Er war bei einer Fortbildung für Nachwuchsjournalisten in Berlin, als er die Liste zum ersten Mal sah. Überschrift: „Targeted Journalists“ – und an neunter Stelle sein Name, Itai Mushekwe. Darunter die Anweisung, ihn und 14 andere Personen zu überwachen, festzunehmen und weitere „Maßnahmen“ zu ergreifen. Es handelte sich dabei um ein Dokument des Geheimdienstes von Simbabwe. Präsident Robert Mugabe, der das Land seit Jahrzehnten autokratisch regiert, wünschte vor den anstehenden Wahlen offenbar keine schlechte Presse. Und Itai Mushekwe beschloss, besser nicht mehr nach Simbabwe zurückzukehren.

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Die Namen von 14 Journalisten und darunter die Anweisung, sie zu überwachen, festzunehmen und weitere „Maßnahmen“ zu ergreifen (Foto: PETE MULLER/NYT/Redux/laif)

Die Namen von 14 Journalisten und darunter die Anweisung, sie zu überwachen, festzunehmen und weitere „Maßnahmen“ zu ergreifen

(Foto: PETE MULLER/NYT/Redux/laif)

Mushekwe war damals, im Oktober 2007, erst 23 Jahre alt und gehörte schon zu den bekannten Enthüllungsjournalisten des Landes. Zuvor hatte er Kommunikationswissenschaft und Journalismus in Simbabwes Hauptstadt Harare studiert und dann zunächst meist über Kunst und Unterhaltung geschrieben. Erst beim „Zimbabwe Independent“, einer der wenigen privaten Zeitungen des Landes, fing er an, die Politik von Präsident Mugabe zu seinem Thema zu machen. Rückblickend könnte man sagen, Mushekwe hätte sich den Platz auf der Geheimdienst-Liste mit seinen Enthüllungsgeschichten regelrecht erarbeitet. So zum Beispiel, als er 2007 berichtete, Mugabe habe mehr als eine Million US-Dollar für eine Imagekampagne im Londoner Magazin „New African“ ausgegeben – zu einem Zeitpunkt, als das Land offiziell bereits knapp an Devisen war. „Das war Geld, das für Benzin, Lebensmittel und die medizinische Versorgung hätte ausgegeben werden können“, sagt Mushekwe.

Simbabwe – heute auf Platz 131 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ – gehörte schon damals zu den am wenigsten freien Ländern der Welt. „Das Umfeld ist für kritische Journalisten tödlich“, sagt Mushekwe. Reporter ohne Grenzen berichtet von instrumentalisierten Staatssendern sowie staatlichen Übergriffen auf Medien und deren Mitarbeiter.

Insofern war die aufgetauchte Liste keine Überraschung. Und doch war sie für Mushekwe ein Schock, zumal es auf der Liste ausdrücklich heißt, die zu ergreifenden „Maßnahmen“ würden auch für Journalisten im Exil gelten. „Wir reden hier von erbarmungslosen Menschen, die auch Kriegshelden oder frühere Minister nicht verschonen“, sagt er. „Was erwartet dann einen einfachen Journalisten?“

Heute betont er, wie sehr ihm Reporter ohne Grenzen geholfen habe: mit Unterkunft, Visum und Arbeitsplatz. Dank mehrerer Stipendien konnte er vorerst in Deutschland bleiben. Mushekwe, der 2008 den Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit erhielt, ist seit 2011 auch als politischer Flüchtling anerkannt. Dabei wollte er zunächst gar kein Asyl beantragen. „Ich war dabei, mit anderen jungen Kollegen die erste News-Website des Landes aufzubauen“, erklärt er, „aber wenn es um dein Leben geht, hast du keine Wahl.“

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cms-image-000046012.jpg (Foto: privat)
(Foto: privat)

Der Journalist betrachtet sich als einen Aufklärer, und am liebsten würde er wieder in seiner Heimat arbeiten. So beklagt er auch den Braindrain, zu viele junge Gebildete verließen das Land. Anfang 2014 gründete Mushekwe die Website „The Telescope News“, um damit, wie er sagt, einen Beitrag zur Medienentwicklung des Landes zu leisten. „Die Medien werden eine wichtige Rolle spielen, wenn Mugabe abtritt“, sagt er. Und er ist optimistisch, dass sein Volk bald freiere und wirtschaftlich bessere Zeiten erleben wird – immerhin ist Mugabe schon 91 Jahre alt. „Fünf bis zehn Jahre nach Mugabe wird Simbabwe wieder eine der stärksten Wirtschaften Afrikas haben.“ Bis dahin ist Mushekwe dankbar, in Deutschland bleiben zu dürfen. Außer für „The Telescope News“ arbeitet er momentan an einem Buch über sein Leben als Journalist in Simbabwe und Deutschland.

Lukas Wohner arbeitet neben dem Studium als freier Journalist in Berlin – wenn er nicht gerade fluter-Praktikant ist. Auch wenn's pathetisch klingt: Im Gespräch mit den verfolgten Kollegen wurde ihm klar, wie gut es Journalisten in Deutschland haben.