Was nehmen Menschen mit, die aus ihrer Heimat fliehen? Das Nötigste – natürlich. Und das, was ihnen am meisten am Herzen liegt – vermutlich. Tom Kiefer war fast vier Jahre lang Hausmeister eines Grenzschutzsamtes in Ajo, Arizona, ehe er 2007 begann, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Kiefer durchsuchte – mit Erlaubnis seiner Vorgesetzten – die Mülltonnen der Behörde nach verpacktem Essen. Die Vorräte, die die Flüchtenden in die Stadt nahe der mexikanischen Grenze mitgebracht hatten und die von der Behörde konfisziert worden waren, spendete er an eine Tafel.
In den Tonnen fand Kiefer neben Lebensmitteln auch persönliche Gegenstände: Schlüssel, Handys, Sonnenbrillen, Kaugummis, Portemonnaies, Kondome, Tabletten – alles, was die amerikanische Grenzkontrollbehörde als „nicht essenziell“ oder möglicherweise gefährlich einstuft und den Flüchtenden abnimmt. Dass es dieselben Gegenstände sind, die die meisten Menschen täglich mit sich herumschleppen – eben weil sie essenziell sind –, irritierte Kiefer. Bis er 2014 seinen Job kündigte, um als Fotograf zu arbeiten, sammelte er Zehntausende Gegenstände und arrangiert sie bis heute für seine Fotos. So dokumentiert Kiefer die Arbeitsweise der Grenzbehörden während der Bush- und Obama-Präsidentschaft.

Neben Schnürsenkeln werden den Flüchtenden auch Gürtel abgenommen: Sie könnten sich selbst oder andere sonst damit verletzen
Unter US-Präsident Donald Trump ist die Grenzpolitik noch mal verschärft worden. Sein Motto: „Zero tolerance.“ Keine Toleranz. Das Versprechen, mit aller Härte gegen illegale Einwanderung an der Grenze zu Mexiko vorzugehen, gab Trump schon im Wahlkampf. Seit Amtsbeginn hat die Trump-Regierung das Asylverfahren mit neuen Regelungen erschwert – vor allem für Familien, für die bis dahin weniger strikte Bedingungen galten.
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Für Frauen ist die Odyssee in die Staaten besonders gefährlich. Schätzungsweise ein Viertel wird auf der Reise sexuell missbraucht. Obwohl diese Pillen ungewollte Schwangerschaften verhindern können, gelten sie als „nicht-essenziell“ und landen im Mülleimer
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Auf die Socken gemacht: Mit dieser Arbeitskleidung wollte wohl jemand seinen Job bei McDonald’s in den USA direkt wieder aufnehmen
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Wer Wüsten durchquert, braucht Wasser. Damit es kühl bleibt, haben die Besitzer DIY-Thermosflaschen hergestellt, die mit Stofffetzen isoliert sind
Im vergangenen Jahr gingen Bilder von Kindern um die Welt, die von ihren Eltern getrennt worden waren. Die Trump-Regierung nahm illegale Einwanderer in Untersuchungshaft. Da die Kinder nicht eingesperrt werden durften, wurden sie von den Eltern getrennt. So wollten die Republikaner gegen ein vermeintliches Schlupfloch in der Asylpolitik vorgehen.
Die sogenannte „Flores-Vereinbarung“ von 1997 legt nämlich fest, dass Kinder und Jugendliche, die ohne Dokumente und Eltern ins Land kommen, nicht länger als 20 Tage inhaftiert werden dürfen. Weil ein Richter 2015 diesen Schutz auf begleitete Kinder und Jugendliche ausweitete, wurden in der Praxis auch die Eltern freigelassen, damit die Minderjährigen nicht auf sich gestellt waren. Nun will Trump die „Flores-Vereinbarung“ aufheben, um die Kinder länger mit ihren Eltern inhaftieren zu können. Dafür benötigt die Regierung die Zustimmung eines Bundesgerichts.
Im Schnitt saßen 2018 täglich 42.000 Asylbewerber in US-Abschiebehaft
Laut der Regierung soll das abschrecken. Trump will durch rabiate Maßnahmen verhindern, dass sich Migrantinnen und Migranten überhaupt erst auf den Weg in die USA machen. Abschrecken sollen wohl auch die komplizierten und langwierigen Asylprozesse. Unter Trumps Präsidentschaft müssen immer mehr Menschen immer länger auf ihre Prozesse warten. Laut einer Studie der Syracuse-Universität in New York standen Ende September 2016 gut eine halbe Million Asylfälle vor Gericht aus. Inzwischen sind es mehr als 900.000. Die Wartezeit für einen Verhandlungstermin steigt. Und diese Wartezeit müssen Asylbewerber, die illegal ins Land gekommen sind, immer öfter in Abschiebehaft verbringen. Im Durchschnitt saßen 2015 täglich etwa 28.000 Asylbewerber hinter Gittern, 2018 stieg die Zahl auf 42.000. Für viele bedeutet das nach wie vor: Handy, Portemonnaie oder Familienfotos bis auf Weiteres abgeben.

Hänsel und Gretel benutzten Brotkrümel, in der Wüste sind Gummienten praktischer: Mit den grellen Objekten markieren die Flüchtenden den besten Weg zur Grenze

Ein überlebenswichtiger Snack auf der Flucht wird an der Grenze zur Schmuggelware. Nahrungsmittel müssen daher dort abgegeben werden

Für gläubige Einwanderer sind ihre Bibeln essenziell. Nur sieht der US-Grenzschutz das ein bisschen anders
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Dieser Plüschaffe war eigentlich als Mitbringsel gedacht …
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… landete aber genauso in Tom Kiefers Archiv wie dieses Malbuch
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Zahnpasta und -bürsten gelten als potenziell gefährlich und werden konfisziert. In der Abschiebehaft haben die Ankömmlinge dann kaum mehr Zugang zu Hygieneartikeln