Ich arbeite nun schon seit zwölf Jahren als Lehrerin in Hamburg. Meine Schüler sind hauptsächlich Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren. Seit ungefähr sechs Jahren bin ich bei Facebook registriert und kommuniziere dort auch mit einigen Schülern.

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cms-image-000048522.jpg (Collagen: Renke Brandt)
(Collagen: Renke Brandt)

Ich habe mir seitdem eigentlich nie die Frage gestellt, ob ich womöglich die nötige Distanz zu meinen Schülern aufgebe, wenn ich mit ihnen auf Facebook befreundet oder über WhatsApp mit ihnen in Kontakt bin. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich mit manchen meiner Schüler mehr Zeit verbringe als deren Eltern.

Natürlich weiß ich um die Kritik, die es an Facebook gibt. Das thematisieren wir auch in der Medienerziehung an unserer Schule und halten die Schüler dazu an, sich gut zu überlegen, was sie auf Facebook an persönlichen Details über sich bekannt geben. Aber es wäre auch weltfremd, Jugendlichen heute die Benutzung der großen sozialen Netzwerke ausreden zu wollen. Wenn ich mit ihnen dort kommuniziere und eine behutsame Nutzung vorlebe, erreiche ich mehr.

Da ich viele Projekte mit Schülern koordiniere, etwa Filmprojekte, Malaktionen und eine Schülerfirma, die Caterings veranstaltet, sind Facebook oder WhatsApp schon sehr praktische Hilfsmittel, um Informationen möglichst schnell weiterzuleiten. Innerhalb der geschlossenen Gruppen können dann Fragen und Wünsche ausgetauscht werden, und man muss nicht jeden einzeln anrufen oder in der Schule suchen und ansprechen. Zudem bietet Facebook sich an, wenn es um Werbung für eine Veranstaltung oder für unsere Schülerfirma geht. Man erreicht über diese Medien viel mehr Menschen und kann sich die Kosten für Flyer sparen.

„Ich mache kein Geheimnis aus meinem Leben“

Ich persönlich habe noch nie die Erfahrung gemacht, dass Schüler die Gelegenheit nutzen, via Facebook Böses über mich zu veröffentlichen oder mich in meiner Freizeit zu belästigen. Ohnehin bin ich dem ja nicht wehrlos ausgeliefert: Ich kann selbst entscheiden, was ich von mir persönlich preisgebe. Ich kann Kontakte löschen, wenn ich kein gutes Gefühl bei der Sache habe. Und ich bin selbst dafür verantwortlich, wie oft ich meinen Computer oder mein Handy nach Nachrichten überprüfe. Ich bin eben nur dann erreichbar, wenn ich erreichbar sein will.

Meine Schüler wissen alle, dass ich ein Privatleben habe. Veröffentliche ich wirklich mal Bilder von der Familie oder von privaten Erlebnissen, interessiert sie das kaum – zumindest haben sie mich noch nie darauf angesprochen oder derartige Postings kommentiert. Wahrscheinlich ist es auch weniger interessant, da ich kein Geheimnis aus meinem Leben mache.

Wozu auch, ich bin weder besonders wichtig, noch habe ich brisante Informationen. Da ich glaube, über einen gesunden Menschenverstand zu verfügen, ist mir klar, dass ich nur ausgewählte Bilder oder Informationen verbreiten kann, aber dabei geht es mir weniger um meine Schüler als um die Tatsache, dass diese Informationen im Netz gespeichert bleiben.

„Die Lehrerrolle verändert sich“

Um die Frage nach Nähe oder Distanz von Lehrern und Schülern wird meines Erachtens zu viel Aufhebens gemacht. Da sich die Lehrerrolle sowieso stetig verändert, man heute nicht mehr der reine Wissensvermittler ist, sondern Begleiter und oft auch Bezugsperson, gibt es meiner Meinung nach immer weniger Lehrer, die ihren Job nur im Schulgebäude erledigen und danach ein anderer Mensch sind. Die meisten meiner Kollegen engagieren sich zusätzlich zum Unterricht und versuchen, Schülern den Spaß an Schule und Lernen neu zu vermitteln. Insbesondere schwierige Schüler brauchen da starke und konstante Beziehungsarbeit. Und dafür eignen sich unter anderem die sozialen Netzwerke, da sie die Kommunikation einfach machen.

Frau Müller hat mein Selfie gelikt!! – Auf Facebook befreundet sein mit der Lehrerin? Da gehen die Meinungen auseinander

Posted by fluter.de on Freitag, 11. März 2016

Dass sich Schüler gezwungen fühlen könnten, diese Medien zu nutzen, da sie sonst von bestimmten Informationsgruppen ausgeschlossen werden könnten, habe ich bisher auch nicht erlebt. Ab und zu gibt es Schüler, die sich dem aus Datenschutzgründen verweigern. Die rufe ich dann eben persönlich an oder spreche mit ihnen in der Schule. Ein Verbot finde ich unsinnig, da man mit seinen Schülern ohnehin in irgendeiner Form in Kontakt steht. Und wer eben gerne kumpelhaft ist, soll das doch bitte sein dürfen. Was ist so schlimm daran, wenn man ein entspanntes Verhältnis zu den Menschen hat, die einen täglich umgeben.

„Man nennt das 'Neue Autorität'“

Deswegen muss nicht gleich der Respekt verloren gehen. Autorität geht nicht durch Nähe oder eine größere Vertrautheit verloren, im Gegenteil. Je mehr Beziehungsarbeit ich leiste, umso respektvoller und verständnisvoller sind die Schüler mir gegenüber. Das nennt man die „Neue Autorität“, und die wird als Schulkonzept mittlerweile an vielen Schulen umgesetzt. Es geht hierbei nicht um „Pseudofreundschaften“, sondern um eine neue Umgangsweise miteinander.

Wen das stört, der kann sich dem ja entziehen, indem er oder sie sich distanziert – und auch den sozialen Netzwerken eine Absage erteilt.

Dorothea Kleffner (43) arbeitet an der Kurt-Tucholsky-Stadtteilschule in Hamburg Altona. Sie unterrichtet Deutsch, Gesellschaftskunde und Kunst. Zusätzlich bietet sie Film-, Mal- und Theaterprojekte an und organisiert eine Schülerfirma. Sie ist Mutter von drei Kindern und hat eine Vollzeitstelle.

Schülerin Lia gibt Lehrerin Dorothea Contra: Eine offene Atmosphäre ist durchaus angenehm, außerhalb der Schule sollten aber beide Seiten auf ihre Privatsphäre achten