Auf der Dachterrasse des Hauses mit der akkuraten Vorgartenhecke diskutieren junge Männer und Frauen lautstark über das Innenleben eines aufgeschraubten Computers. Ein Stockwerk tiefer stehen andere um Tische aus Holzpaletten und löten an Elektromotoren. Das weiße Gebäude, ganz in der Nähe des Universitätscampus, beherbergt seit vier Jahren das WoeLab. Und das ist einer der wichtigsten Treffpunkte der jungen Techie-Szene von Lomé, der Hauptstadt des westafrikanischen Togo.

Ein 3D-Drucker fast vollständig aus Elektroschrott

„Woe“ bedeutet in der lokalen Sprache Ewe so viel wie „mach es“. Rund 30 Frauen und Männer tüfteln hier an Hard- und Software, belegen Bastel-Workshops und nehmen an Hacker-Camps teil. Die Programmiererinnen, Marketingexperten und Ingenieure des WoeLab haben bereits mehrere Start-ups gegründet. Das wichtigste Ausgangsmaterial für ihre Produkte bekommen sie dabei vor Ort meist kostenlos: Elektroschrott, häufig von Konsumenten in den wohlhabenden Ländern Europas aussortiert und dann in diesem Teil Afrikas abgeladen.

Der bisher größte Erfolg des WoeLab besteht fast vollständig daraus: der 3-D-Drucker W.Afate. Das Gerät ist benannt nach dem „W“ von WoeLab und dem Mittelnamen des Mitglieds Kodjo Afate Gnikou, der den Drucker zusammen mit anderen Bastlern erdacht hat. Er hat den Drucker mit Laufschienen und Riemen aus alten Scannern konzipiert, die Gehäuse stammen von ausgemusterten Tower-PCs. Nur die Motoren zum Bewegen des Druckkopfes kaufen die Bastler neu.

Der W.Afate in Aktion

Damit ist der W.Afate vermutlich der weltweit erste Recycling-3-D-Drucker. Er kann deshalb aber nicht weniger als andere Basisgeräte. Mit ihm können Anwender zu Hause beispielsweise Vorratsdosen und andere Haushaltswaren im Schichtverfahren aus Plastik drucken. Eine örtliche Firma nutzt die Apparatur sogar professionell und stellt damit Hüllen für GPS-Navigationsgeräte her.

„Wir machen Low-Hightech“

Der W.Afate könnte ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen und technisch-kulturellen Entwicklung nicht nur Togos werden: Experten mutmaßen, dass manche afrikanische Länder mit 3-D-Druckern die Industrialisierung einfach überspringen und direkt in die digitale Produktion einsteigen könnten. Autowerkstätten beispielsweise würden dann fehlende Ersatzteile einfach ausdrucken, anstatt diese teuer zu importieren.

Sénamé Koffi Agbodjinou vom WoeLab hält sich mit solchen Spekulationen zurück: „Wir tun, was wir tun“, sagt er. Agbodjinou, ein 36-jähriger Architekt, hat das finanziell unabhängige Tüftlerlabor gegründet. „Wir machen Low-Hightech“, erklärt er. „Das heißt, wir entwickeln Hightech-Projekte – aber mit dem, was wir zur Hand haben. Jeder soll sich unsere Produkte leisten können.“ So sind in dem weißen Haus des WoeLab bereits preiswerte Computer in alten Benzinkanistern als Gehäuse entstanden. Derzeit basteln die Techies an einfachen Drohnen oder an dem Roboter Ifan, der momentan noch einem ferngesteuerten Auto ähnelt, aber irgendwann in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen soll.

Die Bauteile finden die WoeLab-Mitglieder auf den zahlreichen Schrottplätzen der Stadt. Zudem kooperieren sie mit einer örtlichen Recyclinginitiative. Viele Nachbarn bringen außerdem alte Geräte vorbei, die sie loswerden wollen. So trägt das WoeLab auch zur Müllvermeidung bei. „Elektroschrott ist Rohmaterial in Afrika“, erklärt der Gründer Agbodjinou. „Und vielleicht wird seine Weiterverarbeitung ja bald ein großes Geschäft, vielleicht wird er das neue Gold.“

3D-Drucker für die Schulen und Cybercafés von Lomé 

Vorerst sei seine Einrichtung aber kein Geschäft, sondern, so Agbodjinou, „Afrikas erster Ort für demokratische Technologie“. Alle Mitglieder feilen gemeinsam an neuen Erfindungen, sie unterrichten sich gegenseitig und fällen wichtige Entscheidungen im Plenum. Das WoeLab sei damit eine Mischung aus offener Werkstatt, Start-up-Beschleuniger und „Living Lab“, weil einige der jungen Bastler sogar in dem Haus wohnen. „Uns sind Werte wie Freiheit, Teilen und Unabhängigkeit wichtig“, betont Agbodjinou. Zudem sind die Produkte vergleichsweise preiswert: Für einen W.Afate müssen Anwender nicht mehr als 100 US-Dollar ausgeben, umgerechnet 90 Euro. Ein vergleichbares neues Importgerät kostet schon als Bausatz etwa fünfmal so viel.

Inzwischen arbeiten die WoeLab-Bastler an einer großen Version des W.Afate in einem ehemaligen Kühlschrank, die bald in den Cybercafés der Stadt ihren Dienst tun soll. „Und wir wollen einen 3-D-Drucker in jede Schule im Umkreis von einem Kilometer um unsere Einrichtung stellen“, berichtet der WoeLab-Gründer Agbodjinou. Damit sollen junge Togoer lernen, ihre Ideen in 3-D-Daten umzusetzen, die sie dann direkt ausdrucken können.

Doch bevor es so weit ist, hat Agbodjinou mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. So war das WoeLab gerade monatelang offline und hatte zeitweise nicht mal Strom, weil er die Rechnungen nicht bezahlen konnte. „Aber“, sagt Agbodjinou grinsend, „das hat uns auch nicht davon abgehalten, neue Projekte zu entwickeln.“

Illustration: Theresa Hattinger