Die Erderwärmung ist kein Mensch. Klingt banal, ist aber sehr bedeutsam. Zum Beispiel für Ioane Teitiota, der in Neuseeland Asyl für seine Familie und sich gesucht hat, weil seine Heimat, der Inselstaat Kiribati, im Meer zu versinken droht. Der Antrag wurde abgewiesen, denn als Flüchtling gilt nur, wer vor einem menschlichen Verfolger flieht. Und die Erderwärmung ist nun mal kein Mensch.

Dabei haben Wetterkatastrophen wie Fluten, Dürren und Stürme dazu geführt, dass seit 2008 mehr als 140 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Das sagt die NGO Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC). Bis 2050 sollen es verschiedenen Experten zufolge mindestens 200 Millionen sein – auch wegen des Klimawandels.

Statt von Klimaflüchtlingen sprechen Politiker lieber von „klimainduzierter Migration“. Das klingt fast, als verließen diese Menschen ihre Heimat freiwillig. Und das heißt auch: Wer Asyl sucht, weil im Pazifik Inseln versinken oder in der afrikanischen Sahelzone die Ernte vertrocknet, darf abgeschoben werden. Dabei hat ja die westliche Industrialisierung durch den vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen entscheidend zur Erderwärmung beigetragen.

Wie aber sollen diese Menschen überhaupt den Nachweis erbringen, dass der Klimawandel ihre Flucht verursacht hat? „Die Wissenschaft ist dazu nicht in der Lage“, sagt Staatsrechtler Walter Kälin von der 2012 gegründeten Nansen-Initiative, die den Zusammenhang von Migration und Umweltkatastrophen untersucht. Selbst wenn es den Status „Klimaflüchtling“ gäbe, könnten solche Asylgesuche leicht abgewiesen werden, so Kälin. Außerdem benachteilige der Begriff jene, die vor Naturkatastrophen wie Erdbeben fliehen.

Am ehesten lässt sich der Zusammenhang zwischen Klima und Flucht noch für Inselstaaten herstellen, die allmählich im Meer versinken. Doch die Menschen dort, berichtet Kälin, scherten sich nicht um den Flüchtlingstitel. Stattdessen forderten sie Maßnahmen: solche, die den Schaden der Klimaerwärmung möglichst gering halten, solche, die ihnen dabei helfen, möglichst lange auf ihren Inseln bleiben zu können, und solche, um im Ernstfall gut vorbereitet auswandern zu können. Die Nansen-Initiative, in der sich auch Deutschland engagiert, will deshalb eine erfahrungsbasierte Schutzagenda erstellen. Sie soll regeln, wie die internationale Gemeinschaft am besten mit Menschen umgeht, die trotz aller Vermeidungsstrategien wegen extremer Wetterereignisse ihre Heimat verlassen müssen.

Übrigens: Neuseeland hat 2014 einer Familie vom Inselstaat Tuvalu Asyl gewährt. Auch diese Menschen waren gekommen, weil sie die Folgen des Klimawandels fürchteten. Klimaflüchtlinge gibt es offiziell nicht, daran ändert auch dieses Urteil leider nichts.

Land unter

Eine ganz eigene Strategie verfolgt Anote Tong. Der Präsident von Kiribati hat Land auf Fidschi gekauft. Sicher ist sicher. Denn 26 Zentimeter mehr sind wahrscheinlich, schlimmstenfalls könnten es auch 82 werden – bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Vergleich zum Ende des vorigen Jahrhunderts. Das sagt der Weltklimarat über den Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels.

Die wichtigsten Ursachen: Aufgrund der Erderwärmung dehnen sich die Ozeane aus, gleichzeitig schmilzt das Landeis ab. Das betrifft vor allem Insel- und tief liegende Küstennationen, von denen sich 44 zur Allianz kleiner Inselstaaten zusammengeschlossen haben. Sie fordern eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf maximal 1,5 Grad Celsius, sonst könnten schon einzelne Flutwellen ihren Lebensraum zerstören. Genau wie andere klimabedingte Wetterextreme – Wirbelstürme, Starkregen, Dürren – und die Versauerung der Ozeane. Der Staat Kiribati mit seinen 104.000 Einwohnern besteht aus 32 Atollen und einer Insel, die mehrheitlich keine zwei Meter über dem Meeresspiegel liegen. Der Klimawandel macht sich dort bereits bemerkbar: Erosionen, Flutwellen, steigender Meeresspiegel.

Wenn es so weitergeht, dürfte Kiribati eines der ersten Länder sein, das buchstäblich untergeht. Auch deshalb hat Präsident Anote Tong die rund 20 Quadratkilometer Land auf Fidschi gekauft. „Wir hoffen, dass wir nicht alle auf diesem Stück Land unterbringen müssen“, sagte Tong einer Nachrichtenagentur. Eigentlich sei es eher als Einnahmequelle wie etwa für die Landwirtschaft gedacht. Kritiker halten das Ganze für eine Publicity-Aktion, die Aufmerksamkeit auf die Belange Kiribatis lenken soll. Auch die Malediven wollten einst Territorium in Indien oder Australien kaufen. Mittlerweile schütten sie ihre Inseln mit Sand auf.