Als der damalige US-Präsident Ronald Reagan die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ bezeichnete, konnte er mit dem Einverständnis seiner Landsleute rechnen. Der ehemalige Schauspieler machte sich schließlich die Stereotype zunutze, mit denen Hollywood seit Jahrzehnten arbeitete. Der „böse Russe“ ist, obwohl er regelmäßig von westlichen Helden besiegt wird, bis heute unsterblich. Den Untergang des „kommunistischen Imperiums“ hat er locker weggesteckt.

Tief eingeschrieben hat sich das Klischee während des Kalten Krieges, in dem die Rolle des bedrohlichen „Anderen“ stets für einen finsteren Slawen reserviert war. Oder für eine verführerische Slawin. James Bond musste in seiner langen Karriere mit rund einem Dutzend russischen Gegenspielern fertig werden, von General Gogol über General Orlow bis zur sadistischen Ex-Pilotin Xenia Onatopp oder der hinterhältigen Rosa Klebb in „Liebesgrüße aus Moskau“. Anders als der Araber, der Schwarze oder der Asiat ist der Kommunist von den Guten, in der Regel also weißen Amerikanern, rein äußerlich nicht zu unterscheiden. Das macht ihn besonders tückisch. In „Rocky IV“ rächt Sylvester Stallone bei einem Boxkampf in Moskau seinen Freund Apollo Creed, der zuvor von der blonden sowjetischen Kampfmaschine Iwan Drago (gespielt vom Schweden Dolph Lundgren) totgeschlagen wurde. Er rettet damit nicht nur die Ehre der USA, sondern gewinnt auch die Herzen der Zuschauer.

Auf psychologischer Ebene waren im Grunde auch Invasionen von Außerdirdischen nichts anderes als sowjetische Angriffe, ganz platt beschrieben in „Die rote Flut“. In aktuelleren Filmen wie „The Tourist“, „Jack Ryan“, „Red Heat“, „Iron Man 2“, „The Equalizer“ und „96 Hours – Taken 3“ sind die Gegenspieler des Guten stets ehemalige KGB-Agenten, russische Killer, russische Geschäftsleute oder neuerdings: russische Hacker. Im letzten „Die Hard“-Film hatte es Bruce Willis mit dem Gangster Yuri Komarov zu tun, verkörpert vom deutschen Schauspieler Sebastian Koch. Und in der jüngsten Fortsetzung von „Indiana Jones“ spielt Cate Blanchett eine unheimliche KGB-Agentin. Auch in der Krimi-Komödie „Snatch“ ist der Waffenhändler ein Ex-KGBler, beschrieben als „so gekrümmt wie die sowjetische Sichel und so hart wie der Hammer, der sie kreuzt“.

Noch heute steht „der böse Russe“ ideologisch für Barbarei, Totalitarismus, Triebhaftigkeit und Chaos. Dabei ist er entweder nur böse oder betrunken, bestenfalls einfach verrückt wie der Kosmonaut Andropow, der in „Armageddon“ ganz nostalgisch mit Pelzmütze und „USSR“-T-Shirt durch die Raumstation schwebt. Und längst ist das Klischee aus dem Kino in andere Bereiche der Populärkultur eingesickert, wo es als Ideologie weiterwirkt. In Computerspielen wie „Call of Duty“ oder „Metal Gear Solid“ sind die größten Schurken: Russen.

Der böse Russe könnte demnächst sogar noch häufiger zu sehen sein, schließlich sehen sich die Drehbuchschreiber durch die aktuelle Politik Putins bestätigt und entdecken in der Unterdrückung von Oppositionellen und dem Krieg gegen die Ukraine alte Handlungsmuster wieder. Im „Reich des Bösen“ selbst hat sich für diese ausländischen Vorurteile inzwischen der selbstironische Sammelbegriff „Klyukva“ eingebürgert. „Klyukva“ heißt Kranbeere – lecker als Trockenfrucht, aber roh ungenießbar.