Am 20. September 2020 hat ein internationales Journalist*innetzwerk seine Recherchen zu den sogenannten „FinCEN Files“ veröffentlicht. Demnach sollen Großbanken weltweit jahrelang wissentlich Geld von Kriminellen in Umlauf gebracht haben. Aber wie genau funktioniert Geldwäsche überhaupt? Dieser Fluter-Text aus dem Jahr 2017 erklärt's euch. 

Kein Geringerer als Al Capone soll den Ausdruck „Geldwäsche“ geprägt haben. Der Boss der Bosse aus der Unterwelt von Chicago, verantwortlich für Schmuggel, Erpressung und Raub, fand sich 1931 vor Gericht wieder. Angeklagt wurde er wegen Steuerhinterziehung.

„Ich bin im Wäscherei-Business tätig“ - Al Capone

Gefragt nach seinem Beruf, soll Al Capone geantwortet haben: „Ich bin im Wäscherei-Business tätig.“ Tatsächlich betrieb der Mafiosi Waschsalons, um Mafiageld einen legalen Anstrich zu geben. Auch wenn Al Capones Antwort vor Gericht nicht zweifelsfrei belegt ist, gilt er gemeinsam mit anderen Mafiosi seiner Zeit, etwa dem „Finanzminister der Unterwelt“ Meyer Lansky, als Erfinder der Geldwäsche.

Capone und Lansky sind schon lange tot, aber das von ihnen erdachte Modell lebt fort, in der Realität wie auch auf dem Bildschirm. Der vom Lehrer zum Drogenbaron mutierte Walter White kauft in „Breaking Bad“ gemeinsam mit seiner Frau Skyler eine Auto-Waschanlage. Da verbucht Skyler, allein im Raum vor der Kasse sitzend, Zahlungseingänge von Kunden, die niemals ein Auto haben waschen lassen. Wenn neugierige Nachbarn oder das Finanzamt nun nachfragen, woher das unscheinbare Ehepaar so viel Geld hat, können Mr. und Mrs. White auf die Kunden ihrer Waschanlage verweisen. Wer kann schon nachweisen, dass es die nie gegeben hat?

Mit welcher Methode die Geldwäscher ihre Scheinchen auch säubern, das Ziel bleibt das gleiche: Illegal erwirtschaftetes Geld, egal ob durch Steuerhinterziehung oder Drogengeschäfte, soll durch die Verschleierung seiner Herkunft legalisiert werden. Auf einer kleineren Ebene als jener der großen Bosse Al Capone und Walter White kann beispielsweise ein Drogendealer 100 Euro bei mehreren Fußballwetten investieren, bei denen er jeweils mit einem kleinen Betrag auf den Favoriten setzt und somit kaum Gewinn machen kann – aber auch nicht viel Verlust. Selbst wenn er am Ende des Spieltages nur noch 50 Euro übrig hat, sind es saubere 50 Euro, die er bei der Wette gewonnen hat, die er also auf sein Konto einzahlen und erklären kann. Da die Wettanbieter nicht fragen, woher das Geld für den Einsatz stammt, ist dem Geldwäscher auf diesem Wege kaum nachzukommen. 

Deutschland gehört zu den EU-Ländern, in denen schätzungsweise über 100 Milliarden Euro jährlich gewaschen werden könnten

International agierende Verbrecher und die Eliten vor allem autokratisch regierter Länder waschen ihr Geld gern hier: „Deutschland ist ein sicherer Fluchthafen für das Geld von Kleptokraten und Despoten“, erklärt Markus Meinzer vom Tax Justice Network. Von Herrschern also, die sich auf Kosten anderer bereichern. Das unabhängige Netzwerk von Experten beschäftigt sich mit Geldwäsche, Steuervermeidung und Finanzintransparenz. Vor allem die „fehlende Transparenz im Immobiliensektor“ mache es den ausländischen Geldwäschern oft leicht, ihr illegal erbeutetes Geld in Häuser in Deutschland anzulegen.

