Auf dem Straßenmarkt in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, sind Plastiktüten ein heiß begehrtes Gut. Denn seit 2008 ist es in dem kleinen ostafrikanischen Land illegal, Polyethylentüten herzustellen, sie zu importieren, zu verkaufen oder sogar zu benutzen. Wer erwischt wird, zahlt schnell mal hohe Bußgelder; den Ladenbesitzern, die Plastiktüten ausgeben, drohen Haftstrafen von sechs bis zwölf Monaten. „Wie sauber es hier ist“, schwärmte eine Reporterin in der britischen Zeitung „The Guardian“ über ihren Besuch in Ruanda. Schon an der Grenze musste sie ihre Dreckwäsche anders verstauen, nachdem die Beamten ihre drei Plastiktüten konfisziert hatten.

Plastiktüten sind biologisch nicht abbaubar, sondern zerfallen in immer kleinere Teile, wodurch Zusätze wie Weichmacher oder Flammschutzmittel freigesetzt werden können und ins Ökosystem gelangen. Angesichts dieser Umweltfolgen – und auch, da sie die Abwasserkanäle während der Monsunzeit verstopften und das Überschwemmungsrisiko erhöhten – zog Bangladesch im Jahr 2002 die Reißleine und verbot Plastiktüten; Nachbar Bhutan hatte sogar schon 1999 ein Verbot erlassen, Ruanda folgte wenige Jahre später.

Und nach und nach regte sich auch in den konsumstarken Ländern der Widerstand: In China sind schon seit 2008 besonders dünne Beutel verboten, Kalifornien hat Anfang Oktober ein Gesetz gegen Einwegtüten erlassen. Und in Deutschland soll Kiel bald plastiktütenfrei werden, das hat der Stadtrat im September beschlossen.

Aber: Was bringt so ein Verbot überhaupt? „Papiertüten sind zwar ökologisch abbaubar, verbrauchen aber unterm Strich mehr Energie, Wasser und Chemie bei der Herstellung“, sagt Thomas Fischer von der Nichtregierungsorganisation Deutsche Umwelthilfe. Keine Optimallösung also, aber immerhin eine Alternative. Und die müsse man unbedingt anbieten, damit sich überhaupt irgendetwas verändert.

Für den Fischhändler Sahabuddin Ahmed aus Bangladesch scheinen Papiertüten keine Alternative zu sein. „Es ist unmöglich, darin frischen Fisch zu tragen.“ Auch Jutebeutel sind für ihn keine Option, weil sie schlichtweg zu teuer sind. Sie kosten rund das Zehnfache einer Plastiktüte. Umweltaktivisten beklagen zudem, dass die verbotenen Polyethylentüten noch immer im Umlauf sind – und das angeblich sogar mit Hilfe von lokalen Behörden – gegen ein bisschen Schmiergeld. Muhammad Maududur Rashid Safdar, Direktor der Umweltbehörde der Stadt Dhaka, versichert: „Wir führen laufend Kontrollen in Geschäften und Fabriken durch, die Polyethylentüten herstellen und verkaufen könnten.“ Die Produktion sei seit deren Einführung als Verpackungsmaterial im Jahr 1982 noch nie so gering gewesen.

Wie geleckt sehen die Straßen in vielen Teilen Kigalis in Ruanda aus. Das einstige Bürgerkriegsland hat sich zu einem Vorzeigeschüler der Vereinten Nationen gemausert – als eines der saubersten und fortschrittlichsten Postkonfliktländer in Afrika. An seiner Spitze steht Paul Kagame, der das Land mit autoritärer Hand regiert und nur wenige Kritiker zulässt. So wird auch in Sachen Plastiktütenverbot hart durchgegriffen – etwa an den Grenzen zu den Nachbarländern. Dort wird sogar das in Plastik verpackte Toastbrot in Papiertüten umsortiert.

Da auch der Schwarzmarkt in Ruanda immer weiter wächst, sollen nun vor allem die Händler verfolgt werden: „Wir wollen Inspektoren einsetzen, die nicht nur Plastiktüten beschlagnahmen, sondern auch die Dealer festnehmen können“, sagte ein Mitarbeiter der ruandischen Umweltmanagementbehörde der Tageszeitung „New Times“. Aber nicht nur Strafen sollen die Problematik der Tüten ins Bewusstsein rücken. Seit einigen Jahren wird Kindern in Schulen erklärt, wie gefährlich so ein paar Gramm Polyethylen sind. Und dort hören sie vielleicht auch, dass die Industriestaaten verglichen mit all diesen Bemühungen echte Entwicklungsländer sind.

Marion Bacher volontiert bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) im Fachbereich Multimedia.