Die Versorgungslücke

In Deutschland geht das Licht aus! Dieses Szenario malten die vier großen deutschen Energiekonzerne in der Diskussion um die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke vor einigen Jahren an die Wand. Die Unternehmen argumentierten, der Energiebedarf des Landes könne nur mit Hilfe von Atomkraft gedeckt werden. Seit Fukushima werden die Atomkraftwerke dennoch nach und nach abgeschaltet. Und siehe da: Deutschland exportiert, auch dank der erneuerbaren Energien, trotzdem jedes Jahr überschüssigen Strom ins Ausland.


Vorsicht, Schilder!

25 Millionen Straßenschilder gibt es in Deutschland. Alles sicher? Weit gefehlt! Denn angeblich sind acht Millionen davon schlecht lesbar. Sagt zumindest der Schilderüberwachungsverein. Schmutzige oder rostige Schilder stellten „eine große Gefahr für den Straßenverkehr und alle Verkehrsteilnehmer dar“, schreibt der Verein auf seiner Homepage. Gerade ältere Menschen seien dadurch gefährdet. Die Schildbürger schafften es mit der Forderung nach Erneuerung der Verkehrszeichen schon in einige überregionale Medien. Blöd nur, dass hinter dem Verein die Straßenschilderlobby steckt. Genauer: ein Verband, in dem sich die Hersteller von neuen Straßenschildern organisieren.

Wenn ihr nicht spurt, ziehen wir nach Rumänien

In der globalisierten Welt haben die großen Arbeitgeber einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Arbeitnehmern: Internationale Unternehmen sind mobil und können ihre Produktion von einem Land in ein anderes verlagern. Arbeiter sind in der Regel nicht so flexibel. Das führt dann auch dazu, dass Arbeitgeber immer wieder mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland drohen können. So geschehen in Köln: In Rumänien könne man viel billiger produzieren, die Arbeiter würden dort nicht so viel Geld verlangen, sagte der Autobauer Ford Medienberichten zufolge. Das wollten die 4.000 Beschäftigten der Fahrzeugmontage nicht. So nahmen sie hin, dass das Unternehmen Einmalzahlungen sowie Sonderurlaub kürzte und die Produktion auf ein flexibles Zweischicht-Modell umstellte. Und so produziert Ford jetzt weiter in Westdeutschland – kostengünstiger als vorher.

Mehr Kriminalität durch weniger Bier

Als die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2008 angesichts von Berichten über das Komasaufen höhere Alkoholsteuern und Werbeverbote ankündigte, ging ein Raunen durch die Berliner Lobbylandschaft. Verschiedene Verbände machten gegen das Programm mobil, darunter der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V., der im Falle von ausbleibender Alkoholwerbung eine Verschlechterung der Programmqualität auf RTL II und Co heraufbeschwor. Besonders hervor tat sich jedoch die Industrie- und Handelskammer, die vor einer Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands warnte. Das leitete sie auch ganz logisch her: Höhere Steuern auf Alkohol gleich erhöhter Schwarzhandel, Alkoholschmuggel aus dem Ausland, Diebstahl von Alkoholika sowie Beschaffungskriminalität. Die Drohszenarien zeigten dann auch Wirkung: Höhere Steuern und neue Werbeverbote waren vom Tisch.

Autsch

Deutlich schneller als die Schweine-grippe breitete sich 2009 die Angst vor der Schweinegrippe aus. Regierungen auf der ganzen Welt folgten dem Rat der Weltgesundheitsorganisation WHO und rüsteten sich für den Notfall einer weltweiten Pandemie aus. Sie kauften in Massen die Medikamente Tamiflu und Relenza der Pharmagiganten Roche und GlaxoSmithKline. Die Un­ternehmen profitierten von der aktionistischen Haltung der Politik, die schnelle Ergebnisse schaffen wollte. Eine vor Kurzem veröffentlichte Analyse ergab allerdings, dass die Medikamente vermutlich kaum gegen die Grippe helfen und manchmal sogar Patienten schaden. Da hatten die deutschen Behörden allerdings schon lange für geschätzte 500 Millionen Euro Behandlungs­dosen eingekauft und eingelagert. Bald nehmen die Pillenpackungen aber zumindest keinen Lagerplatz mehr ein. Bei den meisten läuft 2016 die Haltbarkeit ab, sie werden dann vernichtet.

Arne Semsrott ist freier Journalist und lebt in Berlin. Er engagiert sich bei Transparency International Deutschland und kennt sich daher gut mit dem Thema Lobbyismus aus.


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