Wenn Fußballfans rebellieren: Bei Fortuna Köln sitzen die Anhänger jetzt virtuell auf der Trainerbank. 

Als der Getränkehersteller Red Bull den Erstligisten Austria Salzburg übernimmt, haben einige Fans genug. Sie gründen ihren Verein neu. Mit dem starten sie lieber in der untersten Liga, statt das Kunstprodukt Red Bull Salzburg zu unterstützen. Und in England organisieren sich die Anhänger des FC Liverpool, um ausländischen Investoren Club-Anteile abzukaufen. 

Das Verhältnis zwischen Fußballvereinen und Fans ist vielerorts angespannt. Die zunehmende Kommerzialisierung und mangelndes Mitspracherecht zerstören in den Augen vieler Anhänger langjährige Traditionen und Fankultur. Und die Basis wehrt sich: Immer mehr Fans schließen sich zusammen und nehmen die Geschicke ihres Vereins in die Hand. Die Sehnsucht nach mehr Mitsprache scheint groß zu sein. Das Bündnis Aktiver Fußball Fans (BAFF) etwa macht derzeit mobil gegen seiner Meinung nach fanfeindliche Anstoßzeiten.

„Eine schleichende Entfremdung zwischen den großen Vereinen und ihren Anhängern“, stellt Matthias Mink auch in Deutschland fest. Der 40-jährige ehemalige Profi trainiert seit einem Jahr Fortuna Köln. Dort proben die Anhänger seit April den Aufstand, und der Verein unterstützt sie sogar dabei. Die Idee der Aktion: Der Fußball kehrt zu den Fans zurück. Die sollen per Internet den ehemaligen Zweitligisten managen, der mittlerweile in den Niederungen der fünften Liga zu Hause ist. Die Initiatoren des Projekts deinfussballclub.de (dfc) versuchen, eine virtuelle Gemeinschaft von 30 000 Freizeit-Managern aufzubauen. Wenn dieses Ziel erreicht ist, zahlen die Fans einen Jahresbeitrag von 40 Euro und haben dafür das Sagen. 

Das Vorbild für dieses Projekt stammt aus England. Beim Fünftligisten Ebbsfleet United geben seit Februar mehr als 28 000 Fans den Ton an. Sie entscheiden online über Aufstellung, Taktik und Management des Clubs. In Köln sollen die User darüber abstimmen, wie sich die Vereinshymne anhört, wo das nächste Freundschaftsspiel stattfindet und welcher Sponsor das Trikot ziert. Anders als bei der englischen Vorlage soll Fortuna-Coach Mink aber weiter das letzte Wort bei der Aufstellung haben, erklärt dfc-Initiator Dirk Daniel Stoeveken. „Alles andere wäre unseriös. Schließlich ist der Trainer am nächsten an der Mannschaft dran.“ Die User fungieren als Co-Trainer. Vor jedem Spiel bekommt der Coach die Wunschelf der Community mitgeteilt und muss sich für seine Entscheidungen im Chat rechtfertigen. Trainer Mink sieht’s gelassen: „Ich verstehe mich gut mit meinem jetzigen Co-Trainer. Warum sollte das bei 30 000 anders sein?“

Bislang haben sich 6200 Mitglieder als potenzielle Teilhaber des Vereins angemeldet. Auch die Zuschauerzahlen gehen nach oben: In der Hinrunde kamen 400 bis 500 Fans ins Kölner Südstadion, zum Saisonfinale waren es 7000. „Wir überlegen, schon zur kommenden Saison zu starten und nicht auf das 30 000. Mitglied zu warten“, sagt Dirk Daniel Stoeveken. Fest stehe das aber noch nicht. Schließlich müssen vorher die Mitglieder gefragt werden.