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Oh shit!

Milliarden Menschen leiden unter fehlenden Toiletten und mangelnder Hygiene. Die Fotografin Andrea Bruce macht darauf aufmerksam. Was man auf ihren Bildern nicht sieht, sind die oft tödlichen Folgen dieser Missstände

Sanitation

Klar, beim Thema Toiletten dauert es meist nicht lange und irgendjemand reißt den ersten Klo-Witz. Dabei wäre es angebracht, diese Sache, die in der Tat zum Himmel stinkt, einmal mit dem nötigen Ernst zu betrachten: Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge fehlen weltweit Toiletten für mehr als zwei Milliarden Menschen. Mangelnde Hygiene in Sanitäranlagen und bei der Abwasserentsorgung führen zur Verbreitung von Erkrankungen, an denen täglich Hunderte Menschen sterben, besonders Kinder.

Es gibt eine NGO, die sich ganz dem Thema widmet, die World Toilet Organization (WTO). Ihre Position ist, dass hygienische und funktionierende Toiletten in ausreichender Zahl nicht nur eine Notwendigkeit sind, sondern für die Würde des Menschen unabdingbar. Die WTO fühlt sich der Erfüllung des UN-Millenniumsziels Nummer 7c verpflichtet. Dies sieht vor, den Anteil der Weltbevölkerung, der ohne Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung lebt, radikal zu reduzieren.

Gegründet wurde die WTO übrigens in Singapur, dessen ehemaliger Premierminister Goh Chok Tong einmal gesagt hat, der Zustand der öffentlichen Toiletten eines Landes sage viel über das soziale System aus und sei ein Symbol für den Fortschritt einer Gesellschaft.

Die US-amerikanische Fotografin Andrea Bruce hat Monate damit verbracht, in der ganzen Welt den Zustand der sanitären Anlagen zu dokumentieren. Sie kommt zu einer sehr ähnlichen Einschätzung: „Man muss sich nur den Zustand der Toilettenräume von öffentlichen Schulen ansehen, dann kann man sehr genau sagen, wie in diesem Land die Prioritäten gesetzt werden.“

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Indien, nahe Bhubaneswar. Hier finden sich kaum irgendwo funktionierende Toiletten, und deshalb ist auch sauberes Wasser Mangelware. Denn die meisten Dörfer beziehen ihr Wasser aus Brunnen, die oft kontaminiert sind – durch „offene Defäkation“ (OD), wie das dann von Politikern und Gesundheitsexperten vornehm ausgedrückt wird.

 
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Mehr öffentliche Toiletten sollen in Indien Abhilfe schaffen. Doch werden die dann nicht regelmäßig gereinigt und repariert, ist auch wieder nicht viel geholfen. Die „offene Defäkation“, die in indischen Dörfern schon ein Problem darstellt, ist dies erst recht in den Slums großer Städte wie Neu-Delhi. Deshalb arbeiten Organisationen wie Water Aid daran, solche Quartiere mit Toiletten auszustatten.

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Meistens besetzt: Für die etwa 800 Einwohner des indischen Dorfes Peepli Khera steht genau eine Toilette zur Verfügung. Deshalb verrichten die meisten ihre Notdurft auf den Feldern im Freien – die Männer auf der einen Seite des Dorfes, die Frauen auf der anderen. Schätzungen zufolge muss sich knapp die Hälfte der Inder auf diese Weise helfen. Viele indische Kinder ziehen sich dadurch Parasiten und chronische Infektionen zu, die ihre Fähigkeit beeinträchtigen, aus der Nahrung Nährstoffe zu ziehen. Laut UNICEF kommen aufgrund dieser Missstände fast 150.000 von ihnen jedes Jahr ums Leben.

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Die indische Regierung hat versprochen, dass ab 2019 jeder Bürger des Landes Zugang zu einer Toilette haben soll. Hier auf dem Bild allerdings ist eine solche von Steuergeldern errichtete Toilette zu sehen – sie ist schon wieder kaputt. Das Bauen von sanitären Anlagen ist eben nur ein Teil der Lösung. Sie müssen dann auch an die Wasserversorgung angeschlossen und gut gewartet werden.

