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Ballett der Gabelstapler

Der Film „In den Gängen“ von Thomas Stuber ist eine poetische Milieustudie und zeigt die versteckte Schönheit eines ostdeutschen Großmarkts

Szene aus dem Berlinale Film "In den Gängen"
(Foto: Sommerhaus Filmproduktion / Anke Neugebauer)

Worum geht‘s?

Christian fängt im Großmarkt an. Er lernt, wie man Palettenwagen fährt, wo was steht, er lernt den Kollegen-Sprech („Machn wa erstma 15“ = „Lass uns eine Rauchen gehen“). Vor allem aber lernt er Marion kennen, Marion aus der Süßwarenabteilung. Er verliebt sich in sie, was natürlich von den Kollegen nicht unbemerkt bleibt. Christian, der schweigsame Ex-Knacki, wird immer mehr Teil des Paralleluniversums Großmarkt. Er freundet sich mit den Kollegen an und auch Marion und er kommen sich näher. Doch eines Tages ist sie krankgeschrieben.

Was zeigt uns das?

Dass man einen guten Film drehen kann, in dem Gabelstapler zu klassischer Musik durch menschenleere, kaum erleuchtete Gänge kurven, so anmutig wie Tänzer auf einer Bühne. „In den Gängen“ ist nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern vor allem eine ostdeutsche Milieustudie der Postwende-Zeit. So geht es um brüchige Identitäten, krumme Lebensläufe und die gemeinschaftsbildende Kraft täglicher Arbeitsroutinen.

Wie wird’s erzählt?

„In den Gängen“ nimmt sich viel Zeit. Für Details wie lange Nahaufnahmen auf den Kaffeeautomaten, aber auch für die Totalen. Die scheinbar endlos langen Gänge und ebenso die hohen Regale sind dafür quasi prädestiniert. Obwohl man bei Großmarkt gleich an Kundengewimmel denkt, wird in dem Film wenig gesprochen. Christian arbeitet meist spät abends, wenn der eigentliche Betrieb schon zu Ende ist. So bekommt man ganz neue Einblicke in den Betriebsablauf eines Großmarktes.

Good Job!

Der Film schafft es, den Figuren nah zu sein, in ihre ganz eigene Welt „in den Gängen“ einzutauchen. Das ist sogar ziemlich lustig und dabei doch nie überzeichnet. Paletten-Klaus, Jürgen, Bruno – so verschroben und kleingeistig sie scheinen, nimmt der Film sie doch ernst.

Fyi

Sandra Hüller, die die Süßwaren-Marion spielt, hat für den Film extra den Flurfördermittel-Führerschein gemacht. Mit Erfolg: Im Film kurvt sie souverän mit dem Gabelstapler durch die Gänge. Auch das Drehbuch stammt von einem Ex-Gabelstapler-Fahrer: Clemens Meyer finanzierte sich sein Studium am Deutschen Literaturinstitut in einem Großmarkt.

Ideal für ...

... Fans von filmischen Milieustudien. So hat man den Großmarkt noch nie gesehen.

Mehr zu „In den Gängen“ gibt es im Kinofenster, dem filmpädagogischen Portal der BpB. Im Interview erklärt Regisseur Thomas Stuber, warum er und  Clemens Meyer Jahre brauchten, um die Kurzgeschichte filmisch umzusetzen.


 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.