Die Bloggerin und Journalistin Laurie Penny hat wieder ein Buch geschrieben. Diesmal kein kämpferisches Manifest für Feminismus und soziale Gerechtigkeit wie zuletzt „Unsagbare Dinge“, ein Buch, das ihr letztes Jahr in Deutschland den Ruf einbrachte, eine der derzeit wichtigsten jungen Feministinnen zu sein. „Babys machen und andere Storys“ ist eine Sammlung von Science-Fiction-Kurzgeschichten. In einer erzählt Penny von einer Robotikingenieurin, die sich selbst ein Baby baut. So will Annie, die Ingenieurin, den Strapazen von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbettdepression entgehen.

„Ich liebe Science-Fiction“, sagt Penny. Zum einen sei sie einfach „ein krasser Nerd“. Zum anderen sei es die Science-Fiction, die die Vorstellungskraft der Menschen beeinflusse. „Nehmen Sie zum Beispiel ,Star Trek‘. Vieles von dem, was man dort sieht, war in den 60er-Jahren, als die Reihe losging, völlig undenkbar und ist heute längst realisiert.“ Sie sei stark von feministischen Science-Fiction-Autorinnen wie Marge Piercy beeinflusst.

Die Idee einer künstlichen Gebärmutter, mit deren Hilfe Frauen Kinder nicht mehr selbst zur Welt bringen müssen, gehe auf die in Kanada geborene Autorin Shulamith Firestone zurück. „Das Spannende daran ist aber, dass das bis heute als völlig lächerlich abgetan wird“, sagt Penny.

Wirklich? Wir haben uns mal angesehen, was aus den utopisch anmutenden Ideen geworden ist, die in der langen Geschichte der feministischen Science-Fiction entstanden sind. In Teil 1 geht es um Reproduktionstechniken. In Teil 2 um politische Systeme.

Reproduktion mal ganz anders gedacht

Die Idee, Frauen aus der körperlichen Abhängigkeit des Gebärens zu befreien – und damit auch aus der Abhängigkeit von Männern, die währenddessen für sie sorgen (müssen) –, ist ein Motiv, das in einigen feministischen Utopien und Manifesten auftaucht. Shulamith Firestone, die als Begründerin des Radikalfeminismus in den USA gilt, proklamierte 1970 diesen Gedanken im ersten Kapitel von „Frauenbefreiung und sexuelle Revolution“:

„Das Ziel einer feministischen Revolution darf [...] nicht nur die Beseitigung männlicher Privilegien, sondern muss die Abschaffung der Unterscheidung zwischen den Geschlechtern selbst sein: Geschlechtsunterschiede würden dann unter Menschen keine Rolle mehr spielen. [...] Die Reproduktion einer Spezies durch ein Geschlecht zum Vorteil beider würde ersetzt durch (zumindest die Möglichkeit der) künstlichen Fortpflanzung: Kinder würden gleichberechtigt von beiden Geschlechtern oder unabhängig von beiden geboren.“

Auch die US-amerikanische Autorin Ursula K. Le Guin verfolgte diese Idee in ihrem bereits 1969 erschienenen Roman „Der Winterplanet“ (in späteren Auflagen „Die linke Hand der Dunkelheit“) sowie in „Planet der Habenichtse“ (1974, in späteren Auflagen „Die Enteigneten“). In „Winterplanet“ sind die Bewohner von Gethen saisonal zweigeschlechtlich. Nur an einigen Tagen im Monat sind sie fruchtbar und können zu dieser Zeit sowohl männlich als auch weiblich sein. Dadurch sind alle Bewohner des Planeten zu gleichen Teilen an den „Lasten und Privilegien“ beteiligt, die das Aufziehen von Kindern birgt. Die identitäre Zuschreibung von Geschlecht – und damit auch Geschlechterrollen – wird in der von K. Le Guin entworfenen Gesellschaft irrelevant.

In „Whileaway“ sind die Männer ausgestorben. Frauen können sich eingeschlechtlich fortpflanzen

In „Planet der Frauen“ (1979) beschreibt Joanna Russ vier Welten. Eine davon ist Whileaway, eine utopische Gesellschaft, die in der Zukunft liegt. Dort sind die Männer ausgestorben, und die Frauen haben eine Technik entwickelt, mit deren Hilfe sie sich eingeschlechtlich fortpflanzen können. Die Frauen von Whileaway gehen lesbische Beziehungen ein und ziehen gemeinsam die Kinder auf.

