Als Wolfgang Jassner und Klaus Jungnickel vor 16 Jahren in einem Büro der IndustrieundHandelskammer Südwestsachsen Platz nahmen, lag bereits ein weiter Weg hinter ihnen.Von Chemnitz aus wollten die Männer mit hochwertiger Designwäsche den deutschen Unterhosenmarkt erobern. Jassner, der Schwabe, hatte einen Werbefachmann in Herrenberg bei Stuttgart beauftragt, dafür einen Namen zu finden, und war mit etwas zurückgekehrt, was nach internationalem Flair klang statt nach Feinripp. Jungnickel, derSachse, hatte die Näherinnen seiner kleinen Textilfabrik auf die neue Aufgabe vorbereitet. Und es war Jassner gelungen, dem Direktor der örtlichen Sparkasse die Zusage für einen Millionenkredit abzuringen, gegen sein Haus auf der Schwäbischen Alb als Pfand. Doch vor dem Schreibtisch eines Mitarbeiters der regionalen Handelskammer erkannten beide, dass das Abenteuer jetzt erst richtig losging. »Bruno Banani GmbH – das geht nicht«, ließder Mann vom Amt wissen. »Sie brauchen einen Zusatz. Nennen Sie Ihre Firma doch Bruno Banani Textilfabrik GmbH.« Gegen die Moderne aus dem Westen musste doch wenigstens ein letzter Rest sächsischer Tradition verteidigt werden. Doch damit war er bei Jassner und Jungnickel an der falschen Adresse, die ließen »bruno banani underwearGmbH« eintragen. »Einen dümmeren Namen hätten Sie wohl nicht finden können«, beschied später der Mann von der Treuhand-Anstalt, die verwaltete, was aus der Blütezeit der Chemnitzer Textilindustrie noch übrig war.   

Vor der Wende war Karl-Marx-Stadt, wie der Ort damals hieß, das Manchester der DDR. Viele Textilbetriebe waren hier angesiedelt, die den Ostblock genauso belieferten wie Westdeutschland. Der Volkseigene Betrieb (VEB) Trikotex produzierte Unterhosen im Auftrag der Traditionsmarke Schiesser, die unlängst Insolvenz anmeldete. Ein Drittel der Bevölkerung war in der Branche beschäftigt. Nach dem Fall der Mauer allerdings sank die Quote rapide, die kleinen Firmen, die aus den VEBs hervorgegangen waren, konnten dem Druck der Marktwirtschaft nicht standhalten. Wolfgang Jasser war zu dieser Zeit als Berater in den neuen Bundesländern unterwegs, davor hatte er 16 Jahre lang ein Textilunternehmen mit 800 Mitarbeitern auf der Schwäbischen Alb geführt. Er versuchte,seine Kollegen mit den Grundregeln des Kapitalismus vertraut zu machen. Er fragte sie: Wie ermittelt man den richtigen Preis für eine Unterhose? Wie funktioniert Marketing? Und wie baut man ein rentables Unternehmen auf? Und bekam kaum Antworten darauf.

Irgendwann traf er Klaus Jungnickel, der sich im Chemnitzer Stadtteil Mittelbach mit seinen 15 Angestellten erfolglos gegen den Untergang stemmte, 1993 ging der Betrieb in Konkurs. Für Jassner war das die Gelegenheit, auf den Resten von Jungnickels Firma eine Marke nach dem Vorbild amerikanischer Wäschekonzerne aufzubauen, die in den 80ern aus bloßen Unterhosen Kultobjekte gemacht hatten. Diese Nische war in Deutschland noch unbesetzt. Am 1. November 1993 meldete Jassner die Firma an. Er hielt 80 Prozent der Anteile und kümmerte sich darum, Bruno Banani bekannt zu machen, Jungnickel bekam 20 Prozent und war verantwortlich dafür, dass die Produktion lief. Vorbild war das Modelabel Calvin Klein, das an den Hüften von Nachwuchsmodels wie Mark Wahlberg berühmt geworden war. Die Zeiten, das hatte Jassner klar erkannt, standen auf Kate Moss und nicht mehr auf Kati Witt. Wenn er von dieser Anfangszeit erzählt, klingt das allerdings weniger nach dem Rock des Aufbruchs als nach solider Volksmusik: »In Deutschland gab es damals nichts, das so war wie der Kallwinn Klein.«

Kate Moss statt Kati Witt

Heute sitzt Jassner im Konferenzraum eines kantigen Gebäudes aus Glas und schwarzemStahl im Gewerbegebiet von Chemnitz. Bereits vor zehn Jahren ist Bruno Banani aus der Mittelbacher Klinkerhalle hierher umgezogen. Jassner trägt ein rotes Hemd und ein blaues Sakko, eine Jeans und flotte Sneaker. Die wenigen noch verbliebenen Silberhaare kräuseln sich um seinen Hinterkopf. Der 67-Jährige sieht etwas müde aus, in seinen Augen schimmert es rot. Doch wenn der Unternehmer alten Schlags, auf dessen Visitenkarte »Dipl.-Betriebswirt Wolfgang Jassner« steht, über die hinter ihm liegenden Jahre spricht, merkt man ihm die Befriedigung darüber an, etwas aufgebaut zu haben, das er einmal seinen Kindern übergeben kann. Mit den hochwertigen Stoffen und dem modernen Design waren die neuen Schlüpfer schnell bei allen beliebt, die darauf hofften, dass etwas vonderen Glamour auf den Träger übergeht. Bruno Banani – das klang nach Giorgio Armani und nach Mailand. Dafür gaben die Kunden gern ein bisschen mehr Geld aus, als für die Unterhemden und Tangas, die im Regal daneben lagen. Weil der Name aber besonders in Anbetracht des anfänglichen Heißhungers auf Südfrüchte im Osten auch ganz andere Assoziationen weckt, war es von Beginn an verboten, die Unterhosen in der Nähe einerBanane zu zeigen – und mit Entwürfen in Gelb brauchten die Designer Jassner gar nicht erst zu kommen. »Sonst wären wir schnell eine Ulkmarke geworden«, sagt er. Schon nach zwei Jahren machte das Unternehmen sechs Millionen D-Mark Umsatz und beschäftigte 60 Mitarbeiter. Das war Jassner aber nicht genug.

