Thema – Populismus

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Rechts gewinnt

Von großen Finanzkrisen profitieren oft dieselben politischen Kräfte. Warum das so ist, hat der Ökonom Christoph Trebesch untersucht – und ist überrascht, dass der Crash von 2008 immer noch nachwirkt

Börsencrash

Fluter.de: Sie haben die politischen Auswirkungen von Finanzkrisen der letzten 150 Jahre untersucht. Was haben Sie herausgefunden?

Christoph Trebesch: Wir haben uns die Folgen in 20 Demokratien weltweit angeschaut und festgestellt, dass Finanzkrisen ganz erhebliche politische Verwerfungen nach sich ziehen. Einfach gesagt: Die etablierten Parteien leiden, extreme und populistische Parteien gewinnen.

Was macht diese extremen und populistischen Parteien aus?

Zum einen gibt es klassische faschistische oder kommunistische Gruppierungen, etwa in den 1930er-Jahren. Wir berücksichtigen aber auch rechts- und linkspopulistische Parteien. Nach unserer Definition sind Parteien populistisch, wenn sie einen Konflikt zwischen zwei Gruppen in der Bevölkerung heraufbeschwören. Auf der einen Seite steht dann das „wahre Volk“ und auf der anderen die „korrupte Elite“. Die politische Strategie ist oft komplett auf diesen scheinbaren Konflikt ausgerichtet, und Populisten beanspruchen, als Einzige für das „wahre Volk“ zu sprechen. Sie nutzen rhetorische Mittel wie die Polarisierung („wir“ gegen „die“), die Elitenkritik und die Betonung des Nationalen.

Eines Ihrer Ergebnisse ist, dass rechte Parteien dabei deutlich stärker profitieren als linke. Wie kommt das?

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Christoph Trebesch (Foto: privat)

Christoph Trebesch ist Professor am Kieler Institut für Weltwirtschaft

(Foto: privat)

Das war für uns eine Überraschung. Wir hatten erwartet, dass kommunistische und linkspopulistische Parteien von einer solchen Situation stärker profitieren, da es ja um eine Krise auf dem Kapitalmarkt geht. Da denkt man doch, es müssten Parteien dazugewinnen, die den Kapitalismus als System infrage stellen. Aber dem ist nicht so. Stattdessen scheinen Wähler in Krisenzeiten besonders empfänglich für Politiker, die Migranten und Ausländer zu Sündenböcken machen. Es kommt also zu einer Verschiebung von einer Kritik am Finanzsystem hin zu einer Kritik an offenen Grenzen und offenen Gesellschaften.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise 2008 sind rechtspopulistische Parteien in fast allen europäischen Ländern stark. Sie sagen, das sei ein Muster, das sich wiederholt.

Es ist ein Phänomen, das wir seit dem 19. Jahrhundert immer wieder beobachten. Parteien am rechten Rand haben von großen globalen Krisen profitiert, wie etwa die Depression nach 1929 oder der Bankenkollaps 2008. Die Effekte sind aber auch bei kleineren, regionaleren Finanzkrisen zu beobachten. 

Bei anderen Wirtschaftseinbrüchen, die keine Finanzkrise zur Folge haben, gibt es das Phänomen nicht?

Wir haben Finanzkrisen mit anderen schweren Krisen verglichen, bei denen es zu einem Wirtschaftseinbruch kam, aber zu keinem Bankencrash. Die politischen Effekte treten fast ausschließlich dann auf, wenn es eine Finanzkrise gab, jedoch nicht bei anderen Arten von Wirtschaftskrisen und Rezessionen.

Wie erklären Sie sich das?

Unserer Interpretation nach gibt es dafür drei mögliche Gründe. Erstens: Eine Ölkrise wird von den Wählern noch eher als ein von außen kommender Schock wahrgenommen. Eine Finanzkrise dagegen gilt als unentschuldbar, denn Politiker haben bei der Regulierung der Banken offensichtlich das Falsche gemacht. Daher werden auch die etablierten Parteien so stark abgestraft. Der zweite Grund: Es kommt zu großen Rettungspaketen – zu sogenannten Bail-outs – und zeitgleich zu Kürzungen bei den Ausgaben für Sozialleistungen, Kultur oder Bildung. 

 „Wir steuern beunruhigend schnell auf eine neue populistische Ära zu“

Banken zu retten ist in der Krise oft das einzige Mittel, um noch Schlimmeres zu verhindern. Aber es entsteht der Eindruck, dass für die Banken immer Geld da ist, nicht aber für andere wichtige gesellschaftliche Zwecke. Das stärkt Protestwahlverhalten. Und drittens: Finanzkrisen stellen das System als Ganzes infrage – den Kapitalismus –, und auch daher tendieren Wähler dann dazu, systemkritische Parteien zu wählen.

Ebbt der Erfolg von populistischen Parteien nach dem Ende der Krise wieder ab?

Wir konnten in den Daten erkennen, dass das Erstarken der extremen und populistischen Parteien sich fünf bis zehn Jahre nach der Krise wieder abschwächt. Das scheint seit der Krise von 2008 aber bisher nicht so zu sein, im Gegenteil. Die Situation verfestigt sich, und die Parteien am rechten Rand werden eher noch stärker, so auch in Europa. Die Normalisierung der Politik bleibt aus. Wir steuern beunruhigend schnell auf eine neue populistische Ära zu.

Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Studie?

Wir haben gelernt, dass die gesellschaftlichen Folgen von Finanzkrisen noch größer sind, als das gemeinhin von Ökonomen gesehen wird. Die Finanzmarktaufsicht, die Regulierungsbehörden, die Zentralbanken und die Regierungen tragen eine sehr große Verantwortung bei der Aufsicht von Banken und anderen Finanzakteuren. Sie sollten Finanzkrisen nicht nur bewältigen, sondern bestmöglich versuchen, ihnen vorzubeugen. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich. Das Beispiel Kanada zeigt, dass man den heimischen Finanzsektor durchaus so regulieren kann, dass es nicht immer wieder zu Krisen kommt. Das Land hatte seit 1840 noch keinen einzigen Bankencrash, während die USA seitdem ganze zwölf Finanzkrisen durchgemacht haben.

Illustration: Bureau Chateau / Jannis Pätzold

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