Warum ist die Wahl wichtig?

Rund 18 Millionen Menschen leben in Nordrhein-Westfalen (NRW), mehr als in jedem anderen Bundesland. Hiervon sind etwa 13,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. Eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gilt deswegen als „kleine Bundestagswahl“. Doch nicht nur die Einwohnerzahl macht die Wahl in NRW wichtig. In der Vergangenheit wurden hier politische Trends gesetzt. Einer Koalition, die ein Land von der Größe NRWs regieren kann, traut man auch zu, die Bundesregierung zu stellen. Bevor es zur ersten Koalition von SPD und FDP 1969 auf Bundesebene kam, gab es ab 1966 eine sozialliberale Koalition in NRW. Als 1995 SPD und Grüne in NRW eine Koalition eingingen, folgte Rot-Grün ab 1998 im Bund. Das Ende der rot-grünen Bundesregierung wurde 2005 in NRW eingeleitet: 2005 verlor Rot-Grün unter dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück die Mehrheit in NRW und wurde von einer Koalition von CDU und FDP unter Jürgen Rüttgers (CDU) abgelöst. Diese Wahlniederlage war der Auslöser für eine Neuwahl des Bundestages im Herbst desselben Jahres, bei der die CDU die meisten Stimmen gewann.

In Nordrhein-Westfalen will nun Armin Laschet (CDU) Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ablösen. Laschet war in der Regierung von Jürgen Rüttgers Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Und er will nun die CDU zurück in die Regierung führen. Kraft ist seit 2010 Ministerpräsidentin von NRW. Sie führte 2010 bis 2012 gemeinsam mit den Grünen eine Minderheitsregierung. Bei der Neuwahl des Landtags 2012 erreichten SPD und Grüne dann eine Mehrheit im Landtag.

Was sind die größten Probleme in NRW?

Nordrhein-Westfalen ist in vielen Bereichen ein gespaltenes Land: Städte wie Düsseldorf, Köln oder Münster wachsen. Gleichzeitig liegt Nordrhein-Westfalen in vielen Bereichen unter dem Bundesdurchschnitt: Die Ausgaben für Bildung pro Schüler sind niedriger als in den meisten Bundesländern, die Arbeitslosigkeit höher, und auch die Kriminalität wird von vielen Bürgern als zu hoch empfunden. Im Münsterland, Sauerland und Ostwestfalen etwa finden sich viele weltweit erfolgreiche mittelständische Unternehmen. Dort ist auch die Arbeitslosigkeit niedrig. Ganz anders sieht es im vom Strukturwandel geplagten Ruhrgebiet aus: Hier ist die Arbeitslosigkeit höher als in vielen Regionen in Ostdeutschland, es verfallen ganze Stadtteile. Hier haben Kinder und Jugendliche mehr Probleme in der Schule als in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens. Das Ruhrgebiet ist die Problemregion des Landes und mit über fünf Millionen Einwohnern so groß, dass seine Schwierigkeiten sich auf das ganze Land auswirken.

Worüber wird am meisten gestritten?

Die beiden großen Themen der Landtagswahl sind Sicherheit und Bildung. Im Bildungsbereich gibt es zwei wichtige Themen: Soll an den Gymnasien in Nordrhein-Westfalen das Abitur wieder nach neun Jahren abgelegt werden oder wie bisher nach acht Jahren? Gegner des Abiturs nach acht Jahren (G8) haben zu diesem Thema das erste Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen seit fast 40 Jahren auf den Weg gebracht. Ein weiterer Streitpunkt ist die Inklusion. Vor allem über die Integration lernbehinderter und sozial auffälliger Kinder in die Schulen wird viel gestritten.
Auch wenn die Einbruchszahlen in den vergangenen Monaten zurückgegangen sind, haben viele Menschen das Gefühl, das Leben in Nordrhein-Westfalen sei nicht mehr sicher. Neben den vielen Einbrüchen haben vor allem die Diskussionen über sogenannte No-go-Areas – Stadtteile, in denen die Polizei angeblich die Kontrolle verloren hat – viele Menschen verunsichert. Und auch die Silvesternacht 2016, als es in Köln zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen am Hauptbahnhof kam, wirkt immer noch nach.

Wer will was?

Eine gute Zusammenfassung, welche Partei im Wahlkampf welche Forderungen stellt beziehungsweise Versprechungen macht, findet ihr auf bpb.de im „Hintergrund aktuell“ zur NRW-Landtagswahl.

Immer wieder erkenntnisstiftend ist es auch, die eigenen Standpunkte mit den Angeboten der Parteien zu vergleichen. Auch zur Landtagswahl in NRW gibt es einen Wahl-O-Mat.

Wie wird die Wahl wahrscheinlich ausgehen?

Nein, natürlich kann keiner das Ergebnis einer demokratischen Wahl vorhersagen. Die Wahl am kommenden Sonntag ist extrem spannend. Umfragen zufolge liegen SPD und CDU mittlerweile sehr nah beisammen: Beide kommen auf knapp über 30 Prozent. Die Grünen, die lange in den Umfragen verloren, haben sich stabilisiert und werden wahrscheinlich wieder in den Landtag kommen – wenn auch deutlich geschwächt. Die FDP liegt in den Umfragen deutlich über zehn Prozent. Ob die Linke in den Landtag kommt, ist unsicher, sie liegt in den Umfragen zwischen fünf und sechs Prozent. Die AfD hat gute Chancen, in den Landtag einzuziehen. Die Piraten, die in NRW ihre letzte Landtagsfraktion in ganz Deutschland haben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.

Spannend wird auch, wer die neue Regierung stellt. SPD und Grüne haben in keiner Umfrage eine Mehrheit. Die Grünen wollen nicht mit CDU und FDP regieren, haben es aber nicht kategorisch ausgeschlossen. Die FDP hat beschlossen, nicht in eine Koalition mit Grünen und SPD einzutreten. Mit der AfD will niemand reden. Aber auch mit den Linken will keine Partei koalieren. Auch SPD und Grüne nicht. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat eine solche Koalition sogar ausgeschlossen. Klingt alles kompliziert? Ist es auch: Es könnte lange dauern, bis sich in Nordrhein-Westfalen eine neue Regierung bildet. Oder es geht ganz schnell, wenn SPD und CDU zusammengehen. Eine Große Koalition gilt als wahrscheinlich.

Sollte ich NRW mal besuchen?

Ja, ganz sicher lohnt es, Nordrhein-Westfalen zu besuchen. Und man kann da auch länger bleiben. Zum Beispiel, um zu studieren: NRW hat sehr viele Universitäten und Fachhochschulen. Es gibt kaum ein Fach, das man dort nicht studieren kann. Viele Hochschulen bieten auch ein duales Studium. Einige dieser Studiengänge integrieren sogar eine anerkannte Berufsausbildung. Und wer an einer Universität im Ruhrgebiet studiert, kann sich über für Großstädte sehr günstige Mieten und einen relativ entspannten Wohnungsmarkt freuen. Natürlich wird in NRW auch viel gefeiert: Festivals wie Juicy Beats in Dortmund, Bochum Total, die C/O Pop in Köln, der Ruhr Reggae Summer und Haldern Pop ziehen jedes Jahr Unmengen von Besuchern an. Fast jede Stadt in NRW hat eine spannende Kulturszene mit Museen, Theatern, Clubs und vielen Kneipen. Und von NRW aus hat man es nicht weit zum Meer: Die Nordsee ist über die Niederlande und Belgien von den meisten Großstädten aus schnell zu erreichen.

Fotos: Hannes Jung / laif