Für die letzte Woche vor meiner Abreise hatte ich geplant: Zahnarzttermin, Goodbye-Party mit Freunden, Abschied von der Familie, Koffer packen und letzten Papierkram erledigen. Normales Umzugsgedöns eben. Aber dann kamen die News.

Trumps Einreisebann

Der Einreisestopp gilt für Menschen aus sieben Ländern, in denen überwiegend Muslime leben: 90 Tage lang gibt es für Bürger aus dem Irak, Iran, Libyen, Somalia, Syrien, Jemen und dem Sudan keine Visa für die USA. Das Regierungsprogramm zur Aufnahme von Flüchtlingen ist für 120 Tage gestoppt. Die Tagesschau erklärt die Details der Regelung    

Als ich von dem Dekret hörte, das US-Präsident Donald Trump zu verabschieden plante, dachte ich mir erst: Das ist nur heiße Luft. Sowas kann man doch nicht machen. Kurz darauf bekam ich eine Mail von meiner Gastuniversität, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Betreff: „some concerns“. Die Uni wollte meine genauen Flugdaten wissen und ob ich nicht eine Woche früher kommen könnte. Ich wurde unruhig. Als mich mein Cousin anrief, der selbst in den Staaten wohnt, und mich zur Eile drängte („Hurry up!“), war mir schließlich klar: Jetzt oder nie.

Ich war verunsichert: Will ich dort überhaupt noch hin? Ist ein Staat, der von sich behauptet, modern zu sein, aber plötzlich Menschen diskriminiert, weil sie „das Falsche“ glauben oder weil eine bestimmte Staatsangehörigkeit in ihrem Pass steht, der richtige Platz für mich? 

„Ist ein Staat, der von sich behauptet, modern zu sein, aber plötzlich Menschen diskriminiert, weil sie das Falsche glauben oder weil eine bestimmte Staatsangehörigkeit in ihrem Pass steht, der richtige Platz für mich?“

Andererseits fieberte ich seit langem darauf hin, in die USA zu gehen. Die Einladung, acht Monate lang am MIT für meine Doktorarbeit zu forschen, war ein Jackpot: Sie bedeutet Zugang zu genau jenen Instrumenten, die ich für meine Untersuchung brauche. Seitdem die USA und der Iran keine diplomatischen Beziehungen mehr pflegen, ist es für Iraner sehr schwierig, ein Visum zu bekommen – es gibt ja noch nicht mal eine US-Botschaft in Teheran. Es dauerte ein ganzes Jahr, bis ich ein Visum in Händen hielt.

Also buchte ich Hals über Kopf den nächstbesten Flug: Freitag 4.10 Uhr über Abu Dhabi. Wenn ich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einreise, so rechnete ich mir aus, stünden meine Chancen vielleicht besser. Meine Familie wohnt mehrere Autostunden von Teheran entfernt. Sie beeilte sich, um mir meinen Koffer zum Flughafen zu bringen und mich zumindest noch ein paar Minuten zu sehen. 

Während der 14 Flugstunden, die zwischen Abu Dhabi und New York liegen, machte ich mir viele Gedanken: Werden sie mich reinlassen? Wird es Befragungen geben? Wäre es besser, wenn ich meinen Hijab ablege?

und jetzt

Die Redakteurin und Elahne im Iran (Foto: privat)

Elahe (rechts) ist 30 und hat Computertechnik studiert. Unsere Autorin Sara Geisler (links) lernte sie vergangenen Herbst bei einer Reise durch den Iran in einem Bus kennen. Elahes Familie bestand darauf, sie zu beherbergen, drei Tage durchzufüttern und ihr kiloweise Datteln als Proviant mit auf den Weg zu geben

(Foto: privat)

Um 15.30 Uhr kam ich in New York an. Es gab keine Fragen, keine Probleme. Wie sich später herausstellte, war ich eine der Letzten, die aus den sieben „gebannten“ Ländern einreisen durfte. 

An der Uni wurde ich herzlichst empfangen. Die ganze Belegschaft des Fachbereichs war gekommen, um mich und einen anderen Forscher aus dem Irak zu begrüßen. Viele andere Studenten und Mitarbeiter hatten es nicht geschafft, steckten auf irgendwelchen Flughäfen fest oder traten die Reise erst gar nicht an. Wenn ich Hilfe bräuchte, versicherte man mir, egal bei was, die Uni wäre für mich da. 

Vielleicht liegt es auch an Boston – die Stadt ist liberal und von Demokraten geprägt – jedenfalls fühle ich mich sehr willkommen. Ich habe mich sogar dafür entschieden, meinen Hijab weiterhin zu tragen. Nur ein einziges Mal wurde ich bisher schief angeschaut (zumindest kam es mir so vor), das war in einer Bahn. Die meisten Menschen lächeln mir aufmunternd zu. 

Mein Visum gilt jetzt erstmal für acht Monate. Ursprünglich hieß es, ich hätte Aussicht auf eine Verlängerung auf bis zu fünf Jahre. Mein Plan war so lange wie möglich zu bleiben und für meine Doktorarbeit zu forschen. Keine Ahnung, wie lange das nun sein wird. Dass das Einreiseverbot und diese Diskriminierung gegenüber Muslimen lange anhalten wird, kann ich mir aber nicht vorstellen: Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Menschen dagegen protestieren! 

Weil ich mit meinem Single-Entry-Visum nicht aus- und wieder einreisen darf, hatten meine Eltern vor, mich in den USA zu besuchen. Ich habe mich sehr darauf gefreut, wollte ihnen zeigen, wie frei man hier ist – ganz unabhängig davon, wer man ist oder was man glaubt – und dass es mir gut geht. Das wird jetzt erst mal nichts. Über Skype beschwichtige ich sie: „Macht euch keine Gedanken, es geht mir gut.“ Aber natürlich sehen sie sich die Nachrichten an und sind besorgt. 

Titelbild: age fotostock / Alamy Stock Foto