Im April zählte die Bundesagentur für Arbeit die geringste Arbeitslosigkeit seit 1991: 2,8 Millionen Menschen waren ohne Arbeit. Vergleichbar ist die Arbeitslosenzahl aber nicht mit jener von 1991, denn jede Bundesregierung kann aufgrund rechtlicher Regelungen ein Stück weit selbst entscheiden, wen sie als arbeitslos definiert und wen nicht. Die Arbeitslosenzahl sagt nach Meinung von Kritikern zudem nur begrenzt aus, wer einen Arbeitsplatz hat, von dem er oder sie zumindest einigermaßen gut leben kann. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) etwa kritisiert, die Zahl der Beschäftigungslosen werde von der Bundesregierung möglichst kleingerechnet.

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cms-image-000045821.jpg (Illustration: Frank Höhne)
(Illustration: Frank Höhne)

Johannes Jakob ist Arbeitsmarktexperte beim DGB. Er sagt: Aus der Arbeitslosenzahl werden bestimmte Gruppen herausgerechnet, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden und Arbeit suchen. Aussagekräftiger sei ein Blick auf die Gruppe der Unterbeschäftigten. Dazu gehören zusätzlich zu den 2,8 Millionen Arbeitslosen auch Menschen über 58 Jahre, die seit mehr als einem Jahr Arbeitslosengeld II beziehen und kein Jobangebot mehr erhalten haben, sowie Menschen, die an bestimmten Weiterbildungen teilnehmen. „Wer an einer Aktivierung oder Weiterbildung teilnimmt oder älter als 58 Jahre ist, sucht Arbeit und steht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Deshalb müsste er eingerechnet werden“, fordert DGB-Experte Jakob. Als offiziell nicht arbeitslos gelten außerdem die sogenannten Ein-Euro-Jobber. Auch die Grünen und die Partei Die Linke hatten diese Regelungen in der Vergangenheit kritisiert.

Rechnet man all jene ohne Arbeit zusammen, die derzeit nicht als Arbeitslose und somit Suchende zählen, aber unterbeschäftigt sind, dann ergibt sich für den April die Zahl von 3,7 Millionen Unterbeschäftigten. Die Bundesagentur für Arbeit erhebt diese Zahl, sie wird jedoch weit weniger verbreitet als die Arbeitslosenzahl. Johannes Jakob kritisiert: „Es schaffen nicht genügend Arbeitslose den Sprung in den Arbeitsmarkt.“ Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sagt zur Kritik des DGB: „Die Vorhaltungen sind nicht neu, sie werden in regelmäßigen Abständen von verschiedenen Seiten wiederholt. Sie verkennen jedoch geltendes Recht bezüglich der Frage, wer bei uns als arbeitslos gilt.“ Ebenso werde die Tatsache, dass selbstverständlich neben der Arbeitslosigkeit im strengen, engeren Sinne auch die Unterbeschäftigung minutiös Monat für Monat durch die Bundesagentur  für Arbeit ausgewiesen werde, zwar gerne genutzt, „dann aber in einen Manipulationsvorwurf umgemünzt“. Von fehlender Transparenz könne jedoch keine Rede sein.Johannes Jakob ist Arbeitsmarktexperte beim DGB. Er sagt: Aus der Arbeitslosenzahl werden bestimmte Gruppen herausgerechnet, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden und Arbeit suchen. Aussagekräftiger sei ein Blick auf die Gruppe der Unterbeschäftigten. Dazu gehören zusätzlich zu den 2,8 Millionen Arbeitslosen auch Menschen über 58 Jahre, die seit mehr als einem Jahr Arbeitslosengeld II beziehen und kein Jobangebot mehr erhalten haben, sowie Menschen, die an bestimmten Weiterbildungen teilnehmen. „Wer an einer Aktivierung oder Weiterbildung teilnimmt oder älter als 58 Jahre ist, sucht Arbeit und steht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Deshalb müsste er eingerechnet werden“, fordert DGB-Experte Jakob. Als offiziell nicht arbeitslos gelten außerdem die sogenannten Ein-Euro-Jobber. Auch die Grünen und die Partei Die Linke hatten diese Regelungen in der Vergangenheit kritisiert.

Es gibt eine Zahl, die international besser vergkleichbar ist

Viele Medien vermelden die offiziellen Arbeitslosenzahlen, ohne sie einzuordnen, auch die ARD. Die „Tagesschau“ zum Beispiel verweist zwar in einem älteren Text auf die Schwächen der Berechnung, gibt in einem aktuellen Bericht aber die staatliche Lesart unkommentiert wieder.

Im Unterschied zur Arbeitslosenzahl der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht das Statistische Bundesamt seit 2005 die Erwerbslosenzahl, ein Wert, der sich aus dem sogenannten Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ergibt. Diese Zahl ist international besser vergleichbar und kann nicht durch ein Gesetz einer Regierung in Deutschland verändert werden. Weil aber bereits eine bezahlte Arbeit ab einer Wochenstunde als Erwerbstätigkeit gezählt wird, sagt die Erwerbslosenzahl wenig über die Qualität der Beschäftigung aus. Einen umfassenden Überblick zur Messung von Arbeitslosigkeit gibt es hier.

Felix Ehring arbeitet als freier Journalist. Bei der Recherche wurde ihm von Zahl zu Zahl klarer: Ob es nun um Armut, Geburten, Arbeitslosigkeit oder Klimaschutz geht – Interessengruppen führen eine teilweise erbitterte Debatte um die Deutungshoheit dieser Zahlen. Und: Einige Journalisten vermelden amtliche Zahlen einfach, ohne sie zu hinterfragen und einzuordnen. Dabei gilt für jede Zahl: Sie sagt nicht nur etwas aus, sie verschweigt auch etwas.