Es klang so vielversprechend: bessere Ernten, bessere Qualität, weniger Pestizide. Das „weiße Gold“ Burkina Fasos werde noch wertvoller, wenn die Bauern erst die neue Baumwolle auf ihren Feldern anbauen würden. Das versprach Monsanto, der USamerikanische Hersteller dieses genetisch veränderten Saatguts, den Baumwollfarmern in Burkina Faso. Wobei es genauer gesagt ein Versprechen an die Regierung des westafrikanischen Landes war. Denn die Bauern selbst wurden nie befragt, als Monsanto 2003 mit der autokratischen Regierung um den damaligen Präsidenten Blaise Compaoré ein Abkommen über die Einführung genetisch veränderter Baumwolle traf.

Lange war Baumwolle das wichtigste Exportgut des bitterarmen Landes. Zwar hat inzwischen echtes Gold aus den Minen im Norden Burkina Fasos das „weiße Gold“ als wichtigstes Exportprodukt abgelöst. Doch mit rund 700.000 Tonnen in der Saison 2015/16 ist Burkina Faso noch immer der größte Baumwollexporteur Afrikas. Rund 250.000 Kleinbauern pflanzen in dem Land Baumwolle an. Insgesamt sind gut zwei Millionen Menschen im Baumwollsektor beschäftigt, das ist etwa jeder neunte der über 18 Millionen Burkiner.

Mit der genetisch veränderten Bt-Baumwolle von Monsanto sollte das Leben für die Bauern besser werden. Bt ist die Abkürzung für „Bacillus thuringiensis“, ein Bakterium, dessen Gift die gefräßigen Raupen der Baumwoll-Kapseleule, eines Nachtfalters, tötet. Monsanto schaffte es, das für die Giftproduktion zuständige Gen in Baumwollpflanzen zu übertragen und sie dazu zu bringen, das Gift selbst herzustellen. Die Bt-Baumwolle schützt sich so selbst vor einem ihrer gefährlichsten Fressfeinde.

Die Bt-Baumwolle kam bei vielen Bauern gut an – mittlerweile ist die Stimmung gekippt

2008 wurde Bt-Baumwolle erstmals auf Feldern in Burkina Faso angebaut. Bereits 2013 wuchs die neue Sorte auf 70 Prozent aller Baumwollfelder des Landes. Die Bt-Baumwolle kam bei vielen Bauern gut an. Tatsächlich stiegen in den ersten Jahren die Ernteerträge. Statt wie früher bis zu sechs Mal pro Saison mussten die Bauern die Bt-Baumwolle nur noch zwei Mal mit Pestiziden spritzen. Das spart nicht nur Arbeit, sondern schont auch die Gesundheit, weil die Pestizide giftig sind. Viele Bauern machten größere Profite, obwohl das Saatgut für Bt-Baumwolle deutlich teurer ist als die Samen der konventionellen Sorten.

Doch nun scheinen sich die Hoffnungen zerschlagen zu haben. Burkina Faso hat nach Massenprotesten, einem gescheiterten Putschversuch und einer demokratischen Wahl im vergangenen Jahr einen neuen Präsidenten – und eine veränderte Einstellung zur Bt-Baumwolle. Kürzlich äußerte sich der neue Präsident Roch Marc Kaboré zu einem Problem, das auf den Baumwollfeldern seines Landes sichtbar wird: „Die Baumwolle, die wir heute produzieren, ist kurz geworden.“ Zu kurz. Kaboré sprach von den weißen Samenhaaren der Baumwolle, welche die Pflanze nach der Blütephase ausbildet und aus denen später die Fasern gesponnen werden. Nur lange Samenhaare eignen sich für die Herstellung von Kleidung, da sich aus ihnen glatte und stabile Fasern spinnen lassen. Die Samenhaare der Bt-Baumwolle in Burkina Faso aber werden von Jahr zu Jahr kürzer. Die Textilindustrie verlor das Interesse an der nun minderwertigen Baumwolle aus Burkina Faso. Eine Katastrophe für das arme Land. Die baumwollverarbeitenden Firmen in Burkina Faso bleiben auf den mangelhaften Fasern sitzen. Die Entwicklungswissenschaftler Brian Dowd-Uribe und Matthew Schnurr, die sich für einen Beitrag in der Fachzeitschrift „African Affairs“ mit der Bt-Baumwolle beschäftigt haben, zitieren anonym einen leitenden Mitarbeiter der burkinischen Baumwollindustrie: „Was nützt es, Topproduzent zu sein, wenn man seine Baumwolle nicht verkaufen kann?“

