Bis 1975 der Bürgerkrieg ausbrach: In den darauffolgenden 15 Jahren wurde die Stadt zum Synonym für terroristische Anschläge, die friedliche Koexistenz der Menschen einfach weggebombt. Muslime kämpften gegen Christen oder gegen andere Muslime, Palästinenser gegen israelische Soldaten, die 1982 einmarschiert waren. Viele Einwohner verließen die Stadt, Ausländer wurden evakuiert. „Ich erinnere mich an ein amerikanisches Paar, Stammgäste, die unbedingt in Beirut bleiben wollten“, sagt Toriz. „Doch als sie eines Abends aus der Bar nach Hause kamen, war ihr Haus bombardiert worden. Da sind sie lieber gegangen.“ 15 ­Jahre dauerte der Bürgerkrieg, in dem lokale Milizen, regionale Mächte und internationale Truppen Kämpfe und Stell­vertreterkriege ausfochten. Wenn Toriz von dieser Zeit ­erzählt, klingt er fast vergnügt: „Die syrischen Besatzer waren gut fürs Geschäft, die haben viel getrunken, die ­Israelis schlecht, weil sich da wegen des Krieges niemand mehr auf die Straße getraut hat.“Toriz, 51, gehört ebenso zum Interieur der Kneipe wie die verstaubten Flaschen hinter ihm. Jeden Abend steht er hier, schon seit seiner Kindheit, seit die Bar 1964 von seinem Vater und drei Freunden eröffnet wurde. Die Männer waren hauptberuflich Piloten und suchten einen Ausgleich zum ständigen Herumfliegen. Was als privater Club für Freunde begann, entwickelte sich schnell zur kulti­gen Kneipe: Karten spielen, Bier trinken und ab Mitternacht zur Musik singen, so beschreibt Toriz die Atmosphäre von damals – zu einer Zeit, in der Beirut eine der religiös vielfältigsten Städte des Nahen Ostens war, in der Christen, Muslime, Drusen und Juden friedlich miteinander lebten.

Islamisten im Viertel? Dann wird der Whiskey eben in Kaffeetassen ausgeschenkt

Nur einmal musste die Bar kurz schließen, als ­Toriz’ Vater von einer Miliz entführt wurde. Die Kämpfer warfen ihm vor, für die Israelis zu spionieren. Toriz winkt ab: „Das haben wir mit Lösegeld geregelt.“ Schließlich sei niemand in der Bar politisch gewesen. Richtig problematisch wurde es, als 1984 Islamisten das Viertel übernahmen. An einem Nachmittag zogen sie brandschatzend durch die Straßen, Toriz und sein Vater beobachteten, wie sie in der Nähe Kneipen zerstörten. Hektisch versteckten sie den Alkohol. „Die Rettung kam in letzter Minute“, sagt Toriz. „Eine kommunistische Miliz stellte sich den Islamisten in den Weg.“ Von da an seien sie beschützt gewesen.

„Im Krieg lernt man zu improvisieren“, erklärt Toriz. Islamisten im Viertel? Dann wird der Whiskey eben in ­Kaffeetassen ausgeschenkt. Kämpfe auf offener Straße? Dann wird die Bar halt abgeschlossen und die verbliebenen Gäste feiern die Nacht gemeinsam durch. Und an Alkohol habe es in Beirut glücklicherweise nie gemangelt.

Heute wirkt Beirut relativ friedlich im sonst chaotischen Nahen Osten. Doch bettelnde syrische Flüchtlinge in den Straßen erinnern daran, dass Krieg und Terror keine 150 Kilometer entfernt liegen. Toriz sagt, der nächste Krieg im Libanon komme bestimmt. Deshalb habe er auch nie daran gedacht, die Bar aufzugeben. „In der Region ist so viel Chaos, da brauchen die Leute ein bisschen Konti­nuität. Niemand kann sein Leben im Ausnahmezustand verbringen.“

Foto: Tamara Abdul Hadi