Computerspiele und Politik: Das passt für viele immer noch nicht zusammen. Dabei wird in Spielen, wie in jedem anderen Medium, seit jeher auch Politisches verhandelt – mal sehr plakativ, mal eher subtil. Und heute mehr denn je. Im März 2017 fand unter dem Eindruck der Wahl von Donald Trump der erste ResistJam statt, bei dem mehr als 200 kleine Spiele und Prototypen entstanden, die sich mit Themen wie Rassismus, politischer Widerstand oder Diversität beschäftigen. Doch auch jenseits von Veranstaltungen wie dem ResistJam setzen sich viele Spiele mit politischen und sozialen Fragen auseinander. Wir stellen fünf aktuelle Beispiele vor.

Rassismus: „The Cat in the Hijab“

Nach dem Brexit-Referendum häuften sich Berichte über fremdenfeindlich motivierte Angriffe in Großbritannien. Ähnliches war in den USA nach Donald Trumps Wahlsieg zu beobachten. Was das für Betroffene heißt, zeigt das ResistJam-Spiel „The Cat in the Hijab“. Die titelgebende kopftuchtragende Katze ist in der U-Bahn Vorurteilen und Beleidigungen ausgesetzt. Die reichen vom vermeintlich aufgeklärten Hinweis, sie müsse das Kopftuch „bei uns“ nicht tragen, bis zu offen rassistischen Attacken. Die Katze kann versuchen, die Angriffe zu ignorieren oder sich verbal zur Wehr setzen, mit wenig Erfolg – und auf sich allein gestellt. Denn auf einen Täter kommen viele Unbeteiligte, die nicht eingreifen. Das Spiel zeigt, wie wichtig Solidarität mit denen ist, die marginalisiert und diskriminiert werden.

https://andyman404.itch.io/the-cat-in-the-hijab (PC, Mac, Linux, englisch, kostenlos)

Überwachung: „Orwell“

In diesem Politthriller werden wir im Auftrag eines fiktiven Landes zum Schnüffler: Mithilfe einer Spähsoftware, die ironisch nach dem Autor des Romans „1984“ benannt ist, sammeln wir Informationen, um herauszufinden, wer für eine Serie von Bombenanschlägen verantwortlich ist. Ausgewertet wird dabei öffentlich Zugängliches wie Websites und soziale Medien ebenso wie private E-Mails, Telefonate oder die Daten auf Rechnern und Smartphones. Mit rasanter Geschwindigkeit wächst die Datenmenge – und zugleich das Netzwerk an Menschen, die betroffen sind, ob als Verdächtige oder zufälliger Beifang.

Die Geschichte von „Orwell“ ist so nah an aktuellen politischen Diskussionen und Ereignissen, dass sie unweigerlich unter die Haut geht. Das vielfach ausgezeichnete Spiel stellt wichtige Fragen über das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit in einer Demokratie und regt zum Nachdenken über das eigene Verhalten im Netz an: Was gebe ich online über mich preis – und wer kann diese Informationen missbrauchen?

http://www.osmotic-studios.de/ (PC, Mac, englisch, ca. 9,99 €)

Erwerbsarmut: „Diaries of a Spaceport Janitor“

Spiele lassen uns in andere Rollen schlüpfen und die Welt aus einer ungewohnten Perspektive erleben. Dadurch können sie das Einfühlungsvermögen fördern und Aufmerksamkeit für soziale und politische Probleme schaffen. Das macht etwa „Diaries of a Spaceport Janitor“, ein buntes Indie-Spiel über eine außerirdische Straßenreinigungskraft. Die Straßen des Weltraumhafens vom Müll zu befreien ist ziemlich harte Arbeit. Spätestens wenn die Protagonistin Hunger bekommt, wird klar, dass sie von ihrem mageren Gehalt trotzdem kaum leben kann. Statt zu den Delikatessen der Straßenhändler muss sie meist zu eintönigem Fast Food aus dem Automaten greifen. Rücklagen zu bilden ist fast unmöglich. Durch den Handel mit dem Müll, den sie aufsammelt, kann sie ein bisschen was hinzuverdienen, was ihren Arbeitsalltag aber noch anstrengender macht. Trotz seines fröhlich-bunten Science-Fiction-Szenarios ist das Spiel eine kluge Auseinandersetzung mit Erwerbsarmut und sozialer Ungleichheit.

http://www.tinybuild.com/diariesofaspaceportjanitor (PC, Mac, englisch, ca. 9,99 €)

Falschmeldungen: „Fake it to Make it“

Eine der großen Herausforderungen der Demokratie im Zeitalter digitaler Medien ist der Einfluss von Fake News auf die politische Willensbildung. „Fake it to Make it“ will das Problem mit spielerischer Aufklärung angehen. In dem Browserspiel müssen wir ein erfolgreiches Fake-News-Angebot aufbauen. Dafür stümpern wir Pseudonachrichten zu brisanten Themen zusammen, versehen sie mit einer reißerischen Überschrift und streuen sie über geeignete Kanäle. Um die Glaubwürdigkeit der Beiträge zu erhöhen, können wir etwa unterstützende Tweets platzieren, geklaute Fotos verwenden, die unsere Meldung scheinbar bestätigen, oder fiktive Quellen zitieren. Im Idealfall wird unsere Meldung viral und die Kasse klingelt.

Natürlich will das Spiel keine Anleitung für Fake News Marke Eigenbau sein. Es will vielmehr vermitteln, wie solche Meldungen entstehen und verbreitet werden, warum sie so gefährlich sind und wieso es nicht nur um politische Einflussnahme, sondern auch um viel Geld geht.

http://www.fakeittomakeitgame.com/ (im Browser spielbar, englisch, kostenlos)

Protestbewegungen: „Catalyst“

In dem ResistJam-Spiel „Catalyst“ gilt es, eine undefinierte Bedrohung aufzuhalten, die sich der Stadt nähert. Dafür müssen sich ihr möglichst viele Bewohner entgegenstellen, doch die wollen erst einmal überzeugt werden und zwar mithilfe eines kleinen Reaktionsspiels. Nur wenn wir dabei erfolgreich Herz, Verstand und ihren Sinn für Gerechtigkeit ansprechen, schließen sich die Menschen dem Widerstand an. Das ist ziemlich schwer, zumal die Zeit drängt und auch ein erfolgreicher Protest nur einen kleinen Aufschub bietet, bevor die Gefahr zurückkehrt.

Das abstrakte Konzept ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich politische Botschaften in die Spielmechanik übertragen lassen. So wie wir im Spiel jeden Bürger mühsam von unserer Sache überzeugen müssen, ist die politische Mobilisierung von Menschen auch in der Realität kein Selbstläufer. Und selbst wenn politischer Protest erfolgreich war, sind Freiheit und Demokratie nie für immer garantiert, sondern müssen immer wieder aufs Neue verteidigt werden.

https://thelucre.itch.io/catalyst (PC, Mac, Linux, englisch, kostenlos)