Afrika ist uns näher und viel bedeutender, als wir wahrhaben wollen. Unsere Wahrnehmung dieses Kontinents ist verstellt durch Ignoranz, Desinteresse und jahrhundertealte Vorurteile. Gerade das subsaharische Afrika findet sich nur sehr begrenzt auf unserem medialen Radar. Dabei lohnt sich der genauere Blick. Immerhin leben in Afrika schon jetzt mehr als eine Milliarde Menschen, fast die Hälfte davon ist jünger als 15 Jahre. Es ist in den letzten Jahren vieles in Bewegung gekommen. Der Ausgang ist offen. Was wäre, wenn die Ansätze zur stabilen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Aufschwung nachhaltig würden? Was sind die Potenziale, die sich hier zeigen? Wer sind die Akteure, welche Kräfte drängen nach vorn? Was sind die größten Hindernisse?

Afrika ist ein Kontinent der Superlative und der extremen Gegensätze. Es hat eine riesige Fläche, hier fließt der längste Fluss, hier wächst die größte Wüste der Erde, es gibt über 3.000 verschiedene Bevölkerungsgruppen, mehr als 2.000 Sprachen. Hier finden sich Staaten mit boomenden Metropolen und stabilem Wirtschaftswachstum und Staaten, die ihre Bürger nicht vor Milizen schützen können und in denen ein Großteil der Bevölkerung jeden Tag weniger als einen Dollar zur Verfügung hat. Es gibt das Versagen der Eliten, Korruption, extremes wirtschaftliches Ungleichgewicht und unfaire Handelsbeziehungen mit dem Westen. Dessen Verantwortung für das bittere koloniale Erbe ist noch längst nicht erledigt. Es gab und gibt Bürgerkriege mit Millionen Opfern, Terrorismus, zerfallende Staaten. Und ökologische Katastrophen, weite Regionen des Wassermangels, die zunehmende Verwüstung riesiger Gebiete.

Afrika ist aber auch im Aufbruch, immer wieder. Wer sucht, findet viele beeindruckende Geschichten von Menschen, die sich organisieren und mit Fantasie und Mut neue Wege gehen. Viele Afrikanerinnen und Afrikaner haben ein großes Selbstbewusstsein und grenzen sich gezielt ab von den ehemaligen Kolonialmächten, von denen sie sich nicht länger bevormunden lassen wollen. Afrika, in all seinen Facetten, steht zunehmend selbst für sich, spricht für sich, entscheidet für sich.

Afrika in einem einzigen Heft darzustellen ist unmöglich. Als Versuch einer Annäherung kann es dennoch Sinn machen, wir haben es in fünf Schritten versucht. Afrika und Europa sind zunehmend aufeinander angewiesen. Gerade in Zeiten der Globalisierung, der immer noch auf Wachstum und extensiven Ressourcenverbrauch getrimmten Volkswirtschaften. Die davon untrennbaren Krisen – Klimaerwärmung und ihre Folgen, weltweite Migrationsbewegungen, Kriege, Terrorismus und extreme soziale Ungleichheit – erfordern dringend neue und gerechtere Formen der Zusammenarbeit. Es wird höchste Zeit, scheinbar ferne und getrennte Herausforderungen zusammen zu sehen, nachhaltige Lösungen und neue Netzwerke in den Blick zu bekommen. Gerade die jungen, sich neu bestimmenden Zivilgesellschaften Afrikas könnten dabei unsere Verbündeten sein. Welche Rolle wird Europa hier spielen? Die Gesellschaften in Afrika bergen ein ungeheures Potenzial, die Zukunft kann ihnen gehören. Ob und wie sie dieses Potenzial abrufen werden, ist noch nicht entschieden. Aber so viel ist klar: Afrika ist unser unverstelltes Interesse wert.