Sie nicht!" Das wäre seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 die beste Art, einem Bewerber abzusagen, meint Ingrid Wilder*, Personalreferentin eines privaten Krankenhausbetreibers: ohne Angabe von Gründen.An manchen Tagen bearbeitet die 33-Jährige bis zu fünfzig Anfragen für eine Stelle. Seit es das AGG gibt, ist das komplizierter geworden: "Bei jeder Bewerbung muss ich dokumentieren, warum jemand geeignet ist oder nicht; ebenso notiere ich Eckdaten des Lebenslaufes.Das alles bewahre ich fünf Monate auf." So lange könnte ein abgelehnter Bewerber gegen das Unternehmen klagen.Ob das mit dem Datenschutz zu vereinen sei, bezweifelt Wilder, doch als Vertreterin eines Arbeitgebers muss sie beweisen können:Wir haben nicht diskriminiert.

Das AGG schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung.Niemand darf in seiner Erwerbstätigkeit, unabhängig von der beruflichen Position, aufgrund von "Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft,des Geschlechts,der Religion oder Weltanschauung,einer Behinderung,des Alters oder der sexuellen Identität" benachteiligt werden,so das Ziel des Gesetzes.So darf zum Beispiel ein orthodoxer Jude,der sich als Erzieher in einem katholischen Kindergarten bewirbt, nicht mehr aufgrund seines Glaubens abgelehnt werden."Nur wenn eine Julia für die Inszenierung von Romeo und Julia gesucht wird",so Wilder, "darf man das in der Stellenausschreibung formulieren. Und einen männlichen Bewerber gegebenenfalls ablehnen." 

Das Gesetz habe am Arbeitsplätzeangebot bislang nichts verändert, meint Ottmar Schader,Pressesprecher der Agentur für Arbeit in München.Die Arbeitsvermittler weisen jedoch Unternehmen auf das AGG hin, wenn ihnen in Aufträgen zur Stellenbesetzung offensichtliche Verstöße auffielen.In bestimmten Fällen sei es außerdem notwendig, mit dem Arbeitgeber direkt Kontakt aufzunehmen. Ohne eine solche Rücksprache würde ein Vermittler nach wie vor einem Mann nicht empfehlen, sich als Geschäftsführer eines Frauenverbands zu bewerben.

Das AGG verändert auch bestehende Arbeitsverhältnisse. "Wird ein farbiger Einkäufer beispielsweise von einem Kunden aufgrund seiner Hautfarbe angegangen,ist es die Pflicht des Unternehmens,den Mitarbeiter zu schützen. Das geht so weit, dass sogar der Kontakt zum Kunden abgebrochen werden kann, das könnte in diesem Fall der farbige Einkäufer von seiner Firma verlangen", erklärt Wilder. Beförderungen, soziale Vergünstigungen oder Urlaubstage, die sich in vielen Unternehmen bislang auch auf das Lebensalter oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit stützten, müssen neu begründet werden, etwa durch besonderes Engagement in internen Projekten. Schader sieht besonders für künftige Generationen Positives am AGG: "Geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten kann sich dadurch verändern.Natürlich passiert das nicht von heute auf morgen,aber junge Menschen müssen sehen, dass sie auch später in ihren Branchen eine Beschäftigung finden. Einen Krankenpfleger gab es vor 20, 25 Jahren nicht;heute gilt dieser Job als etwas Selbstverständliches.Ähnlich ist es mit dem Beruf der Polizistin." Als Beispiel für den möglichen Wandel nennt der 47-jährige Schader die IT-Branche. "Derzeit sind dort zehn Prozent Frauen beschäftigt, es wird über einen Mangel an hochqualifizierten Studienabsolventen geklagt.Da kann es nur sinnvoll sein, dass in technischen Fächern der Branchenanteil von Frauen höher wird; das würde auch den Fachkräftemangel mindern."

Noch ist in Deutschland kein Fall bekannt, "doch man muss kein Prophet sein,um vorherzusagen,dass abgewiesene Bewerber mit dem Gesetz im Rücken gegen Diskriminierung vorgehen werden",meint Schader.Davon geht auch Ingrid Wilder aus. Immerhin kann sie sich nicht vorstellen, dass in Deutschland ein Mann die Rolle der Julia in einer Shakespeare-Aufführung vor Gericht erstreiten möchte. 

*Name von der Redaktion geändert