Sie sind verboten, sie sorgen dafür, dass man sich Dinge traut, die man sonst nie tun würde, und erscheinen ungeheuer cool: Drogen. Die Neugier ist groß, Drogen auszuprobieren. Doch oft bleibt es nicht beim Probieren. Am Ende bestimmt die Droge ihr Leben. Nichts ist mehr wichtig, nur noch der Rausch und die Mittel, die nötig sind, ihn zu erreichen. Ausbildung, Freunde und Familie sind egal. Einmal dort unten angekommen, ist es schwierig, wieder herauszufinden. Schwierig – aber nicht unmöglich.

Zwei Drogensüchtige erzählen ihre Geschichte.

Mark*, 19 Jahre alt und Schüler in Berlin:

"Mit 13 Jahren hab ich angefangen zu rauchen – das hält sich bis jetzt – das erste Mal betrunken war ich auch mit 13 und gekifft hab ich auch das erste Mal mit 13. Nach der Schule haben wir uns mit älteren Kumpels getroffen, die etwas hatten und da haben wir halt mitgeraucht. Ich fand es saulustig. Wir haben uns alle einen weggelacht und irgendwelchen Quatsch erzählt und einfach Spaß gehabt. Natürlich wusste ich, dass es eine Droge ist und dass alle immer sagen: „böse-böse“ – aber ich wollte nie jemand sein, der irgendetwas abstempelt ohne selber mitreden zu können. Danach war das dann immer mal wieder so – und dann ist es irgendwann mehr geworden.

Der Übergang war fast nahtlos: Mit 16 so ungefähr wurde es richtig schlimm, weil in der Familie Probleme waren. Ein Mitglied meiner Familie hat in dieser Zeit Selbstmord begangen. In meiner Familie hat jeder auf seine Art Trauerarbeit geleistet. Ich hab immer gesagt: „Ich komm damit klar!“ Aber im Endeffekt hab ich dann abends gedacht: „Ich hab keinen Bock mir jetzt schon wieder über irgendetwas Gedanken zu machen!“ Also einfach einen kiffen. Das war dann immer abends. Und morgens vor der Schule kann man das ja auch noch machen: in der Schule, nach der Schule... den Nebeneffekt, dass man den Alltag vergisst, konnte man nutzen, um seine Probleme zu verdrängen. Vorher hab ich vielleicht einmal im Monat gekifft. Und dann: täglich. 24 Stunden am Tag. High habe ich mich immer wohl gefühlt – auch wenn man sich das zum Schluss nur noch einredet.

Wie ich das finanziert habe, frage ich mich heute auch manchmal. Der gesamte Freundeskreis war damals aufs Kiffen ausgelegt – man musste nicht immer zehn Euro haben, sondern hat zusammengelegt. Aber sämtliche Ersparnisse sind in der Zeit draufgegangen. Mit zehn Euro am Tag konnte man schon rechnen.

Meine Eltern haben gemerkt, dass ich mich verändert habe. Aber wenn sie mich drauf angesprochen haben, habe ich immer abgeblockt. Irgendwann war es so weit, dass mich meine Eltern, wie auch Klassenkameraden gefragt haben, ob ich was genommen habe, als ich clean war. Der bekiffte Zustand hatte sich schon zum normalen Zustand für sie entwickelt – das war für mich ziemlich erschreckend.

Vor einem Jahr war dann der Punkt erreicht, dass ich zu Mama gesagt hab: „Ja, Mama, es stimmt, ich kiffe und das auch nicht wenig, da muss sich etwas dran ändern.“

Ich wusste, dass es so nicht weiter gehen konnte. Ich wollte gucken, was auf mich zukommt. Das war der richtige Weg, denke ich immer noch.

Meine Mutter war schockiert, aber sie meinte, sie hat sich so was schon gedacht. Am selben Tag sind wir noch zum Drogennotdienst gefahren. Dort war ich dann in einem Programm, um zu verstehen, warum und an welchen Tagen man kifft. Sobald ich im Therapieladen angefangen hab, also seit den Sommerferien, habe ich jetzt nicht mehr gekifft. Das macht mich stolz.

Die zwölfte Klasse habe ich wiederholt – davor hatte ich zu viele Punkte verschenkt fürs Abi. Jetzt mache ich das noch mal und diesmal richtig und ohne kiffen. Man erkennt eindeutige Unterschiede: Ich habe bessere Noten und komme nach Hause und merke, ich habe im Unterricht etwas verstanden – richtige Erfolgserlebnisse!

Später will ich auf jeden Fall mit Menschen arbeiten – mit Jugendlichen, Kindern. Als Streetworker zum Beispiel oder auch als Drogentherapeut. Das sind Berufe, die mich super interessieren. Als Vorbild kann ich dann sagen: „Guck mal, ihr macht jetzt Scheiße, das hab ich auch mal gemacht – aber man kann etwas dagegen tun!“

Meiner Meinung nach sollte jemand, der keine Erfahrungen mit Drogen hat, sich nicht negativ darüber äußern – sie können nicht mitreden. Wer es probieren will, soll’s probieren – aber nur, wenn man selber will, nicht weil irgendjemand sagt: mach mal. Man muss immer selber wissen, was man tut.

Ich wusste: Kiffen kann massive Folgen haben. Ich habe mir gesagt: Das kann anderen passieren, aber mir nicht. Ich kannte das Risiko und hab’s hingenommen. Ich verlasse mich immer auf mein Glück."

*Name geändert

Emre*, 17 Jahre alt und Auszubildender in Berlin:

"Als ich das erste Mal gekifft habe, war ich 14. Ich war neugierig und es hat mir gut gefallen. Danach hab ich es ab und zu Mal mitgemacht, dann wurde es ein bisschen regelmäßiger, dann wurde es jeden Tag. Mit 16 hab ich mir das erste Mal selber was besorgt. Von 25 Euro Taschengeld im Monat habe ich für einen Zehner Gras gekauft und der Rest ist für Zigaretten draufgegangen.