Die String-Rakete

Gemeinsam mit seiner Herrenberger Werbeagentur und ein paar jungen Kreativen suchte er nach Ideen, die Marke noch bekannter zu machen. Für eine klassische Kampagne in Zeitschriften und auf Plakatwänden fehlte das Geld, es musste etwas sein, was auf einen Schlag viele Menschen sehen konnten. Also schickte Jassner am 13. August 1998 eineUnterhose zur russischen Weltraumstation MIR, und beauftragte einen Kosmonauten, sie auf ihr Verhalten in der Schwerelosigkeit zu überprüfen. Was aber viel wichtiger war, als die Ergebnisse dieser Tests: Weltweit zeigte das Fernsehen Bilder aus dem All, auf denen der Flugingenieur Nikolai Budarin mit breitem Grinsen beide Daumen hob, mit Bruno-Banani-Mütze und im Bruno-Banani- T-Shirt. Für einen sechsstelligen Betrag, den Jassnerden Russen überwiesen hatte, kannte seine Firma jetzt die ganze Welt, auf den Etiketten stand fortan der Zusatz »first space proofed underwear«. Später folgten Ausflüge auf den Mount Everest und in 4.800 Meter Wassertiefe im Bermudadreieck. »Das waren alles so Ideen, die ein bisschen Spaß gemacht haben«, sagt Jassner. »Wir wollten eine Botschaftvermitteln, was unsere Marke ausmacht.« Mit dieser unkonventionellen Strategie ist Bruno Banani zu einer Marke geworden, die in 17 Länder nicht nur Unterwäsche verkauft, sondern auch Sonnenbrillen, Düfte, Taschen und Uhren. Insgesamt 15 Lizenznehmer nutzen ihre Bekanntheit, bis heute muss jedes Produkt erst von Jassner abgenickt werden, bevor es in seinem Namen verkauft werden darf. Im vergangenen Jahr hat dasUnternehmen so den Umsatz gegenüber dem Vorjahr um knapp 17 Prozent auf 75,2 Millionen Euro gesteigert. In Chemnitz wird davon aber nur noch ein geringer Teil erwirtschaftet. Dort arbeiten knapp 100 Angestellte und produzieren Unter- undSchwimmhosen für Männer, eigentlich wie vor 156 Jahren.

Beim Lohn heißt es: Hosen runter

Bruno Banani ist heute eines der Vorzeigeunternehmen in Ostdeutschland. Dass es auch einen anderen Teil der Wahrheit gibt, sieht man nur, wenn man hinter den Vorhang blickt. Dort sitzt Birgit Albrecht, Gewerkschaftssekretärin der IG Metall in Chemnitz. Sie sagt: »Mit Bruno Banani zu verhandeln, war am Anfang wie Steine zu schneiden.« Anfang der 90er-Jahre hatte sie die Insolvenz von Jungnickels Mittelbacher Textilfabrik begleitet,danach konnte sie aber nicht verhindern, dass die Türen von Bruno Banani für sie geschlossen blieben. Jassner und Jungnickel wollten in Ruhe ihr Unternehmen aufbauen, da hätte die Gewerkschaft nur gestört. Nach fünf Jahren aber war die Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern groß: Die Löhne waren niedrig, Überstunden wurden nicht bezahlt. Sie wollten einen Betriebsrat, Albrecht organisierte geheime Treffen mit den Näherinnen, um sie über ihre Rechte zu informieren. Nach der Wahl dauerte es allerdings noch ein ganzes Jahr, bis Jungnickel und Jassner die branchenüblichen Gehälter zahlten. »Für die Kunden und die Medien war Bruno Banani von Beginn an eine Erfolgsgeschichte«, sagt Albrecht. »Aber der Erfolg muss ja nicht unbedingt bei denen ankommen, die ihn erarbeitet haben.« Doch das ist Vergangenheit. Das Verhältnis zwischen der Firma und der Gewerkschaft hat sich beruhigt, Jungnickel, mit dem sich Albrecht in vielenVerhandlungen gestritten und danach wieder vertragen hat, hat das Unternehmen im vergangenen Herbst verlassen, nicht ganz freiwillig, räumt Jassner ein. Er will nun langsam die Übergabe einleiten. »Man muss der nächsten Generation die Möglichkeit geben, sich freizuschwimmen.« Sein Sohn Jan, 37 Jahre alt, in Chemnitz verheiratet,arbeitet jetzt schon in der GeschaÅNftsführung mit, er soll die Firmenleitung übernehmen.Für den Alten geht dann das Abenteuer in Sachsen zu Ende, er wird zurückkehren auf die Schwäbische Alb, wo er bis heute lebt. Denn so richtig ist er selbst im Osten offenbar nie angekommen. In Chemnitz wohnt er seit 16 Jahren im Hotel.