Sie lachen, wenn sie töten. Es ist ein herrisches, zynisches Lachen. Als Anders Breivik, der selbst ernannte „Tempelritter“, am 22. Juli 2011 auf der norwegischen Insel Utøya innerhalb einer Stunde 69 Menschen – zumeist Jugendliche – erschoss, lachte er. „Ihr entkommt mir nicht!“, soll er gerufen haben, als sich ein Mädchen ins Wasser flüchtete. Ein Jahr später im Gerichtssaal lächelte er, immer wieder. Unerträglich für Opfer und Angehörige.

Breivik ist nicht der einzige, der lacht, wenn er im Blutrausch mordet. Klaus Theweleit, einer der unangepasstesten Intellektuellen hierzulande, hat ein Psychogramm des „soldatischen Mannes“ entworfen, für den das Lachen nach dem Töten typisch sei. „Das Lachen der Täter: Breivik u.a.“ ist ein qualvolles, schmerzhaftes Buch, aber eben auch eines, das dem Leser zu erklären sucht, was häufig als „unerklärlich“ erachtet, als „abnormal“ abgetan wird oder wofür gern radikale Religionsauslegungen oder extreme Ideologien verantwortlich gemacht werden. Theweleits eigenwilliger Erklärungsversuch ist auch angesichts der Terrorakte von Paris ein Interpretationsangebot, das zur rechten Zeit kommt.

Das Buch beginnt mit der berühmten Szene aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“, als der Killer, gespielt von Henry Fonda, gleich zu Anfang kaltblütig einen kleinen Jungen erschießt – und dabei lächelt. Es folgen Breivik, die Teile der indonesischen Armee, die in den Sechzigern in Indonesien Hunderttausende Menschen abschlachteten, die Mordmaschine der Nazis, die „Killing Fields“ des Pol-Pot-Regimes in Kambodscha, der Völkermord in Ruanda 1994, die Massenmorde von Srebrenica 1995, Terrorakte in Pakistan, bei denen Taliban 2014 auch 130 Kinder ermordeten, und schließlich die jungen Mörder des sogenannten IS, die ihre Bluttaten werbewirksam über die sozialen Medien verbreiten und dabei lachend ihren Herrschaftsanspruch untermauern. Die Lektüre dieser Aneinanderreihung von Monstrositäten, nach Theweleit-Art collagiert aus Zeitungsartikeln, Interviews, Augenzeugenberichten, Zitaten oder Videobeschreibungen, ist knallharter Tobak.

Jede Mordlust ist sexuell konnotiert

Aber das Vor-Augen-Führen dieses Wahnsinns ist notwendig, um Theweleits Interpretation verstehen zu können. Und da geht es, wie immer bei Theweleit, hoch her. Filme, Songs, Literatur, Philosophie, Kunst oder Psychologie werden herangezogen, um der Lust, die vor allem Männer offensichtlich beim Morden empfinden können, auf die Schliche zu kommen.

Theweleit bedient sich einer etwas esoterisch wirkenden Psychoanalyse, die in anderen Täteranalysen wie beispielsweise bei der von Harald Welzer („Täter: Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“) keine Beachtung findet. „Das Töten ist kein abstrakter Vorgang; das Erlernen des Tötens schon gar nicht“, heißt es in dem Buch. „Jedes Detail der Zerstörung ist körperlich.“ Theweleit nimmt bei den Tätern eine sexuell konnotierte Mordlust an, die von Körpern ausgehe, die aufgrund von negativen Erfahrungen, von „Beschädigungen, Rissen, Verletzungen, Wunden, Narben“ ihre Einheit verloren hätten. „Fragmentierte Körper“ nennt er deshalb die Täter, die er aber nicht als Opfer, Patienten, Irre oder als das Böse verstanden wissen will. „Und es geht um die Lust zu töten, nicht gezwungen, nicht befohlen, sondern weil man will.“ Das Töten sei eine „Begleiteruption zur eigenen Selbstgeburt“. Zum Täter könne deswegen eben jeder werden.

Lachen als Spannungsausgleich

Begleiterscheinungen seien: eine körperliche Verunsicherung, die soziale Vereinsamung und der Wille, sich einem „Ganzheits-Überkörper“ anzuschließen. Dieser kann der Dschihad sein, die SS-Ideologie, der Glaube an eine „höhere Rasse“ oder eine sonstige herrische Ideologie. Die Art der Ideologie sei dabei zweitrangig. Breivik, so schreibt Theweleit, sei ein „strukturell patriarchalischer Muslim wie auch norwegisch-christlicher Antisemit wie auch germanisch-sektiererischer SS-Mann“. Woher kommt aber das Lachen? Meistens, so Theweleit, werde das Töten bühnenartig inszeniert. Das Lachen verhelfe dem Täter dazu, einen „Spannungsausgleich“ zu seinem kaputten Körper herzustellen. Das Lachen ist dabei so etwas wie die orgiastische Feier dieses vollzogenen Aktes.

Dieser Ansatz ist nicht ganz neu. Er geht auf Theweleit selbst zurück, der 1977 mit seinem Buch „Männerphantasien“ schlagartig berühmt wurde und damit vor allem im linken Milieu große Beachtung fand. In seiner Doktorarbeit untersuchte er die faschistischen Männlichkeits- und Gewaltfantasien von Freikorpssoldaten in den 1920er-Jahren. Das aktuelle Buch soll sicher auch diesen mittlerweile in der Wissenschaft vergessenen Ansatz wieder in Erinnerung rufen. Entsprechend schnoddrig und abschätzig geht Theweleit mit anderen Täterforschern um. Vor allem aber plädiert er dafür, die Morde nicht als Extremfälle zu betrachten, sondern als eine Normalität, die überall geboren werden kann. Das Mittel, das Theweleit vorschlägt, um diesen „fragmentierten Körpern“ entgegenzuwirken, erscheint da schon banal, erschreckend banal. Nur Beziehungen würden helfen, schreibt er, „Liebschaften, gute, tragfähige Gruppen oder Vereine und natürlich ein guter Arbeitsplatz“.

Klaus Theweleit: „Das Lachen der Täter: Breivik u.a. – Psychogramm der Tötungslust“. Residenz Verlag, Salzburg 2015, 248 Seiten, 22,90 Euro