Dann hab ich meine Ausbildung angefangen und falsche Leute kennen gelernt. Vom Kiffen ging es über zum Speed ziehen. Die ersten Male habe ich immer nein gesagt. Aber irgendwann war die Neugier größer als der Verstand und ich habe es ausprobiert. Es war das krasse Gegenteil: Beim Kiffen ist man einfach entspannt und ruhig, bei Speed ist man aufgedreht, wach, hat keinen Hunger und ist hyperaktiv. Man fühlt sich voll geil. Was es ansonsten mit dem Körper macht – das war mir damals nicht klar.

Im Vergleich zum Kiffen war das ziemlich teuer: Der Dealer hat im Monat 1.400 Euro an mir und meinem Kumpel verdient, das ist eine Menge. Zu dem Zeitpunkt habe ich 75 Euro Taschengeld im Monat bekommen und ich wusste, wo das Geld meiner Mutter liegt. Das war nicht ganz so gut – sie hatte dann statt 900 nur noch 500.

Irgendwann bin ich dann morgens nur noch deshalb aufgestanden. Die Zeit ist dabei einfach an einem vorbeigegangen. Als ich aufgehört hab, dachte ich, es sei erst drei Tage später, dabei waren anderthalb Jahre rum. Das fehlt mir jetzt alles. Mein Körper war richtig kaputt. Ich hab teilweise zwei Wochen am Stück praktisch nicht geschlafen, nicht gegessen, weil man weder Hunger noch Müdigkeit verspürt. In meiner Erinnerung ist alles verschleiert.

Bei dem Kumpel, mit dem ich angefangen habe zu kiffen, hab ich dann auch Koks ausprobiert und deshalb sogar meine Familie versetzt. Man merkt, wie die Hemmschwelle sich senkt, andere Drogen zu nehmen. Wenn ich weitergemacht hätte, dann würde ich vermutlich irgendwann mit einer Spritze im Arm rumlungern. Und das will ich nicht. Mein Kopf dachte, ich hab's unter Kontrolle. Auch mein Kumpel meinte: 'Um dich mach ich mir keine Sorgen, du hast dich im Griff.' Aber das war nicht so. Deswegen hat es dann auch ein Weilchen gedauert, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich suchtkrank bin. Und das werde ich auch immer bleiben.

Mein Vater hat gedacht, dass ich meinen Kumpel von Drogen abbringe, und nicht geglaubt, dass ich das mache. Das hat er mir nicht zugetraut. Die Mutter von meinem besten Kumpel, mit dem ich Koks gezogen hab, hat das dann herausgefunden und bei meinen Eltern angerufen. Am gleichen Abend meinte mein Vater: 'Emre, komm mal her, wir müssen reden!' Ich hab alles geleugnet. Es hat mich voll gewundert, dass er so ruhig geblieben ist, weil er mir früher angedroht hatte, dass er nie wieder mit mir redet, wenn er rausfindet, dass ich Drogen nehme. Wir haben dann stundenlang geredet und einen Termin beim Drogennotdienst gemacht. Ich saß mit zitternden Händen da – meinem Gehirn war scheißegal, was meine Eltern dachten. Ich hab überlegt, wie ich jetzt meine Droge bekomme, ohne dass sie das mitbekommen. Ich hab mir die krankesten Sachen ausgemalt, dass ich mit Speed aufhöre und Kokain nehme, weil Kokain nicht so lange wirkt, da kannst du das in der Schule machen, kommst nach Hause und bist wieder normal und keiner merkt was.

Ein paar Tage später gab's dann das Gespräch mit der ganzen Familie – meine Eltern, meine beiden älteren Brüder und ich – und da hat sich was geändert: Ich hatte meinen Vater und meine beiden Brüder noch nie heulen sehen, aber als die da um den Küchentisch saßen, flennend wie die Schlosshunde, da wusste ich: Was hast du dir und deiner Familie angetan? Seitdem bin ich, bis auf einen Rückfall mit einem Joint, komplett clean.

Inzwischen habe ich nur noch Suchtdruck. Früher war's schlimmer: schwitzige Hände und Schlaflosigkeit – Entzugserschienungen vom Cannabis. Vom Speed hab ich mich alle zwei Minuten umgedreht, weil ich dachte, irgendjemand steht hinter mir und will mir ein Messer in den Rücken rammen – also Paranoia, Angstzustände und Schweißausbrüche.

Besonders die Einzelgespräche beim DND haben mir geholfen: Endlich war da jemand, der sich damit auskennt, zuhört und Tipps geben kann. Das ist das A und O, wenn man von irgendeiner Sucht wegkommen will.

Jetzt will ich erst mal meine Ausbildung schaffen, einen Job finden und zu meiner Freundin ziehen. Meine Finger werde ich auf jeden Fall von Weißem lassen – weder Speed noch Koks je wieder anfassen. Ob ich nie wieder einen Joint rauche, kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht sagen. Wenn, dann werde ich das definitiv nicht wieder so anfangen wie früher.

Leuten, die das ausprobieren wollen, würde ich sagen, sie sollten es sein lassen. Es ist ein geiles Gefühl, wenn man da oben auf dem Gipfel steht – aber der Absturz danach, das ist die Hölle. Es ist keine Erfahrung, die man gemacht haben muss."

* Name geändert

Protokolle: Karoline Kuhla

Beim Drogennotdienst haben Mark und Emre Hilfe gefunden: www.drogennotdienst.org

Hier macht Mark seine Therapie: www.therapieladen.de