Städte sind Orte gelebter sozialer Komplexität. Hier finden sich Raum gewordene Geschichte und Zukunftsentwürfe, wirtschaftliche und kulturelle Infrastrukturen, hier werden Stile und Trends geboren und immer wieder verabschiedet ins Sediment der Erinnerungen.

Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Anonymität und Gemeinschaft, Öffentliches und Privates, Inklusion und Ausgrenzung – solche Dialektiken werden hier als alltägliche Erfahrung anschaulich. Und es gibt viele Helden des Alltags. Menschen und Gruppen, die die Initiative ergreifen, sich einmischen oder einfach handeln und so die Zivilgesellschaft immer aufs Neue ausbilden. Nicht umsonst ist der Begriff des Bürgerlichen eng mit der Stadt verbunden: „Citoyens“ meint Stadtbürger. Deren an freier Entfaltung und geteilter Verantwortung orientierten Werte haben ein Ideal des gesellschaftlichen Lebens geprägt, das auch heute noch wirkt. Aber auch die Dynamik des Gewinnstrebens und der Konkurrenz des Kapitalismus sowie der dazugehörigen Industrie sind ohne städtische Ballungsräume nicht denkbar.

Städte sind so immer auch gebaute Spiegel des Geistes ihrer Zeit und deren Kämpfe, Ideen, Haltungen und Widersprüche. In den Städten wird der Raum politisch. Hier werden die akuten Konflikte öffentlich ausgetragen. Manche Städte sind pulsierende Arbeitsmärkte, andere kämpfen mit einem regelrechten Exodus der Bevölkerung und Leerstand. Mitunter kann die Magie vermeintlich vergessener Orte aber auch zu einer Wiederbelebung führen, wenn eine Stadt erneut kreative Geister anzieht. Denn auch das ist eine Eigenschaft von Städten: Soziale Vielfalt und Leerräume bieten Freiheiten und Orte, sich auszutauschen und Ideen zu entwickeln.

Eine der immer wieder entscheidenden Fragen ist eine ganz einfache: Wem gehört die Stadt?

Es wird darum gestritten, wer ihre Zukunft bestimmt, wessen Interessen zur Geltung kommen sollen. Private Investoren sehen den Lebensraum Stadt, ihre potenziellen Apartments, Geschäfts- und Handelszentren als Profitquelle. Dadurch werden auch Innovationen angestoßen. Aber wie können hier Gegengewichte etabliert werden, und wie kann sozialer Ausgleich gelingen?

In der Stadtplanung gibt es ein Plädoyer für einen erneuerten Humanismus. Es gilt, Entscheidungen für die Gestaltung der Stadt so zu treffen, dass das Entstehende offen für die kollektive Intelligenz der städtischen Bürgerschaft bleibt. Hier gab es in den letzten Jahren viel Bewegung: Initiativen zur Eigenverantwortung, zur Bewahrung, zur Bereitschaft, dauerhaft mitzuwirken.

Was wir in der aktuellen Flüchtlingskrise in Deutschland beobachten, eine Renaissance des zivilgesellschaftlichen Engagements, gibt es auch für die Stadt. Deren Zukunft ist auf die produktive Aneignung der Möglichkeitsräume durch ihre Bürger angewiesen. Es stehen wichtige Fragen auf der Tagesordnung: Wie kann die Stadt umweltverträglicher und nachhaltig organisiert werden, wie können neue Technologien verantwortungsvoll genutzt und kontrolliert werden? Wo Städte wandelbar sind, kann ihre Zukunft gelingen.