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Diversität ist in der Modewelt ein großes Thema. Aber wie ernst ist es der Branche damit?

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POC Models, Backstage

Als Donyale Luna 1966 als erstes Schwarzes * Model auf dem Cover der britischen „Vogue“ erschien, löste das eine politische Debatte aus. Mittlerweile sind Schwarze  und Models of Color häufiger auf Fashion-Shows und Werbefotos zu sehen. Doch die Frage, wie divers die Branche tatsächlich ist, polarisiert noch immer. So löste beispielsweise die deutsche Ausgabe der Modezeitschrift „Elle“ im Herbst 2019 einen Shitstorm aus, weil sie in dem Heft mit dem Titel „Back to black: Schwarz ist wieder da!“ nicht nur schwarze Kleidung, sondern auch eine Seite mit Schwarzen Models präsentierte. Im Netz kritisierten daraufhin einige, dass Schwarzsein von dem Modemagazin nur als Trend gesehen werde. Andere wiederum hielten die Aufregung für übertrieben.

Darf Diversität ein Trend sein?

So oder so wird deutlich, wie politisch das Thema Diversität in der Modebranche ist. Das beschäftigt auch Sadé Itani, die lieber nur Sadé genannt werden möchte und neben ihrem Job als Sozialpädagogin als Model arbeitet. Lange Zeit wurde die 27-Jährige kaum gebucht: „Die Konkurrenz ist hart. Und ich entspreche nicht dem Bild des typischen Models. Das ist in Deutschland noch immer weiß, groß, schlank und blond.“ Sadé hingegen ist 1,61 Meter groß, Schwarz und trägt Hijab, das islamische Kopftuch. Die Berlinerin fühlt sich oft nicht akzeptiert. Beispielsweise wenn sich ein Kunde meldet, dem ihr Gesicht für eine Kampa­gne gut gefallen würde, dann aber fragt, ob sie nicht ihr Kopftuch für das Shooting abnehmen könnte. Man sei sich nicht sicher, wie das sonst ankomme. Für Sadé undenkbar, denn für sie ist ihr Kopftuch ein wichtiger Teil ihrer Identität: „Es gibt bei uns so viele Mädchen mit Kopftuch, die sollten sich auch in der Mode wiederfinden.“ 

 

Seit circa zwei Jahren bekommt sie mehr Anfragen. Einerseits weil sie jetzt besser vernetzt ist, aber auch weil die Branche diverser sein will. Vor allem Models of Color, insbesondere Schwarze, sind in den letzten Jahren stärker gefragt. Das hängt auch mit der Black-Lives-Matter-Bewegung zusammen, die in den letzten Jahren immer lauter geworden ist. Während auf den Laufstegen der New York Fashion Week im Herbst 2015 nur 22,6 Prozent Models of Color waren, hat sich deren Zahl in der Herbstsaison 2020 fast verdoppelt auf 43,6 Prozent. Das zeigt der „Diversity Report“ der US-amerikanischen Internetplattform The Fashion Spot.

Die Casting-Direktorin Dominique Booker sucht für ihre Kunden weltweit nach den passenden Models. Dafür bekommt sie vor jedem Auftrag ein Briefing, in dem steht, wie alt das gewünschte Model sein soll, welches Geschlecht und – oft auch – welche Herkunft es haben soll. Booker, die selbst Schwarz ist, beobachtet das steigende Interesse an Schwarzen Models kritisch. Sie befürchtet, dass Firmen und Labels die Models nicht immer aus echtem Inte­resse wählen, sondern weil sich Diversität gerade so gut vermarkten lässt: „Es ist kein Fortschritt, Schwarze Menschen plötzlich unreflektiert auf alle Cover zu setzen.“ Vielmehr müsse sich die Branche ernsthaft damit auseinandersetzen, was Diversität bedeutet. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Vielfalt. Im sozialwissenschaftlichen Diskurs bezieht sich das auf verschiedene Kategorien wie Alter, Hautfarbe, Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierungen oder auch Behinderungen. Gesellschaftliche Diversität ist also weitaus mehr als Hautfarbe.

Forderungen, dass die Modeindustrie vielfältiger werden soll, gibt es schon lange. Denn sie beeinflusst, was wir als schön oder auch „normal“ empfinden. Wie umstritten diese normativen Schönheitsideale sind, zeigen die öffentlichen Debatten zu „Plus Size“, Genderrollen und kultureller Vielfalt in der Modebranche.

Diversität muss nicht nur auf, sondern auch hinter dem Laufsteg eine Rolle spielen

Booker stört auch, wie stereotyp Diversität häufig noch dargestellt wird, beispielsweise wenn Schwarze Models speziell für Sportwerbung gefragt sind. Dies führe dazu, dass Rollenbilder immer wieder reproduziert werden, wie etwa das Stereotyp des stets sportlichen Schwarzen Menschen. Zwar kann sie ihren Kunden zusätzliche Vorschläge machen, von denen sie denkt, dass sie passender sein könnten, allerdings passiert das nur in Ausnahmefällen. Gerade Werbekunden haben oft sehr gefestigte, an ihr Konzept gelehnte Vorstellungen. Nicht selten ist das für Booker sehr frus­trierend. Ihrer Meinung nach darf Diversität nicht nur im Vordergrund ein Thema sein, sondern muss auch hinter den Kulissen verstärkt eine Rolle spielen. Es sei nicht ausreichend, diverse Models zu casten, auch der Aufbau der Teams und Firmen sei maßgeblich für eine Veränderung.

Sadé hat inzwischen ihren eigenen Weg gefunden. Obwohl sie viele Anfragen bekommt, modelt sie weiter nur nebenberuflich, damit sie sich bewusst die Jobs aussuchen kann, bei denen sie für den Kunden nicht nur ein „diverses“ Aushängeschild ist. Außerdem hat sie zusammen mit zwei Freundinnen die Agentur Blackhead Concepts gegründet, die Künstlern mit verschiedenen Hintergründen eine Plattform bietet. Die Agentur setzt Kampagnen und Castings um und will Aufklärungsarbeit zu Rassismus und Diversität in der Modebranche leisten. Sadé hofft, so die Welt der Mode mitzugestalten: „Unsere Generation ist laut. Wir sehen, dass die Gesellschaft vielfältig ist, und das soll auch in der Mode repräsentiert werden.“

Repräsentation ist ein zentrales Stichwort in der Debatte um Diversität. Dahinter steckt der Wunsch, dass sich die verschiedenen Menschen unserer Gesellschaft auch in der Mode vertreten fühlen. Das erreicht man jedoch nicht, indem man sich nur auf eine Gruppe fokussiert, weil das gerade Trend ist. Es geht auch nicht darum, in jede Modekampagne möglichst viele diverse Menschen zu packen, um sich abzusichern und sich dann nicht mehr kritisch hinterfragen zu müssen. Diversität ist kein Ablasshandel. Stattdessen lohnt es vielleicht, in der hitzigen Debatte einmal innezuhalten und den betroffenen Menschen selbst eine Stimme zu geben. So hat beispielsweise die deutsche „Vogue“ 2019 eine Onlineserie gestartet, in der unter anderem Models, Designer, Stylisten und Fotografen of Color über ihre Rassismuserfahrungen berichten. Und in diesem Jahr zeigte Imane Ayissi als erster Designer aus Subsahara-Afrika seine Entwürfe bei der renommierten Haute-Couture-Woche in Paris. Er ist übrigens erst der dritte Modeschöpfer aus Afrika, der seine Kollektion dort vorstellen durfte.

Titelbild: Rosdiana Ciaravolo/Getty Images

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