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Wieso verbreiten sich Verschwörungsmythen so leicht? Ein neuer Podcast erklärt das am Beispiel des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen – glänzend recherchiert und angenehm unaufgeregt

Ken Jebsen bei der Hygienedemo in Berlin

Worum geht’s?

Um den Aufstieg, den Fall und das fragwürdige Comeback Ken Jebsens – vom innovativen Radio- und Fernsehtalent im Berlin der 1990er-Jahre bis zum Verschwörungsideologen, der er heute ist.

Worum geht’s eigentlich? 

Anhand von Jebsens Geschichte erzählt der Podcast, wie eine Querfront aus Linksgerichteten, Reichsbürgern und Esoterikerinnen seit einigen Jahren in Deutschland an Kraft gewinnen konnte. Ein Schlüssel dabei sind für die Podcastmacher*innen die sogenannten „Mahnwachen für den Frieden“, die 2014 in verschiedenen deutschen Städten entstanden. Die Demonstrant*innen protestierten unter anderem gegen ein angeblich korruptes Finanzsystem und vermeintlich gleichgeschaltete Medien. Außerdem wird ganz grundsätzlich analysiert, wie Verschwörungsmythen funktionieren und weshalb sie sich im Netz so gut verbreiten. 

Ideal für … 

… alle, die nicht nur wissen wollen, was zur Hölle denn nun mit diesem Ken Jebsen passiert ist, sondern die sich zum Beispiel auch noch fragen: Wer sind die Teilnehmenden der „Hygienedemos“, und wieso sollte irgendwer ernsthaft glauben, Bill Gates stecke hinter dem Coronavirus? 

Wie wird’s erzählt? 

„Cui Bono“ ist alles andere als ein Laberformat, sondern erinnert an aufwändige US-amerikanische Podcasts wie „Serial“ (an manchen Stellen ein bisschen sehr sogar). Das liegt einmal an der eigens produzierten Musik und den O-Tönen zeitgeschichtlicher Ereignisse – etwa von den rechtsextremistischen Ausschreitungen in Chemnitz im Jahr 2018. Und dann natürlich an den Reportageelementen: So folgt man dem Journalisten Khesrau Behroz zum Beispiel bei seinen Recherchen auf eine „Hygienedemo“. Behroz moderiert auf bemerkenswert angenehme Weise durch die verschiedenen Stationen von Jebsens Leben, man bekommt immer wieder Ausschnitte aus seinen Shows und Videos zu hören, und es werden ehemalige Arbeitskollegen und Mitstreiter interviewt.

Gelernt: 

Eine entscheidende Rolle bei dem Aufstieg von Verschwörungsmythen spielte ein Algorithmus, den YouTube 2012 einführte: Seitdem werden nicht mehr die Videos bevorzugt, die oft geklickt werden, sondern diejenigen, die sich Nutzer*innen besonders lange ansehen. Deswegen werden uns heute eher weniger sekundenkurze Katzenvideos empfohlen und mehr zehnminütige Monologe über Chemtrails und Reptiloide. 

Good Job!

„Cui bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ ist nicht nur unheimlich gut recherchiert, zugute muss man den Macher*innen auch ihre Wertfreiheit halten: Ken Jebsen wird nicht einfach ein Stempel aufgedrückt – dass er Antisemit sei zum Beispiel –, stattdessen wird seine Person in all ihrer Ambivalenz und Komplexität dargestellt. 

Genauso geht der Podcast mit den verschwörungsideologischen Bewegungen um, die er porträtiert. Es sind eben nicht (nur) völlig paranoide Typen, die neben Konservenvorräten für Tag X im Panikraum sitzen und Aluhut tragen, sondern wie vielleicht manche Hörer*innen aus eigener Erfahrung wissen: auch ansonsten halbwegs „normale“ Elternteile, unauffällige Biologiestudentinnen oder liebenswürdige Busfahrer, die mit Verschwörungsmythen liebäugeln. Viele von ihnen radikalisieren sich Clip à Clip durch das breite Angebot auf Plattformen wie der Jebsens und durch sogartige Algorithmen, die immer neue Verschwörungen vorpredigen. So informationsdicht das nun klingen mag, „Cui Bono“ schafft es, niedrigschwellig und unterhaltsam zu bleiben. Die 30 bis 40 Minuten jeder Episode gehen um, ehe man „Die BRD-GmbH ist kein souveräner Staat“ ausgesprochen hat. 

„Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen“ ist unter anderem in der Audiothek der ARD oder auf Spotify zu hören.

Titelbild: Hahn & Hartung 

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.