Marge Piercy geht in „Die Frau am Abgrund der Zeit“ (1986; Original: „Woman at the Edge of Time“, 1976) noch einen Schritt weiter. Consuelo, genannt Conny, eine arme hispanische Frau aus einem New Yorker Slum, reist aus einer tristen, repressiven Gegenwart durch gedanklichen Kontakt mit Luciente in eine befreite Zukunft. Familienverhältnisse im heutigen Sinne kennt diese Gesellschaft nicht, und sogar die menschliche Biologie wurde verändert. So gibt es keine natürlichen Geburten mehr – Kinder kommen stattdessen in „Brütern“ zur Welt –, und Männer haben ebenso wie Frauen Brüste, mit denen sie den Nachwuchs stillen. Gender ist in dieser Welt irrelevant und biologisches Geschlecht teilweise aufgehoben, polyamouröse Beziehungen sind üblich.

Wie sieht es damit in der Realität aus?

-Social Freezing, also das vorsorgliche Einfrieren unbefruchteter Eizellen ohne medizinischen Grund, ist seit Ende der 1990er-Jahre möglich. Die Eizellen werden der Frau entnommen und in flüssigen Stickstoff getaucht. Später können sie bei Bedarf im Reagenzglas befruchtet und wieder in die Gebärmutter eingesetzt werden. Zwar sind dazu nach wie vor männliche Spermien nötig. Aber so können Frauen auch dann noch schwanger werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer natürlichen Schwangerschaft mit zunehmendem Alter sinkt.

- Noch nicht verwirklicht ist die Idee der künstlichen Gebärmutter und damit die der außerkörperlichen Schwangerschaft. Das heißt aber nicht, dass in diesem Bereich nicht geforscht würde. Nach der Entwicklung von Antibabypille und In-vitro-Fertilisation sei die künstliche Gebärmutter der nächste logische Schritt, schrieb der französische Biophysiker und Philosoph Henri Atlan schon 2005 in seinem Buch „L’utérus artificiel“. Und die britische Bioethikerin Anna Smajdor, die an der University of East Anglia lehrt, forderte 2007 in ihrem wissenschaftlichen Artikel „The Moral Imperative for Ectogenesis“: „Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes sind sehr schmerzvoll, riskant und sozial einschränkend für Frauen. Deshalb sollten unbedingt von Staats wegen öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, um eine künstliche Gebärmutter zu entwickeln.“

Tatsächlich ist es schon heute medizinisch möglich, vier der neun Monate, die eine Schwangerschaft dauert, den Embryo beziehungsweise das Frühgeborene außerhalb des Mutterleibs am Leben zu erhalten. Zunächst bis zu fünf oder sechs Tage im Reagenzglas, bevor die befruchtete Eizelle im Blastozysten-Stadium in die Gebärmutter eingesetzt wird. Und dann ab der 24. Schwangerschaftswoche im Inkubator, wenn ein Kind zu früh auf die Welt kommt.

Darüber hinaus gelang es der US-amerikanischen Forscherin Helen Hung-Ching Liu bereits vor mehr als zehn Jahren am Reproductive Endocrine Laboratory der Cornell University in New York, Embryonen bis zu zehn Tage lang in einem künstlichen Gebärmutter-Gewebe wachsen zu lassen. Das Material für die nachgebildete Gebärmutter stammte aus einer echten.

Künstliches Fruchtwasser? Künstliche Plazenta? Alles schon ausprobiert

- An der Juntendo University in Tokio forschte  an der Herstellung von künstlichem Fruchtwasser und einer künstlichen Plazenta. In den 1990er-Jahren gelang es ihm und seinem Team, Ziegenföten, die an eine künstliche Plazenta angeschlossen waren und in einem Acrylglaskasten mit künstlichem Fruchtwasser schwammen, bis zu drei Wochen weiterwachsen zu lassen. Das Experiment wurde jedoch wieder eingestellt.

Es gibt also durchaus Forscher/-innen, die daran arbeiten, die Reproduktionsmedizin im Sinne von feministisch-utopischen Ideen voranzutreiben. Ob sie aus diesen Ideen auch ihre Motivation bezogen, sei dahingestellt. Was diesen Forschungsarbeiten jedoch entgegensteht, sind in erster Linie ethische Bedenken. Embryonen außerhalb des weiblichen Körpers heranwachsen zu lassen erinnert viele an Aldous Huxleys dystopische „Schöne neue Welt“ oder gar an „Frankenstein“. „Frankenstein“ wurde übrigens im Jahr 1818 anonym von der britischen Schriftstellerin Mary Shelley verfasst. Sie gilt damit als erste Frau, die einen Science-Fiction-Roman schrieb.

Laurie Penny: „Babys machen und andere Storys". Aus dem Englischen von Anne Emmert. Edition Nautilus, Hamburg 2016, 19,90 Euro

Marlene Halser, 38, leitet das Ressort taz2 Medien und hat gerade ihre Liebe zu feministischen Utopien entdeckt. Sie findet, diese sollten endlich als das gesehen werden, was sie sind: ernstzunehmende Staats- und Gesellschaftstheorie.