Ich bin nicht einfach für oder gegen G20. Aber es gibt Werte, die mir wichtig sind: Toleranz, Meinungsvielfalt, Weltoffenheit und vor allem eine gewaltfreie Auseinandersetzung. Grundsätzlich halte ich es für sinnvoll, dass sich die Staats- und Regierungschefs zusammensetzen und über wichtige globale Fragen sprechen. Auch wenn mir vielleicht nicht alle Gipfelteilnehmer sympathisch sind. Auch wenn das Ergebnis vielleicht zu wünschen übrig lassen wird.

Deswegen engagiere ich mich bewusst nicht bei Attac oder einer anderen Initiative der Gipfelgegner, sondern bei Haltung.Hamburg. Wir sind kein G20-Aktionsbündnis, aber wir wollen das Ereignis nutzen, um auf grundsätzliche Werte aufmerksam zu machen.

An den Samstagen bis zum Gipfel sind wir mit einer Roadshow in der Stadt unterwegs. Mit unserem Bus stehen wir in der Haupteinkaufsstraße oder auf den Wochenmärkten in den Stadtteilen und ermuntern die Passanten, ihre Meinung auf ein Schild zu schreiben und sich damit fotografieren zu lassen. Die Bilder sammeln wir auf unserer Website.

„Ich habe Respekt vor diesem Einsatz“

Sebastian, 23, ist Polizist und muss beim Gipfel einen Demonstrationszug absichern. Er macht sich Gedanken: Bleibt es friedlich? --> Zum Artikel

Als Haltung.Hamburg wollen wir keine Richtung vorgeben. Wir verstehen uns als parteiunabhängig. Man darf bei uns für den Gipfel sein oder dagegen, G20-Befürworter oder G20-Kritiker sind gleichermaßen willkommen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit einem sehr niedrigschwelligen Angebot zu befähigen, eine Haltung einzunehmen. Ich will nicht ausschließen, dass der eine oder andere sich an unserer Fotoaktion nur beteiligt hat, weil wir unter den Teilnehmern Festivaltickets verlosen. Aber das finde ich legitim, wenn wir die Menschen so dazu bewegen, über dieses Ereignis in ihrer Stadt nachzudenken.

Die Meinungen, die wir bekommen, sind vielfältig. Viele sehen den Gipfel tatsächlich eher kritisch, meistens übrigens gar nicht wegen des Treffens an sich, sondern wegen der Auswirkungen: Straßen werden gesperrt, der Verkehr mit Bus und Bahn ist eingeschränkt, das tägliche Leben wird für ein paar Tage für viele Menschen in Hamburg in jedem Fall komplizierter.

Für mich übrigens auch: Meine Digitalagentur befindet sich mitten im Schanzenviertel, unweit des Tagungsortes also. Ich werde meine Mitarbeiter wohl ein paar Tage Homeoffice machen lassen.

Viele Menschen aus meinem privaten Umfeld wollen an dem Wochenende sogar Hamburg verlassen, was fast wie eine Flucht wirkt. Für mich ist das keine Option. Ich finde, wir sollten uns von diesem Gipfel nicht die Stadt wegnehmen lassen und das Feld den Gewalttouristen überlassen, die von überall anreisen werden, um sich Straßenschlachten zu liefern.

Ich weiß, dass die meisten Gipfelgegner friedlich protestieren wollen und die Krawallmacher eine Minderheit sind. Aber für mich persönlich ist eine Demonstration nicht das passende Mittel, um meine Meinung kundzutun. Es ist vielleicht etwas irrational, aber auf mich wirken große Demonstrationen immer etwas bedrohlich, egal wofür oder wogegen sie sich richten: so viele Menschen, so dicht zusammen, die alle in dieselbe Richtung durch die Straße ziehen. Ich habe deswegen einen anderen Plan: Ich gehe zu einem Familienfest in der Stadt und zeige so, dass ich eine Haltung zum G20-Treffen habe.

Fotos: Michael Kohls