Manchmal rennt Laura einfach los. Der Laufschritt als Modus Operandi ist passend für ein Alter, wo es ums Aufbrechen geht, auch wenn das Ziel noch nicht ganz feststeht.

Entsprechend pendelt die Teenagerin im tschechischen Film „Ani ve snu!“ („In Your Dreams“) durch strukturbefreite Sommerferientage irgendwo am Stadtrand von Prag. Abhängen mit der besten Freundin im Freibad. Rumlaufen. Labern. Messages ins Smartphone tippen. Lauras Mutter nervt, weil sie mal wieder einen neuen Freund hat, ihr Vater würde lieber mit ihr wandern gehen, raus, in die Natur. Laura aber zieht es in Betonlandschaften und auf stillgelegte Güterbahnsteige, dorthin, wo sich die Parkourläufer treffen – Parkour, ihr wisst schon, dieses akrobatische An-Gebäuden-Hochgesteige und Von-Parkdeck-zu-Parkdeck-Gespringe aus dem Segment der urbanen Freestyle-Sportarten. Wie eine tribale Zusammenkunft sieht es aus, wenn die Parkourclique sich trifft, mit Stammeskleidung (weite Hosen) und -ritualen (das übliche Rumgepose).

Die geleehafte Konsistenz und Vagheit eines Teenager-Sommers

Laura schwärmt für Luky (Toman Rychtera), einen der Anführer, was sehr mädchenklischeehaft ist. Aber gleichzeitig will sie mitmachen, was nun so gar nicht mädchenklischeehaft ist. Ihre Skills sind noch ein wenig ausbaufähig, aber im Ganzen schon gut genug, dass auch Laura einen Verehrer hat: Lex, der immer alles filmt und deshalb dazugehören darf, obwohl er nur so halb so cool und halb so muskulös ist wie die anderen Jungs. Ein noch größerer Nerd ist da wohl nur der Nachbar mit den feuerrot gefärbten Haaren, der sich Elektroden an den Kopf klebt und übers Zeitreisen forscht, aber auch noch seine Bedeutung haben wird. „Ani ve snu!“ hat was über für Außenseiter.

Und dann sind da noch die titelgebenden Träume. Mehrfach hat Laura im Fahrstuhl Black-outs und rutscht in eine symbolgefüllte Welt, die einer Mischung aus tschechischem 60er-Jahre-Märchenfilm und David Lynch gleicht. Dort ist Luky ein Harlekin, der unter einem großen Leuchtturm auf Steilklippen lebt, Laura tritt auch mal als Prinzessin auf. Bis irgendwann die Ereignisse aus den Träumen mit der Wirklichkeit zu korrespondieren beginnen.

An der Stimmung von „Ani ve snu!“ verändert das nichts. Petr Oukropec hat einen Atmosphärenfilm gedreht, der die geleehafte Konsistenz und die Vagheit eines Teenager-Sommers spürbar macht; durch den treibenden, leicht trippigen Ambient-Soundtrack, durch die verläppernden Dialoge, durch die Farben, die warm und kalt zugleich wirken. Ein märchenhaftes Kinoerlebnis.

„In Your Dreams!“ („Ani ve snu!“), Tschechien/Slowakei/Bulgarien 2016; Regie: Petr Oukropec, Buch: Egon Tobiáš, mit Barbora Štikarová, Toman Rychtera, Ivan Martinka, Veronika Pouchová; 79 Minuten