„Die soziale Herkunft ist heute relevanter als noch vor 20 Jahren“
Acht Euro für Döner, steigende Mieten, wahrscheinlich kaum Rente – kann die Gen Z später noch gut leben? Und wenn ja, wie? Wir haben bei DIW-Präsident Marcel Fratzscher nachgefragt
fluter: Herr Fratzscher, Sie sind Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und beobachten die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Wie steht die Gen Z im Jahr 2025 finanziell da?
Marcel Fratzscher: Die finanzielle Situation junger Menschen ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Das hat mehrere Gründe: Lebenshaltungskosten wie die Miete steigen. Ein WG-Zimmer in Berlin kostet mittlerweile im Schnitt 650 Euro. Und auch Heizung, Strom oder der Wocheneinkauf werden durch die Inflation immer teurer. Das führt dazu, dass viele junge Menschen nichts oder nur wenig zurücklegen können. Nach dem Berufsabschluss fragen sich viele nicht mehr: Was ist mein Traum, sondern was kann ich mir überhaupt leisten?
Schwierige Lebensumstände führen schnell zu Schulden. Laut der Studie „Jugend in Deutschland 2025“ ist ein Fünftel der 14- bis 29-Jährigen verschuldet.
Schulden sind nicht immer schlecht. Wenn jemand mit 30 gut verdient und für eine Eigentumswohnung einen Kredit aufnimmt, ist er auch verschuldet. Aber wenn die Wohnung an Wert gewinnt und die Person darin wohnen kann, ist das eine sehr gute Anlage. Problematisch sind aber Konsumkredite, zum Beispiel für Onlineshopping. Bei Ratenkäufen kann das verdammt teuer werden, weil die Zinsen auf diese Kredite sehr hoch sind und viele dann Gefahr laufen, diese Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können.
„Der Sechser im Lotto sind vermögende Eltern. Das gehört leider auch zur Wahrheit“
Inwiefern hat die junge Generation noch eine Chance, Vermögen aufzubauen?
Der erste Schritt dafür ist eine gute Ausbildung und ein solides monatliches Einkommen. Oder der Sechser im Lotto: vermögende Eltern. Das gehört leider auch zur Wahrheit. Denn mehr als die Hälfte der Privatvermögen in Deutschland werden vererbt und nicht mit den eigenen Händen erarbeitet. Es wird generell schwerer, nur durch Arbeit Vermögen aufzubauen. Die soziale Herkunft ist heute relevanter als noch vor 20 oder 40 Jahren – auch weil das Leben teuer geworden ist. Wer als junger Mensch für die eigene Familie heute in der Stadt ein Eigenheim erwerben möchte, ist meist stark auf Unterstützung angewiesen.
Aktuell verzeichnet Deutschland rund drei Millionen Arbeitslose. Das betrifft auch junge Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den letzten drei Jahren um 40 Prozent gestiegen. Wie sind die Chancen junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt?
Die Zahlen sind hoch. Aber aus meiner Sicht mangelt es nicht an freien Arbeitsplätzen, sondern eher an Qualifikationen. Und deshalb ist es so wichtig, in eine gute Ausbildung zu investieren. Damit stellt man auch die Weichen für die Zukunft. Aktuell gibt es mehr als eine Million offene Jobs: Das sind nicht nur Arbeitsplätze für Hochqualifizierte und Akademiker, auch Leute mit einer Ausbildung werden händeringend gesucht, etwa Handwerker in der Industrie. In Anbetracht des Fachkräftemangels gibt es in vielen Berufsfeldern gute Chancen.
Der Einstieg ins Berufsleben ist also entscheidend – reicht das aus, um auch im Alter abgesichert zu sein?
Der demografische Wandel stellt unser Rentensystem vor große Herausforderungen. In den 60er-Jahren kamen sechs Beschäftigte auf einen Rentner. Heute sind es kaum mehr als zwei Einzahler für einen Rentner. Das kann nicht aufgehen. Das, was der Staat später mal als Rente auszahlt, wird also bei vielen nicht ausreichen. Und das wiederum bedeutet: Der Generationenvertrag, wie wir ihn kennen, funktioniert nicht mehr. Seit Hunderten von Jahren galt das Versprechen, dass es den eigenen Kindern und Enkelkindern mal besser geht als einem selbst. Heute sind 84 Prozent der Deutschen überzeugt, dass das nicht mehr stimmt.
„Eigentumswohnungen sind eigentlich eine sehr gute Möglichkeit, um vorzusorgen. Für die meisten jungen Menschen aber eine Illusion.“
Was bedeutet das für die Altersvorsorge der jungen Generation?
Wenn ich heute 25 bin, kann ich mich nicht allein auf die gesetzliche Rente verlassen. Und deshalb sollte jeder frühzeitig überlegen: Wie kann ich etwas zurücklegen? Wo kann ich sparen? Eigentumswohnungen sind eigentlich eine sehr gute Möglichkeit, um vorzusorgen. Für die meisten jungen Menschen ist das in Anbetracht der Immobilienpreise aber eine Illusion. Abgesehen davon können Aktien und ETFs kluge Anlagemöglichkeiten sein. Gerade auch für Frauen ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen. Sie kümmern sich öfter um die Kinder, arbeiten weniger und häufiger in Teilzeit und sind deshalb später eher von Altersarmut betroffen.
Was müsste sich ändern, damit sich die finanzielle Situation der jungen Generation insgesamt verbessert?
Wir brauchen deutlich mehr Investitionen im Bildungsbereich – in gute Schulen, Kitas, Ausbildungszentren und Hochschulen. Außerdem gezielt Mehrausgaben für soziale Brennpunkte, um echte Chancengleichheit zu schaffen. Und wir müssen insgesamt die Interessen der Gen Z stärker berücksichtigen. Da sind vor allem die Babyboomer in den Entscheidungspositionen in Wirtschaft und Politik gefragt. Die sollten mehr Verantwortung übernehmen und die Interessen der Jungen stärker einbeziehen.
Wie könnte das konkret aussehen?
Aus meiner Sicht müssen wir den Generationenvertrag neu denken – zum Beispiel mit einem verpflichtenden sozialen Jahr für Rentner:innen oder einer Art Boomer-Soli, bei dem reiche Babyboomer gezielt mehr abgeben, um das Rentensystem zu finanzieren und die junge Generation zu entlasten. In den Städten kann auch subventionierter Wohnraum für Studierende und Menschen in Ausbildung eine Möglichkeit sein, die Lebenshaltungskosten zu senken.
Wenn Sie jungen Menschen nur einen Tipp geben könnten: Welcher wäre es?
Kümmert euch um eine gute Ausbildung – das zahlt sich langfristig aus. Viele Rücklagen kann man da zuerst einmal nicht machen, aber es ist dennoch das wichtigste Investment in eine finanziell stabile Zukunft.
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