Feministische Science-Fiction hat eine lange Tradition. Bereits 1405 verfasste die französische Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pizan „Das Buch von der Stadt der Frauen“. Es gilt als die erste feministische Utopie. Insbesondere im 20. Jahrhundert blühte die Gattung auf. Jüngst hat Laurie Penny einen Band mit Kurzgeschichten geschrieben: „Babys machen und andere Storys“. In einer Geschichte baut sich eine Robotikingenieurin ihr eigenes Baby.

Ebenso wichtig wie der technische Fortschritt in der Reproduktionsmedizin (worum es in Teil 1 ging) ist in vielen feministischen Utopien die Idee eines gleichberechtigten politischen Systems, in dem das Patriarchat überwunden ist und Frauen das Zusammenleben der Gesellschaft bestimmen.

Während Charlotte Perkins Gilman in „Herland“ (1915) und Joanna Russ in „Der Planet der Frauen“ Gesellschaften entwerfen, die gänzlich ohne Männer auskommen, drehte die norwegische Autorin Gerd Brantenberg in ihrem 1977 (1980 auf Deutsch) erschienenen Buch „Die Töchter Egalias“ die herrschenden Verhältnisse einfach um: Hier werden die Männer nicht für voll genommen, dürfen ihren Beruf nicht frei wählen und müssen einen „PH“ tragen. Frauen besetzen alle wichtigen Positionen, Kinder kommen bei öffentlichen Gebärzeremonien im Gebärpalast zur Welt, und im Sommer laufen die Frauen stolz oben ohne rum. Was folgt, ist eine Männerbewegung, die sich gegen das gnadenlose Matriarchat zu wehren versucht.

Zum Aufstand der Männer (und zur Tyrannei eines Psychopathen) kommt es auch in Karen Duves erst kürzlich erschienener Gender-Dystopie „Macht“. Im Jahr 2031 ist der Staatsfeminismus realisiert und mit ihm die „kontrollierte Demokratie“, in der nur derjenige/diejenige ein politisches Amt bekleiden darf, der/die sich in einem Testverfahren als sozialverträglich erwiesen hat. So sollen die Frauen versuchen zu retten, was die Männer jahrzehntelang durch politische Ignoranz sowie ökonomisches und ökologisches Missmanagement verbrochen haben. Doch die Klimakatastrophe ist kaum noch aufzuhalten.

Und wie sieht es damit in der Wirklichkeit aus?

Obwohl um die sogenannte Frauenquote, also eine genderbezogene Quotenregelung bei der Besetzung von Gremien oder Stellen, und die angestrebte Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gerungen wird, geht deren Umsetzung sowohl in der EU als auch in Deutschland eher schleppend voran. Im Jahr 2013 hat das Europäische Parlament zwar eine EU-weit einheitliche 40-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen beschlossen. Die notwendige Zustimmung der Staats- und Regierungschefs steht jedoch bislang noch aus.

In Deutschland vereinbarte die Große Koalition (Union und SPD) 2013 in ihren Koalitionsverhandlungen die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte. Seit dem 6. März 2015 sind große Unternehmen in Deutschland nun verpflichtet, Aufsichtsräte ab dem 1.1.2016 bei Neuwahlen mit mindestens 30 Prozent Frauen zu besetzen. Effektiv gilt die vorgegebene 30-Prozent-Quote für 108 börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen (mit mehr als 2.000 Mitarbeitern), für weitere etwa 3.500 Unternehmen gilt die Pflicht, sich eine verbindliche Zielvorgabe zu setzen. Eine Quotenregelung für die untere und mittlere Führungsebene in Unternehmen gibt es nicht.

„Wenn das Tempo, mit dem die Frauenanteile steigen, weiterhin derart gering bleibt, wird es noch sehr lange dauern, bis eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern erreicht ist.“

Das bisherige Urteil des „Managerinnen-Barometers 2016“, herausgegeben vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), fällt nicht sehr gut aus: „Die Entwicklung gleicht einem Ritt auf der Schnecke“, sagt Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies im DIW Berlin. „Wenn das Tempo, mit dem die Frauenanteile steigen, weiterhin derart gering bleibt, wird es noch sehr lange dauern, bis eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern erreicht ist.“

„Eine ausgewogene Repräsentation von Frauen und Männern in den Spitzengremien der deutschen Wirtschaft bleibt in weiter Ferne“, heißt es in einer Pressemitteilung des DIW. Und weiter: „In den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen lag der Frauenanteil Ende des Jahres 2015 bei gut sechs Prozent – ein Anstieg von weniger als einem Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahr. Die Aufsichtsräte waren zwar zu immerhin fast 20 Prozent mit Frauen besetzt, allerdings hat sich die Dynamik gegenüber den Vorjahren sogar abgeschwächt.“ 

In Deutschland verdienten Frauen 2015 durchschnittlich 21 Prozent weniger

Das Ungleichgewicht in Bezug auf Positionen wirkt sich auch auf die Bezahlung von berufstätigen Frauen aus. Überall in Europa verdienen Frauen weniger als Männer. In Deutschland verdienten Frauen im Jahr 2015 durchschnittlich 21 Prozent weniger. Im Osten Deutschlands lag der Unterschied bei acht Prozent, im Westen bei 23 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass Frauen nach wie vor eher schlechter bezahlte Berufe ergreifen, zum Beispiel in der Pflege, mehr in Teilzeit und in Minijobs arbeiten, um sich neben dem Job um die Kinder kümmern zu können (siehe künstliche Gebärmutter), und schließlich auch daran, dass nach wie vor die meisten Spitzenpositionen mit Männern besetzt sind.

Bemerkenswert ist übrigens, dass die oben genannten feministischen Utopien – obwohl sie den klassischen Kriterien für Utopien entsprechen – an vielen politikwissenschaftlichen Lehrstühlen in Deutschland nicht zum Kanon der wichtigen Werke gehören. Während andere – von Männer verfasste – Utopien wie zum Beispiel „Utopia“ (1516) von Thomas Morus, „Der Sonnenstaat“ (1602) von Tommaso Campanella, „Schöne neue Welt“ (1932) von Aldous Huxley, „1984“ (1948) von George Orwell oder „Ökotopia“ (1975) von Ernest Callenbach – als Klassiker der politischen Theorie gelten. Für die feministische Science-Fiction ist das noch Zukunftsmusik. Aber wer weiß, wie lange noch.

Laurie Penny: „Babys machen und andere Storys". Aus dem Englischen von Anne Emmert. Edition Nautilus, Hamburg 2016, 19,90 Euro

Marlene Halser, 38, leitet das Ressort taz2 Medien und hat gerade ihre Liebe zu feministischen Utopien entdeckt. Sie findet, diese sollten endlich als das gesehen werden, was sie sind: ernstzunehmende Staats- und Gesellschaftstheorie.