Das Heft – Nr. 81

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„Ich wisch euren Opas den Po ab“

Zu Beginn der Coronapandemie bekam das Pflegepersonal viel Beifall. Danka* wünscht sich ein bisschen mehr als nette Gesten

Herr Kube will auf die Toilette und Frau Bickermann endlich einen Tee ans Bett. Die Familie von Herrn Dreßen wartet auf einen Rückruf, weil sie sich Sorgen um ihn macht. Er ist vorgestern im Bad hingefallen. Und auch die Demenzstation bittet dringend um Hilfe. So sieht hier ein normaler Tag im Pflegeheim aus. Da kommt man schon mal aus der Puste, besonders wenn man ständig eine Atemmaske tragen muss.

Eigentlich habe ich studiert, damals in Russland. Französisch, weil ich die Sprache und das Land liebe. Geboren bin ich in Georgien, meine Familie lebt immer noch dort. Nach dem Studium wollte ich als Lehrerin arbeiten, aber als ich keine Arbeit fand, kam ich nach Deutschland und hab mich erst mal als Reinigungskraft über Wasser gehalten. Zuletzt habe ich eine alte Dame zu Hause betreut, bis sie in ein Pflegeheim musste. Die hat mich immer ihre „Perle“ genannt und im Pflegeheim so lange nach mir gefragt, bis man mich dort angestellt hat. Da hatte sie mich dann wieder um sich.

Doch viel Zeit, mich um sie zu kümmern, habe ich nicht. Manchmal betreut eine einzige Person in der Spätschicht – das ist von 16 bis 24 Uhr – 15 Patienten und Patientinnen. Oder Kunden, wie ich immer sage. Das kann mal gut gehen, wenn alle ruhig sind, aber das kommt so gut wie nie vor. Meistens wollen alle gleichzeitig etwas und klingeln nach mir. Mal geht es um Medikamente, mal um einen Tee, irgendjemand hat Schmerzen oder die Windeln voll. Ich sag mal so: Ich wische hier euren Opas den Po ab.

Für wöchentlich 40 Stunden harte Arbeit bekommt Danka 1100 Euro im Monat

Am Anfang der Coronapandemie wurde viel darüber gesprochen, dass es ohne uns nicht geht. Allerdings hat das an unserer alltäglichen Situation nichts geändert. Es gibt nach wie vor viel zu wenig Personal, und die angeblich so wichtige Arbeit ist zu schlecht bezahlt.

Für 40 Stunden in der Woche bleiben mir 1.100 Euro. 750 zahle ich für meine Wohnung. Der Rest reicht gerade so, aber nicht, um auch mal in den Urlaub zu fahren oder ins Kino zu gehen. Deswegen arbeite ich regelmäßig am Wochenende. Besonders ungerecht finde ich, dass die Plätze in diesem Pflegeheim bis zu 6.000 Euro im Monat kosten. Ich weiß, dass der Betrieb eines Heimes viel kostet, aber ich schätze mal, dass da ziemlich viel Gewinn übrig bleibt.

Es wäre also eigentlich genug Geld für die Mitarbeiter da. Allerdings findet man derzeit eh kaum welche. Die meisten wissen ja, wie die Pflegesituation in Deutschland aussieht, und machen lieber etwas anderes.

Die geplante Lohnerhöhung ist für mich ein echter Lichtblick, aber angemessen finde ich die Bezahlung immer noch nicht. Denn die Arbeit mit alten Menschen ist nicht nur emotional, sondern auch körperlich belastend. Manchmal muss ich Männer, die 100 Kilogramm wiegen, aus dem Bett wuchten. Eigentlich sollen das zwei Pflegekräfte machen, aber wie gesagt bin ich oft allein auf der Station. Kein Wunder, dass der Krankenstand bei uns hoch ist und die Personalpläne ständig umgeschrieben werden. Es ist ein Teufelskreis: Wenige Pflegerinnen und Pfelgerer kümmern sich um viel zu viele Patienten und riskieren dabei selbst ihre Gesundheit. Ich habe bald einen Termin beim Orthopäden. Ich habe mich wohl zu oft gebückt, um Thrombosestrümpfe zu wechseln.

Manchmal bereue ich es, diesen Beruf ergriffen zu haben. Aufhören werde ich wohl dennoch nicht. Ich kann doch meine Kunden nicht im Stich lassen.

* Alle Namen wurden auf Dankas Wunsch geändert.

Titelbild: Patricia Kühfuss/laif

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.