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Kinder spielen in dem stark verunreinigten Fluss Yamuna, in den Unmengen an Abwasser aus Neu-Delhi eingeleitet werden. Womöglich dachten sie, der Schaum sei durch Seife entstanden. Dabei sind es neben Tensiden auch Fäkalien und Industrieeinleitungen, die das Flusswasser schäumen lassen.

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In den Slums im Westen der Karibikinsel Haiti brach, nachdem hier Anfang Oktober 2016 der Hurrikan Matthew gewütet hatte, vielerorts Cholera aus. Was die Zustände noch verschärfte, war der Mangel an Toiletten. Oft entleeren sich die Bewohner dieser Quartiere einfach auf den kleinen Wegen direkt vor ihren Behausungen.

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Ein Mitarbeiter von SOIL (Sustainable Organic Integrated Livelihoods) leert in Cap-Haïtien eine öffentliche Toilette. Die Organisation hat sich dem Ziel verschrieben, menschliche Fäkalien zu Kompost und Dünger zu verarbeiten, sodass sie nicht mehr die natürlichen Gewässer und damit auch das Trinkwasser der Menschen verschmutzen.

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Hurrikan Matthew traf im Oktober 2016 mit etwa 230 Stundenkilometern auf Haiti und versetzte dem Wiederaufbau vieler Gebäude, die es schon bei einem Erdbeben im Jahr 2010 hart getroffen hatte, einen herben Rückschlag. Um die 175.000 Menschen waren zeitweise obdachlos, und aus den Unmengen von Schutt und trübem Wasser kehrte ein altbekannter Feind zurück: die Cholera. Hier ist eine alte Frau damit beschäftigt, Wochen nach dem Hurrikan die Reste ihres Hauses in den Bergen zu reinigen.

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Was für ein Job: Ein Bayakou – so werden in Haiti die Latrinenreiniger genannt – kümmert sich um die Entleerung eines Plumpsklos. Dazu muss er komplett in die Grube hinabsteigen.

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In den letzten zehn Jahren hat es in Vietnam große Fortschritte bei der Versorgung der Bevölkerung mit sanitären Anlagen gegeben. Doch in bestimmten Regionen, in denen die Armutsrate immer noch sehr hoch ist oder wo sozial benachteiligte ethnische Minderheiten leben, ist die Situation weiterhin sehr schlecht. In diesen Gegenden, so die Schätzung, benutzen 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung keine Toiletten.

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Da Dorf Na Tau ist eines von fünf Dörfern in der Region Dien Bien, denen es gelungen ist, 100 Prozent der Haushalte mit eigenen Latrinen auszustatten. Das ist auch der Health Environment Management Agency nicht verborgen geblieben, die das Beispiel des Dorfes in ihren Prüfrichtlinien für „OD“ berücksichtigt hat. Dien Bien ist die erste Region Vietnams, in der diese Richtlinien umgesetzt werden sollen.

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Das Dorf Vĩnh Xuyên im Süden Vietnams: Die Menschen dieser Region benutzen oft ihre Fischfarmen als Outdoor-Toilette, weil sie glauben, dass das für das Wachstum der Fische gut und der Gesundheit der Menschen, die sie einmal verzehren sollen, nicht abträglich ist.

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Ein Großteil des Erfolgs bei der Ausstattung Vietnams mit sanitären Anlagen ist den öffentlichen Schulen zuzuschreiben. Sie waren die Speerspitze dieser Modernisierung, denn in allen neu errichteten Schulen der letzten Jahre sind Innentoiletten Pflicht – ebenso wie das Händewaschen nach ihrer Benutzung.

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Die gute Ausstattung der Schulen mit sanitären Anlagen in Vietnam kommt gerade auch den Mädchen im Teenageralter zugute. In Ländern, in denen „offene Defäkation“ noch weit verbreitet ist und Schulen daher keine Innentoiletten mit ausreichender Privatsphäre bieten, haben sie oft das Nachsehen, besonders wenn ihre Menstruation einsetzt.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.