Im Jahr 2010 wurde das Haus des Schauspielers Kapil Sharma in Bombay von einer Menge aufgebrachter Anhänger der BJP, einer hindunationalistischen Partei, belagert. Sie forderten ein Verbot des Films „Dunno Y... Na Jaane Kyun“, in dem Sharma die Hauptrolle spielte, und hofften dieser Forderung offenbar durch persönlichen Druck auf den hauptverantwortlichen Künstler mehr Gewicht zu verleihen.

Kapil Sharma, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, spielte im Film einen verheirateten Mann, der unerwartet seine Liebe zu einem anderen Mann entdeckt und seine Frau verlässt. Undenkbar für die Traditionalisten: Es sollte im Film gezeigt werden, wie zwei Männer sich küssen! Was ja nicht nur in Indien immer noch als anstößig gilt. Es sei an dieser Stelle an die Kontroverse erinnert, die Ang Lees Cowboyfilm „Brokeback Mountain“ 2005 in den USA auslöste.

Trotz aller Schwierigkeiten und begleitender Dramen – der zweite Hauptdarsteller Yuvraaj Parashar wurde gar von seinen Eltern verstoßen – kam Sharmas Film damals ins Kino. Nach Europa schaffte er es dagegen nicht, anders als das Nachfolgewerk „Dunno Y 2 – Life Is a Moment“, das im letzten Jahr produziert wurde und jetzt nach dem DVD- auch einen regulären Kinostart in Deutschland erlebt.

Bollywood liebt exotische Schauplätze wie Norwegen – umso besser, wenn dort zwei Männer heiraten können

„Life Is a Moment“ wurde in Norwegen gedreht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen liebt das Bollywood-Kino exotische Schauplätze. Mittlerweile dürfte das indische Publikum aber die ewigen Schweizer Alpenwiesen gründlich satt haben. Da ist es eine schöne Abwechslung, das tanzende und singende Personal mal vor einen tiefblauen Fjord oder ein traditionelles rotes Holzhäuschen stellen zu können. Aber vor allem: Es gehört sich einfach so, dass in einem ordentlichen Bollywoodfilm am Ende geheiratet wird. Und wo können zwei Männer heiraten? In der Schweiz nicht. Aber in Norwegen!

Und so ist „Life Is a Moment“ der erste norwegische Bollywoodfilm geworden, als echte binationale Koproduktion. So wie dem Regisseur Sanjay Sharma (Bruder von Kapil) bei der Regie die Norwegerin Tonje Gjevjon zur Seite steht, so sind auch zahlreiche Nebenrollen mit Norwegern besetzt. Das Norwegen dieses Films scheint überwiegend von Lesben bevölkert, und auch die – real existierende – „Hungry Hearts Pin-Up Performance Band“, die lesbische Themen auf die Agenda setzt, wird ordentlich gefeaturet. Die Texte, das nebenbei, sind teilweise sogar auf Deutsch. „Ich liebe dich, du liebst mich“ ist deutlich zu verstehen. Aber singen sie wirklich „die große Fickerei“? Nun ja, der indische Zensor wird das eh nicht verstanden haben.

Die Handlung ist schnell nacherzählt. Der Pakistaner Ayan fliegt nach Norwegen, um dort eine sehr hübsche Pakistanerin zu heiraten, mit der er glücklich verlobt ist. Da die Braut auf Shoppingtour in London weilt, nutzt Ayan die Gelegenheit, sich in einer Schwulensauna ein wenig zu amüsieren, und trifft dort einen ebenfalls sehr hübschen Inder, dessen Liebesdienste er für drei Tage kauft und sich dabei rettungslos verliebt. Befreundete norwegische Lesben unterstützen natürlich die Beziehung, die im Übrigen ganz nebenbei auch noch den indisch-pakistanischen Konflikt in Liebe auflöst. In der pakistanischen Verwandtschaft dagegen bricht das schiere Entsetzen aus. Kann und wird Ayan zu seinen Gefühlen stehen?

Echte Bollywoodware: kitschige Dialoge, überzeichnete Figuren, schrille Tanz- und Gesangseinlagen

Natürlich ist dies kein Film für Cineasten. Er ist echte Bollywoodware mit so unechten wie kitschigen Dialogen, überzeichneten Figuren, schrillen Tanz- und Gesangseinlagen (mit Fjord im Hintergrund) und eben der obligatorischen Hochzeit am Schluss. Super, wenn man das so mag. Aber selbst, wenn nicht: Die filmische Kombination aus nordischer Coolness und indischer Buntheit ist allein optisch sehr sehenswert. Wie hochpolitisch das Ganze eigentlich ist und dass auch dieser zweite Teil von „Dunno Y...“ in Indien nur haarscharf die Zensur passierte, sieht man der burlesk-verspielten Liebesgeschichte nicht an.

Im Übrigen wurde für den indischen Markt eine andere Version geschnitten als für den europäischen Kinostart; vermutlich mit mehr Tanzerei und weniger Schwulensauna. Und doch: Es ist eine tolle Sache, wenn LGBT-Themen mittlerweile, bei allen Schwierigkeiten, am Rande des Bollywood-Mainstreams mitschwimmen können. Und zugleich ist eine Koproduktion wie diese ein äußerst charmanter Beleg für die schönen Seiten der Globalisierung.

„Dunno Y 2 – Life Is a Moment“, Regie/Buch: Sanjay Sharma, Tonje Gjevjon, mit: Kapil Sharma, Yuvraj Parashar, Sadia Khan, Meera, Nary Singh, Ingeborg Kolle, 98 Minuten