 politische Häftlinge eingesperrt und gefoltert. Nach einem Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung und dem sich anschließenden Spanischen Bürgerkrieg errichtete Franco eine Diktatur, die bis 1975 währte. Historiker gehen davon aus, dass während des Bürgerkrieges und direkt im Anschluss daran in der Provinz Léon 3.000 Menschen umgebracht wurden, ein großer Teil davon im „Parador de Léon“.

Weder auf der Website noch auf den Bewertungsportalen fand sich ein Hinweis 

Eine seltsame Vorstellung – seinen Urlaub in einem ehemaligen Konzentrationslager zu verbringen, unbeschwerte Tage zu verleben, wo früher Tausende zu Tode kamen. Wilfried Stuckmann hätte sich dieses Erlebnis auch gern erspart, aber als er mit seiner Frau im April dieses Jahres zwei Tage im „Parador de Léon“ buchte, wusste er nichts von der düsteren Vergangenheit. Weder auf der Website des Hotels noch auf den einschlägigen Bewertungsportalen fand sich ein Hinweis darauf. Es war dann auch eher Zufall, dass Stuckmann die Wahrheit erfuhr, als er am zweiten Tag seines Aufenthalts im musealen Teil des Kreuzgangs auf eine kleine Gedenktafel stieß – mit der Überschrift „Concentration camp“. Darauf steht, dass in dem einstigen Kloster über die Jahre insgesamt rund 20.000 Menschen inhaftiert waren und jede Ecke in improvisierte Kerker und Verliese umgewandelt wurde.

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Hotelbar im ehemaligen Kloster San Marcos (Foto: privat)

Hotelbar im ehemaligen Kloster San Marcos

(Foto: privat)

Nach seiner Rückkehr nach Kleve am Niederrhein setzte sich der 63-jährige Hauptschullehrer umgehend an den Computer und verfasste eine Bewertung für booking.com, die Website, über die er das Hotel gebucht hatte. „Leider erst während unseres Aufenthaltes erfuhren wir, dass das Kloster San Marcos, welches das Hotel beherbergt, im Spanischen Bürgerkrieg von den Franco-Faschisten als Konzentrationslager missbraucht wurde. Hier starben Tausende, wurden gefoltert und ermordet. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir niemals in diesem Hotel ein Zimmer gebucht!“

Auf die Veröffentlichung dieser Zeilen wartete Stuckmann jedoch vergebens. Stattdessen ließ ihn der Kundenservice von booking.com wissen, dass seine Bewertung gegen die Richtlinien des Unternehmens verstoße. Denn die besagten, dass „sensible politische und historische Themen nicht in den Bewertungen diskutiert werden sollen, da dies für Menschen verletzend sein könnte.“ Doch diese Antwort verstärkte noch Stuckmanns Argwohn. „In einem Konzentrationslager übernachtet zu haben, hat mich mehr verletzt, als es die üblicherweise beschriebenen Mängel jemals könnten“, schrieb er zurück – und fragte: „Nimmt booking.com keine Rücksicht darauf, dass Kunden verletzt sein könnten, wenn sie feststellen, dass in den Räumen, in denen sie ahnungslos übernachten, früher einmal Tausende umgebracht wurden?“

Interessante Einblicke in die Geschäftspolitik von booking.com

Fast zwei Monate später ist der Mailwechsel mit booking.com noch einmal ordentlich angewachsen, ohne dass die Bewertung veröffentlicht worden wäre. Immer wieder verwies booking.com auf die Statuten und lieferte darüber hinaus interessante Einblicke in die Geschäftspolitik. Denn selbst wenn man die Bewertung online gestellt hätte, so schrieb man recht freimütig in einer Mail, hätte der Hotelier ihre Beseitigung verlangt. „Damit sind die Kundenbewertungen auf den Seiten von booking.com generell absolut wertlos“, sagt Stuckmann, „weil sie nicht objektiv sind, sondern zensiert und manipuliert.“

Inzwischen hat er sein Profil bei booking.com gelöscht. Die Kosten für das Hotel, die man ihm erstattete, hat er gespendet – an eine Vereinigung, die sich um das Andenken an die Opfer des Franco-Faschismus kümmert. Auch sonst war Stuckmanns Intervention nicht umsonst. In der spanischen Presse erschienen einige Artikel über den Fall, die sich über das Internet zusätzlich verbreiteten. Und inzwischen findet sich zumindest auf der Homepage der spanischen Paradores – der spanischen Hotelkette, die sich auf historisch bedeutsame Orte und Gebäude spezialisiert hat – ein kleiner Hinweis auf die schreckliche Vergangenheit des Hotels in Léon.

Auch auf anderen Bewertungsportalen kann man Stockmanns Hinweis auf die düstere Zeit des „Parador de Léon“ finden. So wurde sein unzensiertes Urteil auf Tripadvisor schon von zehn Reisenden für hilfreich gehalten. Zehn Reisende, die nun selbst entscheiden können, ob sie in ehemaligen Folterkammern schlafen wollen oder lieber nicht.