Wenn es klappt, ist es einfach und schön: Eine Frau lernt einen Mann kennen, sie leben zusammen, es ist der Mann ihres Lebens. Nicht mehr so einfach und schön ist es, wenn das der gleichen Frau öfter passiert. So wie unserer Autorin. 

Ich bin 27 Jahre alt und habe in den letzten acht Jahren drei Beziehungen geführt. Mein Freund ist die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben, der Mensch, dem ich am meisten vertraue. Ob man mit anderen Typen knutschen, wie weit man bei einem Flirt gehen darf oder ob gar One-Night-Stands okay sind oder nicht – diese Fragen stellen sich für mich nicht. Dasselbe erwarte ich von meinem Freund – dem Mann meines Lebens. Meine Beziehungen liefen immer super. Das dachte ich jedenfalls, bis es plötzlich wieder „Wumms“ machte, ich einen neuen Mann kennen lernte, mich verliebte, eine Affäre begann und monatelang meinen Freund betrog – bis ich mich trennte und eine neue Beziehung anfing. Dreimal. 

Wie damals, in einer durchzechten Nacht im Januar vor knapp vier Jahren, als ich meinen heutigen Ex-Freund kennen lernte. Wir begegneten uns in der Arbeit und liefen uns danach immer wieder über den Weg. Auf Konzerten, bei einem Geburtstag, auf einer Faschingsparty. Nach wenigen Treffen spürte ich dieses eindeutige Prickeln, das man so schwer beschreiben kann. Dieses innere Zerren, einen anderen Menschen unbedingt sehen zu müssen. Ich dachte mir fadenscheinige Gründe aus, um ihn treffen zu können. Er lud mich zum Kaffeetrinken in sein neues Büro ein. Gleichzeitig sagte ich mir, da sei nichts, und beruhigte mein Gewissen:„Ich mache doch gar nichts, ich gehe nur Kaffee trinken.“ In Wirklichkeit, was ich mir bis heute nicht immer eingestehen will, sah dieses „Ich mache doch nichts“ so aus: Flirten. So charmant sein, wie es nur geht. Mehr flirten.

An einem Frühsommertag lag ich im Park und versuchte, Texte für mein Uni-Seminar zu lesen. Er rief an; ich schlug ihm vor, in den Park zu kommen. Eine Stunde danach lagen wir knutschend auf dem Rasen, zwei weitere Stunden und eine SMS später, in der ich meinen Freund anlog, ich hätte Freundinnen getroffen und wir würden noch etwas trinken gehen, lag ich mit ihm in seinem Bett. Statt nach diesem ersten Mal sofort mit meinem Freund zu reden und zu überlegen, warum es passiert ist, verstricke ich mich immer tiefer in ein Gefühls- und Gedankenchaos. Warum fühle ich mich dem Neuen so nahe, mein Freund ist doch der Mann meines Lebens? Alles Neue ist am Anfang interessant. Kein Alltag, keine nervenden Eigenschaften. Aber wird das bei dem Neuen nicht auch wieder so werden? Meinen Freund und mich verbindet eine lange gemeinsame Zeit, das kann ich nicht aufgeben .Ich kann ihn nicht verlassen. Aber ich will den anderen unbedingt sehen. Ich halte es nicht mehr aus. Ich rufe jetzt an, obwohl wir gerade beschlossen haben, uns nicht mehr zu sehen. 

Von alldem bekommt mein Freund nichts mit. Er weiß nicht, was in mir vorgeht, und ich distanziere mich dadurch immer mehr von ihm. Das Merkwürdige ist: Ich habe anfangs nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Und das, obwohl ich gerade den wichtigsten Menschen in meinem Leben anlüge, den Menschen, dem ich vertraue. Ich erfinde ständig neue Ausreden, behaupte, ich wolle noch Freunde treffen oder sei müde, stehle permanent irgendwo Zeit und bringe es sogar fertig, von einem Date mit dem anderen direkt zu einem Treffen mit meinem Freund zu fahren. Es liegt, glaube ich, an dieser seltsamen Gleichzeitigkeit. Ich schlafe zwar wochenlang mit einem anderen und führe mit diesem Mann die Gespräche, die ich eigentlich mit meinem Freund führen sollte, aber gleichzeitig fühlt es sich nach wie vor so richtig an, wenn ich mit meinem Freund zusammen bin. So, als könnte es nie anders sein. Dadurch verdränge ich den Betrug und ermögliche ihn überhaupt erst. 

Irgendwann stürzt die Fassade dann ein. Etwa nachdem ich mich endlich getraut habe, einer Freundin von meiner Affäre zu erzählen, und sie mir immer wieder deutlich sagt, was ich gerade tue: lügen ,hintergehen und meinem Freund keine Chance zur Reaktion geben. Ein grauenhafter Moment, in dem nicht nur mein Selbstbild zerbricht, sondern auch das, woran ich drei Jahre lang geglaubt habe: meine Beziehung. Diesmal war es im April so weit. Wir hatten uns im Herbst kennen gelernt, im Winter miteinander geschlafen und mein fester Vorsatz lautete wieder: Ich will meine Beziehung retten.Wir verstanden uns doch gerade so gut und sprachen sogar von Zusammenziehen. Dennoch – seit Monaten tat ich genau das Gegenteil. Ich zerstörte sie, indem ich zu einem Date nach dem anderen marschierte, mich immer wieder bei dem Neuen meldete und gegenüber meinem Freund schwieg. Das erste Mal sprach ich im April mit ihm über mein Gefühlschaos – als ich ihn verließ. Seitdem bin ich mit meinem neuen Freund zusammen und sehr glücklich. Ich glaube, er ist der Mann meines Lebens.