Thema – Klimawandel

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Tschüss, Tangier Island

Zwei Drittel der US-amerikanischen Insel sind schon im Meer versunken. Nun soll eine Mauer helfen. Eine Fotostrecke

  • 6 Min.
Tangier

An der Ostküste der USA, ungefähr eine Autostunde östlich von Washington, D.C., liegt die Chesapeake Bay, eine riesige, südwärts zum Atlantik verlaufende Bucht. Mittendrin: eine kleine, sumpfige Insel namens Tangier Island. Rund 700 Menschen leben laut Schätzung der US-amerikanischen Statistikbehörde auf den drei Quadratkilometern – noch. Denn: Die Insel schrumpft. Mehr als vier Meter Küstenlinie werden jährlich vom Meer verschluckt. Da der höchste Punkt der Insel gerade mal einen guten Meter über dem Meeresspiegel liegt, haben die Einwohner jetzt schon regelmäßig mit Überschwemmungen zu kämpfen. Laut einer Studie der US-Armee könnte ihre Heimat in rund 25 Jahren verschwunden sein.

Einfluss auf das gottgemachte Klima? No Way!

Die Ursache für ihren Untergang? Erosion und der Klimawandel. Daran, dass der Mensch für letzteren verantwortlich ist – und daher auch dringend handeln muss –, glauben aber nicht alle Inselbewohner.

Das liegt womöglich auch an der tiefen Religiosität der Bewohner. Beeinflusst von Jahrhunderten der Isolation hat sich auf Tangier eine streng konservativ-christliche Kultur entwickelt. Dass Menschen überhaupt einen Einfluss auf das gottgemachte Klima haben können, erscheint manchen einfach nicht nachvollziehbar.

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Von den ursprünglich 300 Hektar sind mittlerweile nur noch etwa 33 bewohnbar. Von „Klimaflucht“ will hier aber niemand reden

Einer von ihnen ist Tangiers Bürgermeister, der Krabbenfischer James Eskridge. 2017 sorgte er für Aufsehen, als er sich in einer Fernsehdiskussion zu Wort meldete und seinen Zweifel am steigenden Meeresspiegel verkündete. Im selben Jahr noch warnten Klima-Aktivisten der konservativen Initiative „republicEn“ das Städtchen vor dem steigenden Meeresspiegel und davor, dass die Insel früher oder später ganz aufgegeben werden müsse.

Die vom Bürgermeister favorisierte Lösung: eine Mauer

 

Die Menschen von Tangier Island wollen bleiben. Bürgermeister Eskridge sieht die Lösung in einer Art Schutzwall, einer die Insel umschließenden Mauer. Eine vage Unterstützung bei diesem Vorhaben sprach ihm sogar Präsident Trump persönlich zu, für den bei der Präsidentschaftswahl 87 Prozent der Einwohner*innen gestimmt hatten – und der den menschengemachten Klimawandel offen leugnet. Ob eine Mauer die Insel auf Dauer vor dem Untergang bewahren kann? Die Bewohner hoffen jedenfalls auf einen Baubeginn in diesem Jahr.

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In dem Sumpfgebiet, das die Stadt Tangier umschließt, errichten die Einwohner*innen mannesgroße Kruzifixe mit religiösen Botschaften. Das Städtchen hat zwar keine Tausend Einwohner, aber zwei Kirchen

 
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Fußballspielen? Auf Tangier Island schwierig. Aber plantschen geht jederzeit

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Krabben statt Schnecken im Vorgarten: Diese Exemplare hier heißen Blaukrabben und sind schon seit Jahrhunderten eine wichtige Einnahmequelle der Menschen aus Tangier. Ihr zartes Fleisch wird von Gastronomen im ganzen Land geschätzt

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Tommy, 40, ist Krabbenfischer und Imbissbetreiber. Wenn er nicht grad draußen auf dem Meer ist, serviert er den Jugendlichen Tangiers Eis und Milkshakes. Den Namen des Präsidenten trägt er stolz auf der Brust – auch wenn der bis jetzt noch nicht wirklich viel für die Gemeinde unternommen hat

 
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Am Anlegesteg von Bürgermeister Eskridge hängt ein Zeitungsbericht über die Amtseinführung Donald Trumps. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Nachrichtensender CNN sagte Eskridge mal, er liebe Donald Trump „wie seinen eigenen Sohn“

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„Mama, ich nehm’ das Boot zur Schule!“ Die beiden Teenagerinnen stehen auf dem Vorplatz der Grund- und Oberschule Tangiers. Hier lernen ungefähr 60 Schüler*innen, verteilt auf alle Klassenstufen

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Schon im Kindergarten spielt das Christentum eine zentrale Rolle. Vielen fällt es später schwer, den Klimawandel als etwas Menschengemachtes zu begreifen – viel eher akzeptieren sie ihr Dilemma als ein göttliches Schicksal

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Jeden Morgen steuert Bürgermeister Eskridge sein Boot in die Chesapeake Bay um Krabben zu fangen. Trumps pro-israelische Haltung war für ihn Grund genug ihn 2016 zu wählen, denn ...

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... viele gläubige Einwohner Tangiers sehen es als ihre Pflicht, das „Volk Israels“ zu unterstützen. Gegründet wurde die Stadt als Kolonie strenggläubiger Methodisten

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Da kommt Freude auf: Während die Erwachsenen in der Andacht sitzen, klärt ein älteres Kirchenmitglied die Jugendlichen in Sachen Beziehung und (bloß nicht!) vorehelichen Sex auf

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Auch eine Strategie, um trockenen Fußes von A nach B zu kommen: im Fahrradkorb

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Der 75-jährige Ray Cooper ist zwar offiziell im Ruhestand, aufs Meer muss er aber trotzdem noch mehrmals die Woche. Von seiner Rente allein kann er nicht leben – auch nicht im Wohnmobil

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