Nun hat der Verband der burkinischen Baumwollproduzenten reagiert. In der kommenden Saison soll die Ausgabe des Bt-Saatguts an die Bauern auf einen Anteil von 30 Prozent reduziert werden. Spätestens 2018 soll dann wieder ausschließlich konventionelle Baumwolle auf den Feldern wachsen. Eine komplette Kehrtwende innerhalb von nur zehn Jahren. Außerdem hat der Verband den Hersteller der Bt-Baumwollsaat, den US-Konzern Monsanto, auf umgerechnet rund 74 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Die Verluste der Unternehmen seien innerhalb einer Saison von 60 Millionen Euro auf über 75 Millionen Euro gestiegen. „Wenn das so weitergeht, graben wir uns ein immer tieferes Grab“, klagt Wilfried Yaméogo, Manager bei einem der burkinischen Baumwollproduzenten. Monsanto-Sprecher William Brennan erwiderte, die Verkürzung der Samenhaare könne auch bei konventionellen Sorten auftreten. Das Problem sei nicht allein genetisch, sondern auch klimatisch bedingt. Sein Kollege Kobus Steenekamp, Monsanto-Manager in Südafrika, warf der burkinischen Regierung vor, sie vernachlässige die Bauern mit ihrer „sehr dramatischen und schwerwiegenden Entscheidung“, die Bt-Baumwolle aus dem Land zu verbannen. Die Entscheidung könnte allerdings Signalwirkung für den ganzen Kontinent haben. In 28 Ländern Afrikas werden jährlich etwa 1,3 Millionen Tonnen Baumwolle produziert, das sind rund 4,6 Prozent der weltweiten Baumwollernte – was aber 15 Prozent des weltweiten Baumwollexports ausmacht. Staaten wie Uganda, Kenia und Ghana wollen demnächst entscheiden, ob sie Bt-Baumwolle anbauen.

Eigentlich unnötig, aber das teure Saatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden

Auch viele Bauern sind die Bt-Baumwolle inzwischen leid. Bei ihnen waren die Ernteerträge bereits im zweiten und dritten Jahr nach Einführung der Bt-Baumwolle teils drastisch zurückgegangen. Außerdem erwies sich die Bt-Baumwolle als sehr anfällig für Dürren, wie sie in Burkina Faso immer wieder auftreten. Wenn die Keimlinge in der Hitze eingehen, müssen die Bauern erneut aussäen. Bei Bt-Baumwolle ist das besonders bitter. Denn das Bt-Baumwoll-Saatgut für einen Hektar kostet 60 Dollar, das konventionelle Saatgut für dieselbe Fläche nur zwei Dollar. Die Bt-Baumwolle hat noch mehr Nachteile. Bislang nutzten Bauern die nach der Ernte übrig gebliebenen konventionellen Baumwollsamen, um daraus Öl zum Kochen zu pressen oder sie an ihr Vieh zu verfüttern. Ein paar Samen behielten sie, um sie im nächsten Jahr auszusäen. Genau das aber verbietet Monsanto; das teure Saatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden. Vor allem in armen Ländern kann das den Bauern zum Verhängnis werden, da sie womöglich höhere Schulden machen müssen. Immer wieder gibt es Berichte aus Indien, wo sich schon Baumwollbauern das Leben nahmen. Manche Gentechnikkritiker machen die Schuldenfalle bei genetisch veränderten Sorten für die Selbstmorde verantwortlich.

„Mit gentechnisch veränderten Pflanzen wird alles teuer“, klagt auch die Nichtregierungsorganisation GRAIN, die Kleinbauern in Ländern des globalen Südens berät und burkinische Bauern zu ihren Erfahrungen mit Bt-Baumwolle befragt hat. GRAIN und viele burkinische Bauern begrüßen die Entscheidung, wieder auf konventionelle Baumwolle umzusteigen: Bei der konventionellen Baumwolle steigen die Ernteerträge nicht. Aber immerhin bleiben sie über die Jahre stabil.