Dabei kauft beispielsweise eine auf Zypern registrierte Firma ganz legal eine Villa in Deutschland. Der wahre Besitzer dieser Firma bleibt im Hintergrund und damit ebenso nebulös wie der Ursprung seines Geldes. Laut einer für die Europäische Union angefertigten Studie der Universität Utrecht zählt Deutschland zu den EU-Ländern, in denen schätzungsweise über 100 Milliarden Euro jährlich gewaschen werden könnten. Das gilt auch für Frankreich, Großbritannien und Belgien. Eine Studie von Kai Bussmann von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommt auf einen ähnlichen Betrag. Weltweit sollen laut Bussmann zwei bis fünf Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts gewaschen werden.

Die Problematik ist also bekannt. Das in diesem Jahr in Kraft getretene Anti-Geldwäsche-Gesetz soll jetzt Abhilfe schaffen. Sein Kern ist ein Transparenzregister. Mithilfe dieses Registers soll es möglich werden festzustellen, wer der wahre Besitzer einer Firma oder eines ganzen Firmengeflechts ist, auch wenn diese Person eigentlich im Hintergrund bleiben möchte. Das Gesetz richtet sich gegen sogenannte Briefkastenfirmen, die ihren Sitz – meist zum Schein – in einem für sie steuerlich günstigen Land registrieren lassen. Das ist für die Geldwäscher auch interessant, weil in diesen Ländern die Gesetze es oft unkompliziert und ohne große Prüfung zulassen, eine Firma zu gründen. Sie lassen dann irgendjemand anderen als Besitzer eintragen. Von dieser Scheinfirma, die auch nur ein Postfach sein kann, können dann im großen Stil fingierte Rechnungen gestellt und so Geld „gewaschen“ werden. 

Die Register sind auch mit dem neuen Gesetz nicht öffentlich – beziehungsweise nur bei berechtigtem Interesse – einsehbar. „Hier wurde eine Chance verpasst“, findet Experte Meinzer. Journalisten hätten etwa sehr hohe Hürden, ein solches Register einzusehen, wenn sie einem vielleicht kriminellen Netzwerk auf der Spur sind. „Das bietet sogar die Möglichkeit, den Stand der Recherchen zu erfahren und die Journalisten auszuhorchen“, sagt Meinzer. Pressevertreter müssten demnach, um das Register einsehen zu können, ihre Informationen preisgeben.

Das Problem wird totgeschwiegen

Warum Deutschland, obwohl die Probleme bekannt sind, von Experten als „beliebter Geldwäscheort“ beschrieben wird, ist nicht leicht zu erklären. So sagt es auch Markus Henn, der sich für die Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung mit Fragen der Globalisierung beschäftigt. Er vermutet, dass Deutschland „nicht als schmutzig“ gelten wolle. Die Sorge um das eigene Image verhindere demnach effektive Lösungen. Das Problem wird also totgeschwiegen. Dabei komme vor allem bei Mafiaprozessen in Russland und Italien häufig ans Licht, dass Kriminelle aus diesen Ländern ihr Geld häufig in Deutschland in den legalen Wirtschaftskreislauf überführen. Henn bezeichnet das neue Anti-Geldwäsche-Gesetz zwar als „Schritt in die richtige Richtung“, moniert aber: „Die Umsetzung ist dürftig, die Behörden sind personell zu schlecht ausgestattet.“

Dass Geldwäsche auch international ein heikles Thema ist, hat zuletzt der Fall von Rafael Márquez gezeigt. Er gilt als einer der besten Fußballer Mexikos, hat mit dem FC Barcelona die Champions League gewonnen – und soll nun für ein Drogenkartell Gelder in den USA waschen, unter anderem mithilfe einer Fußballschule und einer Stiftung. Márquez selbst bestreitet die Vorwürfe. Wenn sie wahr sind, wäre er mitverantwortlich für die kriminellen Machenschaften des Kartells. Der Präsident von Márquez’ Heimat Mexiko, Enrique Peña Nieto, hat Geldwäsche einmal als „Sauerstoff“ bezeichnet: Ohne sie geht Kriminellen die Luft aus.

Titelbild: Jan Q. Maschinski