Wir schreiben das Jahr 1936, in Spanien tobt ein Bürgerkrieg, ausgetragen zwischen der demokratisch gewählten Volksfrontregierung der Zweiten Spanischen Republik und den rechtsgerichteten Putschisten unter General Francisco Franco. Der junge ungarische Fotograf Robert Capa macht Bilder für das französische Magazin „VU“, darunter eines, das ihm zu weltweiter Berühmtheit verhelfen wird. Ein „loyalistischer Soldat im Moment des Todes“ ist laut Capa auf dem Bild zu sehen, in dem Moment fotografiert, als ihn während der Schlacht von Cerro Muriano 1936 eine Kugel in den Kopf trifft.

„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran“ war das Credo Robert Capas, ein noch heute von Fotografielehrern gern zitierter Satz. Was Capa ebenfalls gesagt haben soll: „Die Wahrheit ist das beste Bild.“ Dieser hehre Anspruch bekommt Kratzer, glaubt man dem spanischen Professor José Manuel Susperregui, der in seinem Buch Schatten der Fotografie erklärt: „Die Landschaft um Cerro Muriano sieht ganz anders aus.“Das Bild ging um die Welt, es wurde zu einem Symbol der Friedensbewegung. Doch in den vergangenen Jahrzehnten traten immer wieder Zweifel an seiner Authentizität auf. Kritiker behaupten, die Szene sei gestellt. Schwere Vorwürfe gegen einen der ersten und bekanntesten Kriegsfotografen überhaupt.

Dass das Bild Anfang September 1936 entstanden ist, gilt Experten zufolge als gesichert. Die Schlacht in Cerro Muriano hatte aber schon im August 1936 stattgefunden, zu einem Zeitpunkt, als Robert Capa noch in Barcelona weilte. Susperregui glaubt, dass Capa das Foto in Espejo aufnahm – etwa 50 Kilometer von der Frontlinie entfernt. Der Ort Espejo aber befand sich Anfang September 1936 in den Händen der linken Republikaner, und es sind weder Berichte von Kampfhandlungen noch Meldungen von Toten an diesem Ort in diesem Zeitraum überliefert. Daher kommt der spanische Professor zu der Vermutung, dass der Milizionär auf dem Foto in Wirklichkeit gar nicht tödlich getroffen wurde. Vielmehr ist anzunehmen, dass sein Tod wie bei einem Fotoshooting inszeniert wurde.

Dass Capa einige der verbliebenen Freiheitskämpfer posieren ließ, bestätigt auch sein Biograf Richard Whelan. Allerdings schreibt er, dass ein Scharfschütze der Faschisten den „loyalistischen Soldaten“ wirklich erschossen habe.

Im Dezember 2007 sorgte dann der Sensationsfund des „Mexican Suitcase“ für Aufregung in der Fotografieszene: Ein alter Koffer mit 4.500 Negativen von Capa, Gerda Taro und Chim (David Seymour) war in Mexiko aufgetaucht, und kurz hoffte man auf die Klärung der Frage nach der Authentizität des fallenden Soldaten. Doch leider vergebens. Das dazugehörige Negativ war nicht mit im Koffer.

So bleibt bis heute nur eines sicher: Robert Capa hat mit seinen Bildern vom Spanischen Bürgerkrieg, von der Landung der Alliierten an der Küste der Normandie im Zweiten Weltkrieg, aus Nordafrika und Israel Fotogeschichte geschrieben. Sein letzter Auftrag führte ihn 1954 nach Indochina. In Ausübung seiner Berufung trat er dort auf eine Landmine und starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.

Tobias Kruse reist seit vielen Jahren mit der Kamera durch die Welt und ist Mitglied der Fotoagentur Ostkreuz. Aus eigener Erfahrung kann er sagen, dass es in der Praxis ziemlich schwer ist, die Grenze zwischen Dokumentation und Inszenierung zu ziehen – denn oft verändert allein die Anwesenheit des Fotografen die Wirklichkeit.